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Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Köln, Urt. v. 17.12.2015 - 7 U 54/15
Leitsatz: Zum Ersatz einer Verbandsstrafe, die gegen einen Fußballverein wegen eines sog. Böllerwurfs von einem Zuschauer eines Fußballspiels verhängt worden ist, durch diesen Zuschauer.
In pp. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 08.04.2015 (Az: 7 O 231/14) abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird zugelassen.
Gründe: I. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz in Höhe von 30.000,00 in Anspruch, nachdem dieser bei einem Heimspiel ihrer Lizenzspielermannschaft gegen die Lizenzspielermannschaft des SC Paderborn am 09.02.2014 einen Knallkörper gezündet hatte. Wegen dieses Vorfalls und vier weiterer Vorfälle bei anderen Spielen der Lizenzspielermannschaft der Klägerin verhängte das Sportgericht des DFB mit Urteil vom 19.03.2014 eine Verbandsstrafe gegen die Klägerin, bestehend aus einer Geldstrafe in Höhe von 50.000,00 sowie einer zur Bewährung ausgesetzten Anordnung, zwei Heimspiele unter teilweisem Ausschluss der Öffentlichkeit auszutragen. Ferner erteilte der DFB der Klägerin die Bewährungsauflage, insgesamt einen Geldbetrag von 30.000,00 für Projekte und Maßnahmen zu verwenden, die der Gewaltprävention sowie der Ermittlung von konkreten Tätern bei den Fußballspielen der Klägerin dienen. Auf die Bewährungsauflage rechnete der DFB einen Betrag von 19.961,66 an, den die Klägerin bereits vor dem streitgegenständlichen Urteil für die Anschaffung eines Kamerasystems aufgewendet hatte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 104 ff. d.A.).
Das Landgericht hat mit Urteil vom 08.04.2015 die Klage in vollem Umfang zugesprochen. Zur Begründung hat es im Einzelnen ausgeführt, dass ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten aus Vertrag gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB bzw. aus einem vertragsähnlichen Schuldverhältnis gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB bestehe. Dabei hat das Landgericht insbesondere auch auf das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Rostock vom 28.04.2006 (Az: 3 U 106/05) Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, der unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens seinen Klageabweisungsantrag weiter verfolgt. Er macht insbesondere geltend, dass der der Klägerin entstandene Schaden nach seiner Art und Entstehungsweise nicht vom Schutzzweck der von dem Beklagten verletzten Norm umfasst sei.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 08.04.2015 verkündeten Urteils des Landgerichts Köln, Az. 7 O 231/14, die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen (Bl. 133 ff. d.A., 152 ff. d.A., 173 ff. d.A., 186 ff. d.A.).
II.
Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet.
Die geltend gemachten Ansprüche stehen der Klägerin gegen den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
1. Eine vertragliche Haftung des Beklagten für die Verurteilung der Klägerin durch das DFB Sportgericht vom 19.03.2014 gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Zuschauervertrag scheidet aus.
Es fehlt nach Auffassung des Senats an der haftungsbegründenden Kausalität zwischen den Pflichtverletzungen des Beklagten aus dem Zuschauervertrag und dem von der Klägerin geltend gemachten Schaden in Gestalt der vom Sportgericht des DFB ausgeurteilten Strafe. Der Schaden liegt außerhalb des Schutzbereichs der verletzten Normen.
Vorliegend ist ein Zuschauervertrag zwischen der Klägerin und dem Beklagten zustande gekommen, und zwar durch das Vorzeigen der Dauerkarte verbunden mit dem Begehren, das Spiel besuchen zu wollen (Vertragserklärung des Beklagten), und dem Einlass des Beklagten zum Spiel (Vertragserklärung der Klägerin). Dies gilt auch dann, wenn der Beklagte das Spiel mit einer Dauerkarte besuchte, die ihm lediglich für dieses Spiel von einem Bekannten zur Verfügung gestellt worden war, zumal die Klägerin die unentgeltliche Weitergabe von Dauerkarten für den Besuch einzelner Spiele grundsätzlich gestattet. Dann mag zwar die Hauptleistungspflicht des Zuschauers (Zahlung des Entgelts) in Person des Dauerkarteninhabers entstanden und durch diesen auch bereits erfüllt worden sein. Der Beklagte, der das Recht des Dauerkarteninhabers auf Besuch des konkreten Spieles in Anspruch genommen hat, ist jedoch für das betreffende Spiel in die weiteren Verhaltenspflichten aus dem Zuschauervertrag eingetreten.
Der Beklagte hat auch seine ihm aus dem Zuschauervertrag gegenüber der Klägerin erwachsenden Verhaltenspflichten verletzt, indem er in der 59. Spielminute einen Knallkörper zündete und diesen auf den Unterrang der Nordtribüne warf. Es ergeben sich Verstöße gegen § 6 Abs. 1 lit. g, Abs. 3 lit. f und h der Stadionordnung, die über den Hinweis auf der Dauerkarte und den Aushang an den Stadioneingängen auch in den Zuschauervertrag mit dem Beklagten einbezogen worden ist. Danach ist es den Besuchern u.a. verboten, Feuerwerkskörper mitzuführen und abzubrennen sowie mit Gegenständen zu werfen. Aber auch unabhängig von der Stadionordnung ist der Beklagte aus dem Zuschauervertrag gemäß § 241 Abs. 2 BGB zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Klägerin verpflichtet. Schutzgegenstand ist dabei das Integritätsinteresse des anderen Teils, d.h. sein personen- und vermögensrechtlicher status quo (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 74. Aufl., 2015, § 241 Rn. 6). Durch das Zünden des Knallkörpers hat der Beklagte pflichtwidrig das Interesse der Klägerin an einem ungestörten Spielablauf beeinträchtigt.
Als Schaden, der ihr aus dem Verhalten des Beklagten erwachsen sei, macht die Klägerin einen Betrag in Höhe von 30.000,00 geltend. Diesen Betrag berechnet die Klägerin wie folgt: Aus der verhängten Gesamtgeldstrafe in Höhe von 50.000,00 und der Bewährungsauflage in Höhe von 30.000,00 ergebe sich zunächst ein Gesamtschaden in Höhe von 80.000,00 . Auf die Bewährungsauflage sei anzurechnen ein Betrag von 19.961,66 , den die Klägerin bereits vor dem streitgegenständlichen Urteil für die Anschaffung eines Kamerasystems aufgewendet habe und den der DFB auf die Bewährungsauflage angerechnet habe. Hiernach ergebe sich ein verbleibender Schaden der Klägerin in Höhe von 60.038,34 . Hiervon habe der Beklagte entsprechend seines Anteils am ursprünglichen Gesamtschaden 50 % (30.019,17 ) zu tragen, da die aufgrund seines Verhaltens vom DFB ausgeurteilte Einzelstrafe von 40.000,00 die Hälfte des ursprünglichen Gesamtschadens von 80.000,00 ausmache. Von dem so ermittelten Betrag von 30.019,17 macht die Klägerin mit der vorliegenden Klage einen Teilbetrag von 30.000,00 geltend.
Im Ausgangspunkt bezweifelt der Senat nicht, dass das Zünden des Knallkörpers durch den Beklagten adäquat kausal (im Sinne einer Mitverursachung) die Verhängung der Verbandsstrafe durch den DFB nach sich gezogen hat.
Es fehlt jedoch an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang. Denn die Verhängung der Verbandsstrafe unterfällt nicht mehr dem Schutzzweck der vom Beklagten verletzten Pflichten.
Nach der Lehre vom Schutzzweck besteht eine Schadensersatzpflicht nur dann, wenn der geltend gemachte Schaden nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzen Norm fällt (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 74. Aufl., 2015, vor § 249 Rn. 29 m.w.N.). Es muss sich um Nachteile handeln, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte vertragliche oder vorvertragliche Pflicht übernommen worden ist. Der Nachteil muss zu der vom Schädiger geschaffenen Gefahrenlage in einem inneren Zusammenhang stehen; eine bloß zufällige äußere Verbindung genügt nicht. Der Schaden muss auch gerade durch die Pflichtwidrigkeit der Handlung verursacht worden sein.
An diesen Voraussetzungen fehlt es vorliegend.
Maßgeblich für das Verbot des Zündens von Knallkörpern im Stadion und hierdurch verursachter Spielstörungen ist die besondere Gefährlichkeit von Knallkörpern für die menschliche Gesundheit. Zuschauer, Organisationspersonal und Spieler sind durch die mit dem Feuer und der Explosion verbundenen Gefahren gleichermaßen bedroht (vgl. OLG Frankfurt, 3 U 140/10, Urteil vom 24.02.2011). Diese vom Beklagten geschaffene Gefahrenlage hat sich hinsichtlich des geltend gemachten Schadens jedoch nicht realisiert. Realisiert hat sich hierin vielmehr das durch die Unterwerfung der Klägerin unter die Regeln des DFB geschaffene Risiko, dass der Verein für sportliche Vergehen seiner Anhänger die Verantwortung zu übernehmen hat und dementsprechend im Rahmen des Verbandes mit Strafen belegt werden kann (§ 44 der Satzung des DFB, §§ 1 Abs. 4, 9a der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB). Diese Gefahr hat jedoch die Klägerin selbst durch ihre Mitgliedschaft im DFB begründet. Es ist für den Senat nicht zu erkennen, dass der Beklagte als Zuschauer seine Rücksichtnahmepflichten, hier in Gestalt des Verbots des Zündens von Knallkörpern, übernommen hätte, um den Verein (auch) vor Verbandsstrafen zu schützen. Zwar dürfte auch dem Beklagten nicht entgangen sein, dass der DFB dem Verein bei entsprechenden Vorfällen eine Verbandsstrafe auferlegen kann. Insoweit jedoch eine bewusste Übernahme dieses Risikos durch den Beklagten als Zuschauer anzunehmen, erscheint dem Senat zu weitgehend. Die komplexe Rechtslage nach der Satzung des DFB und der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB sowie die möglichen finanziellen Folgen dürften sich dem durchschnittlichen Zuschauer kaum erschließen. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Klägerin im Rahmen der Ausgestaltung des Zuschauervertrages das Risiko einer Verbandsstrafe auf den Zuschauer hätte überwälzen wollen. Nach Auffassung des Senats liefert die in den Zuschauervertrag einbezogene Stadionordnung vielmehr einen Hinweis darauf, dass auch die Klägerin bei der von ihr vorgegebenen Vertragsgestaltung nicht unbedingt von einem entsprechenden Schutzzweck bereits der Verhaltenspflichten aus dem Zuschauervertrag ausgegangen sein dürfte. Denn in § 7 Abs. 2 der Stadionordnung findet sich eine ausdrückliche Regelung über eine Vertragsstrafe für den Fall des Abbrennens pyrotechnischer Gegenstände. Danach fällt bei Verstoß gegen § 6 Abs. 3 lit. h (u.a. Abbrennen von Feuerwerkskörpern) eine Vertragsstrafe von bis zu 1.000,00 an. Zwar findet sich der Hinweis in § 7 Abs. 2 der Stadionordnung, dass weitere Schadensersatzansprüche, Unterlassungsansprüche oder sonstige vertragliche Ansprüche hiervon unberührt bleiben. Doch spricht der Grundsatz der effektiven Vertragsauslegung zunächst dafür, dass der Vereinbarung einer Vertragsstrafe gerade auch für den Fall des Abbrennens von Feuerwerkskörpern eine eigenständige Bedeutung zukommt.
Der Senat verkennt nicht, dass in der weiteren Rechtsprechung überwiegend eine Haftung des störenden Zuschauers für dem betroffenen Verein vom DFB auferlegte Strafen bejaht (vgl. OLG Rostock, 3 U 106/05, Urteil vom 28.04.2006; LG Düsseldorf, 11 O 339/10, Urteil vom 25.08.2011; LG Karlsruhe, 8 O 78/12, Urteil vom 29.05.2012; AG Brakel, 7 C 680/87, Urteil vom 15.06.1988; AG Lichtenberg, 3 C 156/09, Urteil vom 08.02.2010; AG Lingen, 4 C 1222/09, Urteil vom 17.02.2010) und nur ausnahmsweise eine solche abgelehnt wird (vgl. LG Hannover, 2 O 289/14, Urteil vom 26.05.2015). Diese Entscheidungen setzen sich nur zum Teil mit Fragen des Zurechnungszusammenhangs auseinander.
Soweit das OLG Rostock in diesem Kontext darauf hinweist, dass dem Zuschauer aus allgemeinen Veröffentlichungen bekannt gewesen sein müsse, dass dem Verein bei störenden Vorfällen, dort dem Laufen eines Zuschauers auf das Spielfeld, eine Strafe des DFB drohe und er dies billigend in Kauf genommen habe, stimmt der Senat dem nur teilweise zu. Der durchschnittliche Zuschauer dürfte aus der Medienberichterstattung allenfalls in groben Zügen über das Verbandsstrafensystem des DFB informiert sein. Nach Auffassung des Senats rechtfertigt diese pauschale Kenntnis aber noch nicht die Weitergabe einer Verbandsstrafe an den störenden Zuschauer. Soweit das OLG Rostock weiter darauf hinweist, dass schuldrechtliche Verpflichtungen des Geschädigten, die durch den Schadensfall erst ausgelöst werden, sich voll auf die Ersatzpflicht auswirken und hierbei auf die sofortige Fälligkeit aller Leasingraten bei Zerstörung einer Leasingsache Bezug nimmt (vgl. BGH, VI ZR 78/75, Urteil vom 13.07.1976), trifft dies nach Auffassung des Senats nicht den vorliegenden Sachverhalt. Denn der Ersatz der ausstehenden Leasingraten ist Teil des Integritätsinteresses des Geschädigten an der Aufrechterhaltung seines vermögensrechtlichen status quo bei Vorliegen einer unmittelbaren Schädigung (Zerstörung der Leasingsache). An einer solchen unmittelbaren Schädigung der Klägerin durch das Zünden des Knallkörpers, deren weitere Folge dann eine Bestrafung durch den DFB wäre, fehlt es aber vorliegend. Es geht vielmehr um den Ersatz eines in dem Verhalten des störenden Zuschauers zwar angelegten, jedoch letztlich ungewissen und von einer Entscheidung des Sportgerichts des DFB abhängigen Vermögensschadens der Klägerin. Die Ungewissheit des Schadenseintrittes auf Seiten des Vereins zeigt sich bereits daran, dass nicht jedes störende Verhalten eines Zuschauers auch automatisch zur Auferlegung einer Geldstrafe durch das Sportgericht des DFB führt. Erst recht ist die Höhe einer eventuellen Geldstrafe nicht vorhersehbar. Dies verdeutlicht schon der Antrag des Kontrollausschusses des DFB vom 18.03.2014 (Bl. 17 ff. d.A.), dem das Sportgericht des DFB mit Urteil vom 19.03.2014 (Bl. 23 f. d.A.) entsprochen hat. Zum einen gibt es danach offensichtlich Fälle, von deren Ahndung entsprechend § 154 StPO von vornherein abgesehen wird. Zum anderen ergibt sich daraus, dass neben der Geldstrafe weitere Sanktionsmöglichkeiten bestehen, wie hier der Zuschauerausschluss, der im Vergleich zur Geldstrafe grundsätzlich die intensivere Sanktionsmöglichkeit eröffnen dürfte. Auch nach dem Antrag des Kontrollausschusses ist der Zuschauerausschluss im vorliegenden Fall für schwerwiegende Vorkommnisse in Düsseldorf verhängt worden, wobei jedoch die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Nach alledem folgt aus diesem offenbar an das Strafrecht angelehnten Sanktionssystem , dass einzelne Verfehlungen gar nicht, andere mit einer Geldstrafe und wieder andere mit einer sonstigen, nicht unmittelbar in Geld zu bemessenden Sanktion belegt werden. In der Konsequenz käme es nur hinsichtlich einzelner Verfehlungen von Zuschauern überhaupt zu einem Vermögensschaden auf Seiten des Vereins, dessen Ersatz, folgte man der vorzitierten weiteren Rechtsprechung, von dem betreffenden Zuschauer zu erlangen wäre, wobei es letztlich nicht an dem störenden Verhalten des in Anspruch genommenen Zuschauers, sondern vielmehr an der Wahl der Sanktion durch das Sportgericht des DFB und den von diesem angestellten Strafzumessungserwägungen läge, ob und in welcher Höhe hieraus ein Vermögensschaden des Vereins entsteht. Dies verdeutlicht nach Auffassung des Senats das Fehlen des erforderlichen Zurechnungszusammenhangs zu den Störungen durch bestimmte Zuschauer.
Zu einer anderen Bewertung führt auch nicht der im Ausgangspunkt zutreffende Hinweis der Klägerin, dass in der Rechtsprechung durchaus Konstellationen anerkannt sind, in denen eine Haftung für die einem Dritten auferlegte Strafe angenommen wird. Diese Konstellationen sind jedoch durch eine mit der vorliegenden Fallgestaltung nicht vergleichbare Interessenlage geprägt und daher nach Auffassung des Senats auf Fälle der vorliegenden Art nicht zu übertragen.
Dies gilt zunächst für die sog. Vertragsstrafe-Fälle. Danach kann ein Hauptunternehmer, der wegen verzögerter Fertigstellung des Werkes an den Auftraggeber eine Vertragsstrafe zu zahlen hat, seinen Subunternehmer auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, wenn die Verzögerung auf dessen schuldhafter Verletzung einer vertraglichen Pflicht beruht (vgl. BGH, VII ZR 342/96, Urteil vom 18.12.1997; X ZR 197/97, Urteil vom 25.01.2000).
In der Entscheidung vom 18.12.1997 hat der BGH hinsichtlich des Schutzzwecks der Norm Folgendes ausgeführt:
Die Lehre vom Schutzzweck führt zu keinem anderen Ergebnis [ ] Die Klägerin als Erfüllungsgehilfin hat ihre Leistung gegenüber der Beklagten erbracht, damit diese der Bauherrin als der Hauptgläubigerin leisten konnte. Diesem Leistungszweck entspricht es, dass der Erfüllungsgehilfe für die von ihm ausgelösten Leistungsstörungsansprüche selbst einzustehen hat.
Die vorliegende Situation ist hiervon grundverschieden. Der Zuschauer ist in keiner Weise für den Verein in dessen Leistungsbeziehung zum DFB eingeschaltet.
Auch die Fälle der sog. Beraterhaftung sind anders gelagert. Danach kann der Täter wegen der ihm auferlegten Strafe oder Buße einen Ersatzanspruch gegen einen Vertragspartner haben, der ihn vor der Begehung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit oder deren Folgen zu schützen hatte oder der ihn von einer strafbefreienden Selbstanzeige abgehalten hat (vgl. BGH, IX ZR 215/95, Urteil vom 14.11.1996; IX ZR 189/09, Urteil vom 15.04.2010).
In beiden Entscheidungen hat der BGH Folgendes ausgeführt:
Wer eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen hat, muss zwar die deswegen gegen ihn verhängte Sanktion nach deren Sinn und Zweck in eigener Person tragen und damit auch eine ihm auferlegte Geldstrafe oder buße aus seinem eigenen Vermögen aufbringen. Das schließt indessen für sich allein einen Anspruch gegen einen anderen auf Ersatz für einen solchen Vermögensnachteil nicht aus. [ ] Es kann deshalb [ ] für die Frage eines Ersatzanspruchs allein darauf ankommen, ob ein solcher sich aus den allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts ergibt. [ ] Das schließt aber eine Einstandspflicht desjenigen, der vertraglich verpflichtet war, den Täter vor der Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit und deren Folgen zu schützen, nicht aus.
Auch hiervon unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt erheblich. Denn der Zuschauer ist nicht (aufgrund besonderer Sachkunde) vertraglich verpflichtet, den Verein vor einer Bestrafung durch den DFB zu bewahren.
Soweit die Klägerin daneben auf das Urteil des BGH vom 19.09.1995 (Az: VI ZR 226/94) Bezug nimmt, rechtfertigt auch dieser Hinweis keine andere Beurteilung. Denn dort stand eine unmittelbare unfallbedingte körperliche Verletzung des Geschädigten zur Entscheidung, die zu Arbeitsunfähigkeit und damit einhergehend ggf. zur Verwirkung einer Vertragsstrafe wegen der Nichterbringung von Beratungsleistungen durch den Geschädigten geführt hatte. Hiermit ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar, da es an einer messbaren Primärverletzung der Klägerin fehlt, die ihrerseits zu der Vertragsstrafe geführt hätte. Wie bereits ausgeführt, ist im vorliegenden Zusammenhang allein das eigenen Gesetzmäßigkeiten folgende Verhalten des Sportgerichts des DFB das Bindeglied zwischen dem störenden Verhalten des Zuschauers und dem Eintritt eines Vermögensschadens auf Seiten des Vereins.
2. Auch aus deliktischen Anspruchsgrundlagen ergibt sich eine Haftung des Beklagten für die der Klägerin durch das Sportgericht des DFB auferlegten Strafen nicht.
a) Ein Anspruch folgt nicht aus § 823 Abs. 1 BGB. Das Vermögen ist nicht unmittelbar geschützt. Soweit die Klägerin einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb unterhält, fehlt es dem Zünden des Knallkörpers durch den Beklagten jedenfalls an der erforderlichen Betriebsbezogenheit. Hierzu müsste sich der Eingriff nach objektivem Maßstab spezifisch gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 74. Aufl., 2015, § 823 Rn. 135). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
b) Auch eine Haftung des Beklagten gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 40 Abs. 1 Nr. 3 SprengG kommt nicht in Betracht. Das SprengG umfasst nicht den Schutz des Vereins vor Verbandsstrafen des DFB. Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist eine Rechtsnorm, die nach Zweck und Inhalt zumindest auch dazu dienen soll, den einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zugunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mit gewollt hat. Es genügt, dass die Norm auch das in Frage stehende Interesse des Einzelnen schützen soll, mag sie auch in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit im Auge haben. Andererseits soll der Anwendungsbereich von Schutzgesetzen nicht ausgeufert werden. Deshalb reicht es nicht aus, dass der Individualschutz durch Befolgung der Norm als ihr Reflex objektiv erreicht werden kann; er muss vielmehr im Aufgabenbereich der Norm liegen (vgl. BGH, VI ZR 385/02, Urteil vom 18.11.2003). Die Vorschriften des SprengG sollen eine umfassende behördliche Kontrolle über den Verkehr und den Umgang mit Sprengstoffen gewährleisten, um die von Sprengstoffen ausgehenden Gefahren für die körperliche Gesundheit und die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren (vgl. Apel, Gewerbearchiv 1970, 29). Diesem Schutzbereich unterfällt die Verhängung einer Verbandsstrafe durch das Sportgericht des DFB nicht.
c) Schließlich ist auch eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Klägerin durch den Beklagten im Sinne des § 826 BGB zu verneinen. Es fehlt an einem Schädigungsvorsatz des Beklagten. Hierzu gehört, dass der Schädiger spätestens im Zeitpunkt des Schadenseintritts Art und Richtung des Schadens und die Schadensfolgen vorausgesehen und die Schädigung im Sinne eines direkten Vorsatzes gewollt oder im Sinne eines bedingten Vorsatzes zur Erreichung seines Ziels billigend in Kauf genommen hat. Der Vorsatz muss sich danach auch auf den Schaden erstrecken, eine nur allgemeine Vorstellung über mögliche Schädigungen genügt nicht (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 74. Aufl., 2015, § 826 Rn. 11). Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte eine hinreichend konkrete Vorstellung von den schädigenden Folgen seines Handelns gehabt hätte, und zwar gerade in Bezug auf die Verhängung einer Geldstrafe durch das Sportgericht des DFB. Soweit die Klägerin eine diesbezügliche Behauptung aufgestellt hat, erfolgte diese ersichtlich ins Blaue hinein unter der Prämisse, dass allgemein davon auszugehen sei, dass der durchschnittliche Zuschauer über die Sanktionsmöglichkeiten des DFB informiert sei. Dies mag in dieser Allgemeinheit auch zutreffen, ist nach Auffassung des Senats jedoch nicht geeignet, mehr als nur eine allgemeine Vorstellung über mögliche Schädigungen zu begründen.
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