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Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Urt. v. 22.01.2016 - 11 U 67/15
Leitsatz: Die Mutter eines Studenten darf sich gegen den Willen anderer Mitglieder einer Studenten-Wohngemeinschaft nicht dauerhaft in den Räumen der WG aufhalten. Polizeibeamte dürfen das Hausrecht der Mitbewohner zwangsweise durchsetzen, wenn die Mutter auch nach vorheriger, polizeilicher Aufforderung die Räume der WG nicht freiwillig verlässt.
In pp. Die Berufung der Klägerin gegen das am 10.03.2015 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der Klägerin steht aufgrund des Polizeieinsatzes vom 27.08.2012 gegen 19.30 Uhr in der Gemeinschaftswohnung ihres Sohnes T im Hause B-Straße in X kein Schadensersatzanspruch gegen das beklagte Land gemäß §§ 839 Abs. 1 S. 1, 253 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 34 GG zu.
Dabei kann zugunsten der Klägerin davon ausgegangen werden, dass sie die von ihr behaupteten Verletzungen, wie sie durch die von ihr zu den Akten gereichten Fotos und das Attest der Praxis Y vom 13.09.2012 dokumentiert werden, als Folge des streitgegenständlichen Polizeieinsatzes davongetragen hat. Die Verletzungen sind jedoch nicht Folge eines amtspflichtwidrigen Handelns der Polizeibeamten B und F, denn ihr Handeln war durch eine Ermächtigungsnorm gedeckt. Auch ein Verstoß gegen das Übermaßverbot lässt sich nicht feststellen.
Zwar rechtfertigte sich das Vorgehen der Polizeibeamten nicht, wie die Berufung erwägt, gemäß § 34a Abs. 1 PolG NW, weil von der Klägerin keine gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit des Mitbewohners der Wohnung P ausgegangen war.
Die Polizeibeamten waren jedoch berechtigt, gegen die Klägerin einen Platzverweis auszusprechen und sodann mit unmittelbarem Zwang durchzusetzen, weil von der Klägerin eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausging, §§ 34 Abs. 1 S. 1, 57 Abs. 1 PolG NW. Sie handelten als zuständige Ordnungsbehörde, da es ihnen um die Durchsetzung des Hausrechts P ging und sie nicht im Rahmen einer Strafverfolgung tätig wurden.
Mit Recht sind die Polizeibeamten davon ausgegangen, dass die Klägerin fortwährend das Hausrecht P an der Wohnung verletzte, indem sie sich dort für mehrere Tage dauerhaft und daher nicht nur vorübergehend zum Zwecke der Versorgung der ihrem urlaubsabwesenden Sohn und dessen Freundin gehörenden Haustieren aufhielt und einer Aufforderung P zum Verlassen der Wohnung nicht nachgekommen war. Zu einem dauernden Aufenthalt in der Wohnung war die Klägerin nicht berechtigt.
Das Hausrecht an einer Wohnung steht demjenigen zu, der die Räumlichkeiten tatsächlich bewohnt und knüpft damit an die tatsächliche Sachherrschaft und den berechtigten Besitz an (vgl. Schönke/Schröder Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 123 Rdnr. 16; Heinrich, Der Umfang der Ausübung des Hausrechts in einer Wohnung bei mehreren Berechtigten im Rahmen des § 123 StGB, JR 1997, S. 89). Bei einer gemeinschaftlichen Benutzung von Räumlichkeiten durch eine Mehrzahl von berechtigten Bewohnern steht die Ausübung des Hausrechts im Regelfall jedem Berechtigten in vollem Umfang zu. Daher kann jeder Mitbewohner grundsätzlich selbstständig entscheiden, wem er das Betreten der Wohnung gestattet. Andererseits kann aber auch jeder Berechtigte dritten Personen den Zutritt zur Wohnung versagen oder, wenn sie sich ohne Befugnis in den Räumlichkeiten aufhalten, zum Verlassen der Wohnung auffordern (vgl. Heinrich, a.a.O.). Bei einer Wohngemeinschaft wie im vorliegenden Fall wobei es keine Rolle spielt, ob P Mit- oder Untermieter war sind den einzelnen Bewohnern bestimmte Räume zur alleinigen Benutzung zugewiesen, während andere Räume als Gemeinschaftsräume von allen Bewohnern genutzt werden können. Hinsichtlich der zur alleinigen Benutzung vorgesehenen Räume steht grundsätzlich demjenigen, dem diese Räume zugewiesen sind, das alleinige Hausrecht zu. Bei den Gemeinschaftsräumen kann regelmäßig jeder Mitberechtigte entscheiden, wem er den Zutritt gestattet. Allerdings kann sich ein Mitbewohner zur Wehr setzen, wenn ihm der Aufenthalt des Dritten in den Gemeinschaftsräumen nicht zumutbar ist. Zur Beurteilung der Zumutbarkeit hat eine umfassende Interessenabwägung stattzufinden, die sowohl das Recht des jeweiligen Mitbewohners, im privaten Bereich ungehindert Besucher empfangen zu können, als auch das Recht eines anderen, in seiner Privatsphäre vor unliebsamen Störern geschützt zu werden, berücksichtigt (vgl. Heinrich, a.a.O., S. 95).
Im vorliegenden Fall brauchte P eine dauerhafte Anwesenheit der Klägerin in den Räumen nicht zu dulden und war berechtigt, sie aus der Wohnung zu weisen. Zwar war der Sohn der Klägerin T als Mitglied der Wohngemeinschaft zweifellos berechtigt, der Klägerin das Betreten der Wohnung zu gestatten und ihr die Wohnungsschlüssel zu überlassen, damit diese die in der Wohnung befindlichen Haustiere versorgen konnte. Aus diesem Grunde musste P das Betreten der Wohnung und jeden Aufenthalt der Klägerin zur Erfüllung dieses Zweckes dulden, was er jedoch getan hat. Mit einem dauerhaften Aufenthalt über mehrere Tage unter Benutzung sämtlicher Gemeinschaftsräume hat die Klägerin ihren Aufenthalt jedoch über das zur Erfüllung der ihr übertragenen Pflicht Notwendige in einem für P nicht zumutbaren Maße ausgedehnt. Eine studentische Wohngemeinschaft ist auf ein Zusammenleben regelmäßig jüngerer Erwachsener in einer vergleichbaren Lebenssituation ausgerichtet. Der dauerhafte Aufenthalt von Angehörigen einer anderen Generation ist ihr fremd. Die Personen, mit denen jeder Einzelne zusammenleben will, werden auf vertraglicher Basis im Rahmen von Miet- oder Untermietverhältnissen durch die Mitglieder der Wohngemeinschaft jeweils ausgewählt. Mit diesen Intentionen ist der einseitig erfolgte Austausch eines Mitbewohners durch seine Mutter, und sei es auch nur über einige Tage, nicht zu vereinbaren und daher den übrigen Bewohnern unzumutbar. Bedeutungslos für die Interessenabwägung ist hingegen, ob die Klägerin P zu irgendeinem früheren Zeitpunkt, weil er den Schlüssel vergessen hatte, in die Wohnung gelassen hatte, ob P zuvor aus von der Klägerin mitgebrachten Lebensmitteln versorgt worden war und ob, wie die Klägerin am Ende der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ohnehin verspätet im Sinne des § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO und ohne jegliche Substanz äußerte, die Klägerin nur deshalb aus der Wohnung weisen wollte, um ungestört dem Drogenkonsum nachgehen zu können.
Die Durchsetzung des Hausrechts P berechtigte die Polizeibeamten somit zum Einschreiten, ohne dass sie aufgrund des Subsidiaritätsgrundsatzes daran gehindert gewesen wären. Gemäß § 1 Abs. 2 PolG NW obliegt der Schutz privater Güter der Polizei nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist, oder wenn ohne polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. So lagen die Dinge im vorliegenden Fall, denn es erscheint ausgeschlossen, dass P am Abend um 19.30 Uhr noch rechtzeitig wirkenden zivilrechtlichen Schutz gegenüber der dauerhaften Verletzung seines Hausrechts durch die Klägerin hätte erlangen können, und andernfalls den unrechtmäßigen Aufenthalt der Klägerin in der Wohnung über eine Vielzahl weiterer Stunden hätten hinnehmen müssen. Darüber hinaus greift die Subsidiaritätsklausel im vorliegenden Fall aber auch deshalb nicht ein, weil die Klägerin durch ihr Verbleiben in der Wohnung trotz Aufforderung P zum Verlassen mittlerweile den Tatbestand des Hausfriedensbruchs im Sinne des § 123 Abs. 1 StGB Verweilensalternative erfüllte, weshalb seitens der Polizeibeamten nicht nur die Rechte P zu schützen waren, sondern auch das weitere Andauern einer Dauerstraftat zu verhindern war. Auf die Frage, ob P den gemäß § 123 Abs. 2 StGB erforderlichen Strafantrag für die Strafverfolgung stellen würde, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
Die Anweisung der Polizeibeamten an die Klägerin, ihre Sachen zu packen und die Wohnung zu verlassen, war die zweckmäßige, erforderliche und verhältnismäßige Maßnahme in der konkreten Situation. Sie geschah auf ausreichender und zutreffender Tatsachengrundlage, nachdem die Beamten ermittelt hatten, dass P in der Wohnung gemeldet war und die Klägerin nicht. Weitere Ermittlungen, insbesondere das Führen eines Telefonats mit dem Zeugen T, waren nicht geboten und hätten keine weiteren entscheidungserheblichen Erkenntnisse erbracht. Ermessensfehler der Polizeibeamten sind ebenfalls nicht ersichtlich.
Da die Klägerin nicht bereit war, der rechtmäßigen Anordnung der Polizeibeamten Folge zu leisten, sondern sie ersichtlich bestrebt war, durch das Hereinlassen ihres Ehemanns die Verletzung des Hausrechts P in die Wohnung zu intensivieren und die Tätigkeit der Beamten zu behindern, lagen auch die Voraussetzungen für die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen die Klägerin gemäß § 55 Abs. 1 S. 1 PolG NW vor. Aus diesem Grunde durften die Polizeibeamten durch Anwendung einfacher körperlicher Gewalt verhindern, dass die Klägerin die Wohnungstür öffnete, bzw. bewirken, dass nach kurzzeitigem Öffnen die Wohnungstür wieder geschlossen wurde, ohne dass ihr Ehemann die Wohnung betreten konnte. Das Handeln der Polizeibeamten war daher erforderlich und verhältnismäßig und lässt auch keinen Ermessensfehler erkennen. Die Beamten durften dabei insbesondere davon ausgehen, dass die Klägerin nicht durch Worte zu überzeugen war, sondern gewillt war, so hartnäckig wie möglich Widerstand zu leisten. Dies bestätigt auch ihr Verhalten im Senatstermin, in welchem sie sich den Ausführungen des Senats verschloss und weiterhin darauf beharrte, im Recht gewesen zu sein.
Die Ausführung des unmittelbaren Zwangs war schließlich auch nicht unverhältnismäßig, obwohl die Klägerin infolge des Handelns der Polizeibeamten ein etwa 2 x 3 cm großes Hämatom über der rechten Mamma sowie eine Beeinträchtigung im Bereich der rechten Schulter und des Arms erlitt. Denn nach dem Ergebnis der Anhörung der Klägerin durch den Senat waren die Verletzungen der Klägerin nicht etwa Folge von Schlägen oder eines anderen gezielten Einwirkens seitens der Beamten, sondern unvermeidbare Folgen des Tumults, den die Klägerin durch ihren Versuch, die Wohnungstür für ihren Ehemann zu öffnen, verursacht hatte. Die Verletzung der Brust entstand demnach, als einer der Polizeibeamten die Klägerin am Oberarm stieß, am Unterarm fest fasste und sie dabei gegen die Tür drückte. Damit überschritt das Maß der körperlichen Gewaltanwendung durch den Polizeibeamten jedoch nicht dasjenige, das zur Durchsetzung der polizeilichen Anordnungen geboten war, vielmehr verwirklichte sich durch die eingetretenen Verletzungen lediglich das Risiko des von der Klägerin ausgehenden Widerstandes. Dafür, dass in der konkreten Situation ein weniger intensives, jedoch in gleichem Maße effektives Vorgehen der Polizeibeamten möglich gewesen wäre, fehlt jeglicher Anhaltspunkt.
Konnte somit nach der eigenen Darstellung der Klägerin im Rahmen ihrer Anhörung eine Verletzung des Übermaßverbotes seitens der Polizeibeamten nicht angenommen werden, erweist sich insofern ihr Klagevortrag als unschlüssig und war die Vernehmung der vom Senat vorbereitend zum Senatstermin geladenen Zeugen nicht mehr erforderlich.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Der Zulassung der Revision bedurfte es nicht, da die Voraussetzungen des § 543 ZPO bei der hier zu treffenden Einzelfallentscheidung nicht vorliegen.
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