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Entscheidungen

OWi

Geschwindigkeitsüberschreitung, Vorsatz, Telefonieren, wirtschaftlichen Verhältnisse, Feststellungen

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Braunschweig, Beschl. v. 08.12.2015, 1 Ss (Owi) 163/15

Leitsatz: 1. Zum Vorsatz bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung.
2. Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen sind auch bei Überschreiten des Schwellenwerts von 250,00 Euro nicht allein wegen der Höhe der Geldbuße erforderlich, wenn zwei tateinheitlich verwirklichte Ordnungswidrigkeitstatbestände die Grundlage für die Bußgeldmessung bilden, die verhängte Geldbuße den höheren der für diese Ordnungswidrigkeiten vorgesehenen Regelsätze - im Falle vorsätzlichen Handelns den gemäß § 3 Abs. 4 a BKatV erhöhten - um nicht mehr als 10 Prozent überschreitet und der höhere der beiden Regelsätze um maximal 50 Prozent des niedrigeren Regelsatzes erhöht wurde.


In pp.
Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO i. V. m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG auf Kosten des Betroffenen mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass es unter IV. der Gründe statt „um 15 km/h“ tatsächlich „um 32 km/h“ und unter V. statt „mit 360 €“ tatsächlich „mit 350 €“ heißen muss.
Gründe
Das Amtsgericht Herzberg am Harz hat den Betroffenen am 23. Juni 2015 wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb geschlossener Ortschaften um vorwerfbare 32 Km/h sowie des vorsätzlichen verbotswidrigen Gebrauchs eines Mobiltelefons zu einer Geldbuße von 350,00 Euro verurteilt und gegen ihn zugleich ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt.

Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen hat das Amtsgericht festgestellt:

„Der am … geborene Betroffene ist verkehrsrechtlich bisher nicht in Erscheinung getreten. Der Auskunft des Fahrzeughalters, der S. Autovermietung nach, ist er beruflich mit der G. Fluggesellschaft mbH, beruflich verbunden, da mit seinem Namen und der Anschrift der Fluggesellschaft der Mietvertrag geschlossen worden war. Insoweit konnte das Gericht von geregelten wirtschaftlichen Verhältnissen ausgehen. Weitere Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen konnten nicht getroffen werden; der Betroffene hat insoweit von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht.“

Die am 26. Juni 2015 von einem Vertreter der bevollmächtigten (Bl. 31 d.A.) Verteidigerin eingelegte (Bl. 82 d.A.) und am 28. August 2015 von der Verteidigerin begründete (Bl. 93 d. A.) Rechtsbeschwerde gegen das in Abwesenheit des Betroffenen, aber in Anwesenheit eines unterbevollmächtigten (Bl. 80 d.A.) Rechtsanwalts verkündete (Bl. 76 bis 79 d.A.) und am 28. Juli 2015 der Verteidigerin zugestellte (Bl. 92 d.A.) Urteil des Amtsgerichts Herzberg am Harz vom 23. Juni 2015 (Bl. 84 bis 89 d.A.), mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird, ist gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 OWiG statthaft und auch ansonsten zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die Rechtsbeschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.

Insbesondere ist die Annahme einer vorsätzlichen Begehungsweise der Geschwindigkeitsüberschreitung nicht zu beanstanden. Bei einer innerorts erfolgten relativen Geschwindigkeitsüberschreitung um mehr als 100 % in einer Tempo-30-Zone ist gegen die Annahme vorsätzlichen Handelns nichts zu erinnern, sofern - wie hier - keine besonderen Umstände vorliegen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 31. Juli 2006 - 2 Ss OWi 401/06, NZV 2007, 263; OLG Braunschweig, Beschluss vom 07. Februar 2011, Ss (OWiZ) 225/10, DAR 2011, 406 und Beschluss vom 13. Mai 2015, 1 Ss (OWiZ) 85/13, juris). Ein Kraftfahrer, der im Straßenverkehr ohne Freisprecheinrichtung telefoniert, nimmt in Kauf, dadurch so abgelenkt zu sein, dass es zu Verkehrsverstößen kommt (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 30. Mai 2001 - 333 Ss 38/01 OWi, NZV 2001, 354).

Soweit im Urteil unter IV. der Gründe von einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit „um 15 km/h“ und unter V. von „mit 360 €“ die Rede ist, handelt es sich angesichts der abweichenden Angaben im Urteilstenor und den bezüglich der Geschwindigkeitsangabe dazu korrespondierenden Feststellungen zu II. der Gründe um offensichtliche Schreibversehen, die das Rechtsbeschwerdegericht selbst berichtigen kann (vgl. Gericke in KK-StPO, 7. Auflage 2013, § 354 Rn. 20).

Die Feststellung, der Betroffene habe während der Fahrt ein Mobiltelefon gebraucht, ist ebenfalls frei von Rechtsfehlern getroffen worden. Die Beweiswürdigung der Tatrichterin ist in sich schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei; das Lichtbild Bl. 47 d.A. kann aufgrund der prozessordnungsgemäßen Verweisung vom Rechtsbeschwerdegericht in eigener Anschauung gewürdigt werden. Soweit die Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang versucht, Zweifel aufzuzeigen, die die Tatrichterin ausweislich der Urteilsgründe nicht gehabt hat, kann sie damit nicht durchdringen.

Auch im Rechtsfolgenausspruch konnte das angefochtene Urteil Bestand haben.

Die Bußgeldbemessung liegt grundsätzlich im Ermessen des Tatrichters. Ihre Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht hat sich darauf zu beschränken, ob der Tatrichter von rechtlich zutreffenden Erwägungen ausgegangen ist und von seinem Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07. Juli 1995 - 5 Ss (OWi) 244/95 - (OWi) 99/95 I, NZV 1996, 78 m.w.N.). Das Amtsgericht hat sich hier an der für den Geschwindigkeitsverstoß vorgesehenen Regelgeldbuße von 160,00 Euro für den Fall fahrlässiger Begehung und gewöhnlicher Tatumstände orientiert, hat diese Geldbuße sodann wegen der vorsätzlichen Begehungsweise gemäß § 3 Abs. 4 a BKatV verdoppelt und schließlich wegen des tateinheitlich begangenen verbotswidrigen Gebrauchs eines Mobil- bzw. Autotelefons, für das der zur Tatzeit gültige Bußgeldkatalog eine Regelgeldbuße von 60,00 Euro vorsah, um 30,00 Euro erhöht.

Das ist nicht zu beanstanden, obgleich das Amtsgericht keine eingehenden Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen getroffen hat.

Auch wenn ein Betroffener - wie vorliegend - keine Angaben zu seinen Einkommensverhältnissen macht, entbindet dies das Gericht zwar grundsätzlich nicht von der Amtspflicht, die notwendigen Feststellungen - beispielsweise durch Vernehmung des Arbeitgebers - zu treffen, wenn sie gemäß § 17 Abs. 3 S. 2 OWiG von Bedeutung sein können (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 27. Mai 2014 - 1 Ss (OWi) 26/14, juris, Rn. 12 m.z.w.N.).

Die obergerichtliche Rechtsprechung lässt mittlerweile jedoch einige Einschränkungen dieses Grundsatzes zu. So ist inzwischen allgemein anerkannt, dass im Hinblick auf den in § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG festgeschriebenen Schwellenwert von 250,00 Euro eine Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse prinzipiell entbehrlich ist, wenn das Regelbußgeld diesen Betrag nicht übersteigt und keine Besonderheiten vorliegen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 08. Januar 2015 - III-3 RBs 354/14, juris, Rn. 14 m.w.N.). In Übereinstimmung mit dem OLG Hamm (Beschluss vom 20. März 2012 - III-3 RBs 441/11) hat der Senat (Beschluss vom 20. Oktober - 1 Ss (Owi) 156/15, juris, Rn. 12) darüber hinaus im Bereich von Verkehrsordnungswidrigkeiten zuletzt die Ansicht vertreten, dass auch bei Geldbußen über 250,00 Euro nähere Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen entbehrlich sind, solange die im Bußgeldkatalog vorgesehene Regelgeldbuße verhängt wird und sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass seine wirtschaftlichen Verhältnisse außergewöhnlich gut oder schlecht sind (vgl. ebenfalls OLG Celle, Beschluss vom 01. Dezember 2014 - 321 SsBs 133/14 -, Nds. Rpfl. 2015, 135 f.; OLG Oldenburg, Beschluss vom 29. Oktober 2014, 2 Ss (OWi) 278/14, juris; KG, Beschluss vom 07. Januar 2014 - 3 Ws (B) 651/13 - 162 Ss 136/13, juris, Rn. 10; OLG Jena, Beschluss vom 01. September 2011 - 1 Ss Bs 66/11, juris, Rn. 15). Dies gilt nach der genannten Rechtsprechung auch dann, wenn auf den für eine vorsätzliche Begehungsweise nach § 3 Abs. 4 a BKatV vorgesehenen Regelsatz erkannt wird (OLG Celle, a.a.O., im Anschluss an OLG Jena, a.a.O., Rn. 19 für Geldbußen bis 500,00 Euro). Denn die Bußgeldkatalogverordnung enthält gemäß § 3 Abs. 4 a BKatV eine generelle Regelung für die Bemessung der Bußgelder im Falle vorsätzlichen Handelns; auch insoweit geht der Verordnungsgeber von durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen aus und hat zu erkennen gegeben, dass er den festgeschriebenen Regelsatz unter diesen Bedingungen für angemessen erachtet. Es ist daher nicht erkennbar, warum in den Urteilsgründen zu solchen wirtschaftlichen Verhältnissen noch weitere Feststellungen erforderlich sein sollten, wenn sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eben nicht von durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen auszugehen ist (OLG Celle, a.a.O.; so explizit für die Verdoppelung der Geldbuße bei vorsätzlichem Handeln OLG Jena, a.a.O.). Schließlich soll eine nähere Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen (zumindest) auch dann entbehrlich sein, wenn zwar nicht die Regelgeldbuße, sondern ein angemessen erhöhtes Bußgeld von weniger als 250,00 Euro verhängt wird und der Betroffene keine Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen macht, Anhaltspunkte für eine Schätzung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorliegen und eine weitere Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse zu einer Verzögerung der Entscheidung führen würde (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 08. Januar 2015 - III-3 RBs 354/14, juris, Rn. 15).

Im Lichte dieser Rechtsprechung hält der Senat auch in der vorliegenden Konstellation, in der zwar ein den Schwellenwert von 250,00 Euro übersteigendes Bußgeld festgesetzt wurde, jedoch zwei tateinheitlich verwirklichte Ordnungswidrigkeitstatbestände die Grundlage für die Bußgeldmessung bilden, die verhängte Geldbuße den höheren der für diese Ordnungswidrigkeiten vorgesehenen Regelsätze - im Falle vorsätzlichen Handelns den gemäß § 3 Abs. 4 a BKatV erhöhten - um nicht mehr als 10 Prozent überschreitet und der höhere der beiden Regelsätze um maximal 50 Prozent des niedrigeren Regelsatzes erhöht wurde, einen Sachverhalt für gegeben, bei dem Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen nicht allein wegen der Höhe der Geldbuße erforderlich sind. Denn (jedenfalls) auch in diesen Fällen beruht die Bemessung der nur geringfügig erhöhten Geldbuße letztlich im Wesentlichen auf der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und dem Vorwurf, der den Täter trifft (§ 17 Abs. 3 S.1 OWiG). Für die angenommene Erstreckung der dargestellten Rechtsprechung auf hier gegebene Fallkonstellation spricht zudem der Umstand, dass die andernfalls vom Tatgericht zu ergreifenden Aufklärungsmittel - wie etwa die Befragung des Arbeitgebers und der Nachbarn des Betroffenen oder die Durchsuchung seiner Wohnung nach Gehaltsunterlagen - schwerwiegende Grundrechtseingriffe bewirken würden, die angesichts der Bedeutung der Sache aber in der Regel als unverhältnismäßig erscheinen, jedoch letztlich nur zu vermeiden sein dürften, wenn man insoweit auf nähere Feststellungen des Tatrichters zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des diesbezüglich schweigenden Betroffenen verzichtet. Tatsachenfundierte Indizien für außergewöhnlich schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Betroffenen sind dem angegriffenen Urteil nicht zu entnehmen, sodass nach Vorgesagtem für das Amtsgericht keine Verpflichtung zu einer weiteren Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse bestand.

Ebenso ist gegen das verhängte Fahrverbot rechtlich nichts zu erinnern. Die Tatrichterin hat insoweit in nicht zu beanstandender Weise das Vorliegen eines Ausnahmefalles, der ein Absehen vom indizierten Regelfahrverbot, ggf. bei gleichzeitiger Erhöhung des Bußgeldes nach § 4 Abs. 4 BKatV, hätte angezeigt erscheinen lassen, verneint.

Zudem ist wegen der nach § 25 Abs. 2 a StVG rechtsfehlerfrei gewährten Möglichkeit, das Fahrverbot für maximal 4 Monate aufzuschieben, auch eine Härte außergewöhnlicher Art für den Betroffenen nicht ersichtlich, und ist im Übrigen mit der Rechtsbeschwerde auch nicht vorgetragen worden.

Die Rechtsbeschwerde bleibt daher insgesamt ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 473 Abs. 1 StPO, 46 Abs. 1 OWiG.

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