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Gericht / Entscheidungsdatum: AG Wuppertal, Beschl. v. 07.12.2015 - 12 OWi 485/15 (B)
Leitsatz: Der Betroffene bzw. sein Verteidiger haben auch einen Anspruch auf Einsicht in die bei der Bußgeldbehörde vorhandenen vollständigen digitalen Falldateien der Geschwindigkeitsmessungen des Tattages, auch soweit diese nicht den Betroffenen betreffen. Diese sind dem Betroffenen bzw. seinem Verteidiger zu verschaffen und in unverschlüsselter Form, das heißt einschließlich der unverschlüsselten Rohmessdaten sowie - falls dann noch erforderlich - den dazugehörigen öffentlichen Schlüssel/Token zu Händen des Verteidigers zur Verfügung zu stellen.
12 OWi 485/15 (B) Amtsgericht Wuppertal Beschluss In dem Verfahren gegen pp.
Auf den Antrag des Verteidigers auf gerichtliche Entscheidung vom 19.11.2015 wird der Verwaltungsbehörde - Stadt Wuppertal - aufgegeben, diesem Einsicht in die im Schriftsatz vom 19.11.2015 aufgeführten Unterlagen und Beweismittel, insbesondere auch in die bei der Bußgeldbehörde vorhandenen vollständigen digitalen Falldateien der Geschwindigkeitsmessungen des Tattages, auch soweit diese nicht den Betroffenen betreffen, zu verschaffen und in unverschlüsselter Form, das heißt einschließlich der unverschlüsselten Rohmessdaten sowie - falls dann noch erforderlich - den dazugehörigen öffentlichen Schlüssel / Token zu Händen des Verteidigers zur Verfügung zu stellen.
Dabei ist ein geeignetes Speichermedium vom Betroffenen oder seinem Verteidiger der Behörde zur Verfügung zu stellen. Das bespielte Speichermedium ist dem Verteidiger wiederum in seine Kanzleiräume zu übersenden.
Die Kosten dieses Rechtsbehelfsverfahrens sowie die innerhalb dessen entstandenen notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe: Die Verwaltungsbehörde Stadt Wuppertal hat unter dem Aktenzeichen pppp. eine Ordnungswidrigkeit (Geschwindigkeitsüberschreitung) festgestellt, welche sie dem Betroffenen vorwirft. Im Laufe des Verwaltungsverfahrens hat der Verteidiger des Betroffenen Akteneinsicht begehrt und diese teilweise erhalten.
Der Verteidiger macht für den Betroffenen ergänzend geltend, dass er für eine Überprüfung der Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung auf die gesamte seinerzeit gefertigte digitale Messdatei angewiesen sei, da diese das einzige originäre und unveränderbare Beweismittel für die Richtigkeit der Messung darstelle,
Die Bußgeldbehörde ist der Ansicht, aus Datenschutzgründen an der Herausgabe der Messdaten gehindert zu sein bzw. diese nur auf gerichtlichen Beschluss hin vornehmen zu können.
Der Verteidiger hat für den Betroffenen bereits mit Schriftsatz vom 19.11.2015 gegenüber der Bußgeldbehörde einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt, für den Fall, dass die Übersendung auch dieser Daten nicht bis zum 03.12.2015 erfolge. Eine entsprechende Übersendung erfolgte insoweit bis dahin nicht.
Der Antrag ist zulässig.
Auch in der Sache hat er Erfolg, er ist begründet.
Ein entsprechendes Einsichtsrecht ergibt sich zumindest aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens, das allgemein im Strafprozessrecht und damit auch im Bußgeldrecht gilt.
Auszugehen ist dabei davon, dass ein Betroffener oder ein Verteidiger im Bußgeldverfahren gehalten ist, die Richtigkeit der Messung durch Benennung konkreter Anhaltspunkte, sofern solche gegeben sind, in Zweifel zu ziehen, und dies nicht lediglich pauschal zu tun. Erst wenn ihm das gelingt, bedarf es einer gerichtlichen Beweisaufnahme darüber, ob im konkreten Fall tatsächlich eine richtige Messung stattgefunden hat, die den Bußgeldvorwurf begründet; ansonsten werden entsprechende Anträge oder Beweisanregungen des Verteidigers als zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich zurückgewiesen.
Dies bedeutet dann aber, dass der Betroffene bzw. sein Verteidiger in die Lage versetzt werden müssen, konkrete, die Amtsaufklärungspflicht auslösende Anhaltspunkte für Messfehler vorzutragen. Hierfür aber wiederum benötigt er zwangsläufig den Zugang zu den Messunterlagen und insbesondere zu einem kompletten Messfilm bzw. zu den kompletten Messdaten. Erst die Auswertung dieser Daten versetzt den Betroffenen in die Lage zu entsprechendem, konkretem Sachvortrag.
Dem stehen datenschutzrechtliche Bedenken nicht entgegen.
Es ist nicht ersichtlich, welche (unzulässigen) Informationen oder Schlussfolgerungen der Verteidiger oder auch ein hinzugezogener privater Sachverständiger aus der Einsichtnahme der entsprechenden Daten ziehen sollten. Dies gilt umso mehr, als der aufgezeichnete und feststellbare Lebenssachverhalt aus einer derartigen Maßnahme nur einen äußerst kurzen Zeitraum betrifft.
Wägt man dagegen das Interesse des Betroffenen an einer ordnungsgemäßen Überprüfung der Geschwindigkeitsmessung mit dem Interesse anderer abgebildeter, von der Geschwindigkeitsmessung betroffener Verkehrsteilnehmer ab, so hat das Interesse der anderen abgebildeten Verkehrsteilnehmer gegenüber dem Einsichtsrecht zurückzustehen. Mit ihrer Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr haben sie sich selbst der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere Verkehrsteilnehmer und auch der Kontrolle ihres Verhaltens im Straßenverkehr durch die Polizei ausgesetzt. Durften aber - selbstverständlich - die auswertenden Polizeibeamten Einsicht in die vollständigen Messdaten nehmen, so ist eine intensivere, für die betreffenden Personen nicht hinnehmbare Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts nicht dadurch zu erkennen, dass der im Verfahren bestellte Verteidiger ebenfalls Einsicht in diese Unterlagen nimmt.
Zu Recht wird der entsprechende Antrag auch im gegenwärtigen Verfahrensstadium gestellt. Wie das Oberlandesgericht Düsseldorf durch Beschluss vom 22.07,2015, Az.: IV-2 RBs 63/15 feststellte, besteht kein Recht des Betroffenen auf Einsicht in die bei der Bußgeldbehörde vorhandenen Daten der Geschwindigkeitsmessungen, die lediglich andere Verkehrsteilnehmer betreffen, im Rahmen der Hauptverhandlung. Dies bedeutet aber im Umkehrschluss, dass dem Betroffenen bzw. dem Verteidiger im Vorfeld einer anzuberaumenden Hauptverhandlung das Recht gewährt werden muss, Einblick in diese Daten zu nehmen. So verweist das Oberlandesgericht Düsseldorf in der vorgenannten Entscheidung auch darauf, dass der Betroffene darauf zu verweisen wäre, die Einsicht in die Messdaten außerhalb der Hauptverhandlung bei der aktenführenden Behörde zu beantrage und vorzunehmen (vgl. OLG Düsseldorf, a. a. 0., Rn. 27).
Nach alledem war dem Antrag des Betroffenen zu entsprechen.
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