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Gericht / Entscheidungsdatum: LG Berlin, Beschl. v. 04.02.2016 - 511 Qs 84/15
Leitsatz: Ausnahmsweise kann ein unbefristeter Rechtsbehelf infolge Verwirkung unzulässig werden, wenn der Berechtigte längere Zeit hindurch untätig bleibt, obwohl er die Rechtslage kannte oder zumutbarer Weise hätte kennen müssen.
Landgericht Berlin Beschluss Geschäftsnummer: 511 Qs 84/15 (266) 221 Js 3840/12 Ls (9/13) Amtsgericht Tiergarten In der Strafsache gegen pp. hier nur betreffend den Nebenkläger Nebenklägervertreter: wegen gefährlicher Körperverletzung hat die 11. große Strafkammer des Landgerichts Berlin am 4. Februar 2016 beschlossen:
Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft vom 2. November 2015 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 14. Oktober 2013 wird auf Kosten der Landeskasse Berlin als unzulässig verworfen.
Gründe: I. Dem Angeklagten wird eine am 2. Dezember 2012 zum Nachteil des Nebenklägers begangene gefährliche Körperverletzung zur Lastgelegt.
Das Amtsgericht Tiergarten - Schöffengericht - verhängte deswegen am 15. Mai 2014 eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten gegen den Angeklagten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil ist nicht rechtskräftig; die Berufungskammer des Landgerichts Berlin ( 580 Ns 138/14) hat das Verfahren ausgesetzt.
Mit Schreiben vom 26. September 2013 hatte Rechtsanwalt T. den Anschluss seines Mandanten als Nebenkläger angezeigt und beantragt, die Nebenklage zuzulassen, dem Nebenkläger Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihn als Beistand beizuordnen.
Die angehörte Staatsanwaltschaft hatte dagegen keine Bedenken.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 14. Oktober 2013 hat das Amtsgericht Tiergarten den Zeugen ppp. als Nebenkläger zugelassen, § 395 Abs. .1 Ziff. 3 StPO, und ihm gemäß § 397a Abs. 2 StPO unter Beiordnung von Rechtsanwalt T. für den erstinstanzlichen Zug Prozesskostenhilfe bewilligt.
Mit Schreiben vom 1. Juli 2015 beantragte Rechtsanwalt T., dem Nebenkläger für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für die Nebenklage in der Berufungsinstanz Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihn als Beistand für die Vertretung in der Berufungsinstanz beizuordnen.
Mit Beschluss vom 28. Oktober 2015 hat das Landgericht Berlin - 580 Ns 138/14 - dem Nebenkläger für den zweiten Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt. Den Antrag auf Beiordnung von Rechtsanwalt T. als Nebenklägerbeistand hat die Kammer abgelehnt, da die Beiordnung, die vom Amtsgericht mit Beschluss vom 14. Oktober 2013 angeordnet wurde, unabhängig von der Frage, ob deren Voraussetzungen vorlagen, für das gesamte Verfahren gelte.
Gegen die Anordnung im Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 14. Oktober 2013, dem Nebenkläger Rechtsanwalt T. beizuordnen, richtet sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft vom 2. November 2015, die sie damit begründet, dass die Voraussetzungen für eine Beiordnung nicht vorgelegen hätten. Anders als § 397a Abs. 1 StPO sehe § 397a Abs. 2 StPO eine Beiordnung gerade nicht vor, sondern bestimme nur, dass Prozesskostenhilfe für die Zuziehung eines Rechtsanwalts gewährt werde.
Der Nebenklägervertreter hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
2. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin vom 2. November 2015 gegen die im angefochtenen Beschluss vom 14. Oktober gemäß § 397a Abs. 2 StPO angeordnete Beiordnung von Rechtsanwalt Türker ist unzulässig, denn sie ist verwirkt.
Es ist zwar zutreffend, dass die Voraussetzungen für eine Beiordnung nicht vorlagen, da der hiesige Tatvorwurf der gefährlichen Körperverletzung nicht im Katalog des § 397a Abs. 1 StPO aufgeführt ist und dem Nebenkläger somit nur gemäß § 397a Abs. 2 StPO für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts Prozesskostenhilfe hätte bewilligt werden können.
Grundsätzlich steht der Staatsanwaltschaft auch das Rechtsmittel der unbefristeten Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts zu (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, 58. Aufl., § 397a, Rn. 19).
Ausnahmsweise kann ein unbefristeter Rechtsbehelf jedoch infolge Verwirkung unzulässig werden, wenn der Berechtigte längere Zeit hindurch untätig bleibt, obwohl er die Rechtslage kannte oder zumutbarer Weise hätte kennen müssen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, vor § 296 Rn. 6 m.w.N.; OLG Hamm NStZ-RR 2004, 144: Beschwerde der Staatsanwaltschaft nach mehr als einem Jahr).
So liegt der Fall hier.
Die Staatsanwaltschaft hatte vor Erlass des angefochtenen Beschlusses Gelegenheit zur Stellungnahme zum Antrag von Rechtsanwalt T. und mitgeteilt, dass der Zulassung der Nebenklage und der Beiordnung keine Bedenken entgegen stehen.
Nach Erlass des Beschlusses vom 14. Oktober 2013 legte die Staatsanwaltschaft keine Beschwerde gegen die Beiordnung ein.
Wenn die Staatsanwaltschaft nunmehr am 2. November 2015, mithin über zwei Jahre später, Beschwerde einlegt, so ist dieses Rechtsmittel infolge Verwirkung unzulässig.
Die Staatsanwaltschaft kannte die Rechtslage oder hätte sie kennen müssen. Sie hat auch zunächst eine positive Stellungnahme abgegeben und ist zwei Jahre lang untätig geblieben.
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