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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Räuberische Erpressung, Zahlungsanspruch, Verkauf, Gegenstände, JVA

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Bamberg, Beschl. v. 29.09.2015 - 3 OLG 7 Ss 96/15

Leitsatz: 1. Art. 90 Abs. 1 BayStVollzG enthält kein allgemeines Handels- oder Geschäftsverbot unter Gefangenen im Rahmen des Strafvollzugs (Anschluss an OLG Zweibrücken, Beschluss vom 26.08.1990 - 1 Vollz (WS) 7/90 = NStZ 1991, 208).
2. Weder aus Art. 90 Abs. 1 BayStVollzG noch aus sonstigen Normen des BayStVollzG folgt ein dem Abschluss eines Kaufvertrages zwischen Gefangenen entgegen stehendes gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB, weshalb eine allein auf Erfüllung des schuldrechtlichen Anspruchs gerichtete Drohung mangels Nachteilzufügung oder - im Falle des Versuchs - eines hierauf gerichteten Tatentschlusses auch dann nicht den Tatbestand der (vollendeten oder versuchten) Erpressung erfüllt, wenn sich das vollzugsrechtliche Besitzverbot gerade auch auf den Gegenstand des Verpflichtungsgeschäfts (hier: Mobiltelefon) erstreckt.


In pp.
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts vom 6. Juli 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe
Das Amtsgericht - Schöffengericht - verurteilte den Angeklagten wegen versuchter räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Die hiergegen vom Angeklagten eingelegte Berufung hat das Landgericht als unbegründet verworfen und auf die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung der Staatsanwaltschaft das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass es den Angeklagten zu einer Freiheitstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt hat. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

I.
Die statthafte (§ 333 StPO) und auch im Übrigen zulässige Revision ist begründet, weil die Feststellungen des Landgerichts die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter räuberischer Erpressung deshalb nicht tragen, weil sie ein Handeln des Angeklagten mit dem erforderlichen Tatentschluss im Sinne der §§ 253, 255, 249 i.V.m. §§ 22, 23 StGB nicht hinreichend belegen.

1. Nach Überzeugung der Berufungskammer ließ der Angeklagte die von ihm in der Zeit zwischen dem 22.12.2013 und dem 15.01.2014 verfassten Drohbriefe seinem Mitgefangenen spätestens bis 16.01.2015 in der Absicht zukommen, diesen zur Zahlung offener Kaufpreisforderungen in Höhe von insgesamt 320 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 80 € täglich für den Fall nicht fristgerechter Erfüllung der Hauptforderung bis zum 22.01.2014 zu veranlassen, die daher rührten, dass der Angeklagte an den Mitgefangenen zuvor „innerhalb der Justizvollzugsanstalt verbotenerweise Mobiltelefone verkaufte“, wobei er „seiner Zahlungsaufforderung durch die in den Briefen enthaltenen Drohungen massiv Nachdruck verleihen wollte“. Dem Angeklagten sei es „mit diesen Drohungen“ darauf angekommen, „dass der Geschädigte [...] um Leib und Leben fürchtete und zur Abwendung der in Aussicht gestellten Übel die geforderte Geldsumme zzgl. der geforderten Zinsen zahlt“.

2. Soweit es um die Geltendmachung der Kaufpreisforderung geht, rechtfertigen diese Feststellungen allerdings nicht ein für die Annahme eines für einen entsprechenden Tatentschluss unverzichtbares vorsätzliches Handeln des Angeklagten im Hinblick auf das objektive Merkmal der Nachteilszufügung (vgl. § 253 Abs. 1 StGB). Es fehlt insoweit an einem Vermögensschaden, weil durch die Erfüllung eines bestehenden Anspruchs die entsprechende Verpflichtung des Käufers aus § 433 Abs. 2 BGB in gleicher Höhe gemäß § 362 Abs. 1 BGB erlischt.

a) Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn ein Anspruch nicht bestanden hätte. Dies wäre aber nur dann der Fall, wenn der vom Landgericht zugrunde gelegte Kaufvertrag über die Mobiltelefone nichtig gewesen wäre. Hierfür gibt es indes nach den tatrichterlichen Feststellungen keinen Anhaltspunkt. Insbesondere scheidet eine Nichtigkeit des Kaufvertrags wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB - anders als bei den noch vom Amtsgericht angenommenen Betäubungsmittelgeschäften, deren Unwirksamkeit ohne weiteres aus § 134 BGB in Verbindung mit dem Betäubungsmittelgesetz resultiert - von vornherein aus. Eine gesetzliche Vorschrift, welche Kaufverträge zwischen Strafgefangenen generell verbieten würde, existiert gerade nicht. Sie kann insbesondere auch nicht aus dem Bayerischen Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der Jugendstrafe (Bayerisches Strafvollzugsgesetz - BayStVollzG) abgeleitet werden.

b) Zwar dürfen Gefangene gemäß Art. 90 Abs. 1 Satz 1 BayStVollzG „nur Sachen in Gewahrsam haben oder annehmen, die ihnen von der Anstalt oder mit ihrer Zustimmung überlassen werden“. Ferner ist es ihnen nach Art. 90 Abs. 1 Satz 2 BayStVollzG untersagt, Sachen abzugeben oder anzunehmen, „außer solche von geringem Wert“.

c) Schon der Wortlaut der Bestimmung macht allerdings deutlich, dass es dem Gesetzgeber allein darum ging, den mit dem Sachbesitz an der persönlichen Habe verbundenen vielfältigen Missbrauchsmöglichkeiten im Interesse der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt effektiv dadurch zu begegnen, dass während des Vollzugs der Haft jeglicher unkontrollierter unmittelbaren Gewahrsams- bzw. Besitzübertragung auch und gerade unter den Gefangenen entgegen gewirkt werden soll.

d) Indessen kann Art. 90 Abs. 1 BayStVollzG ein dem Abschluss eines Kaufvertrages zwischen Gefangenen entgegen stehendes gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB und damit die Nichtigkeit des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts gerade nicht entnommen werden. Art. 90 BayStVollzG normiert nach seinem klaren Wortlaut kein allgemeines Handels- und Geschäftsverbot unter Gefangenen, mag auch die auf Vermeidung subkulturellen Tauschhandels und vergleichbarer Tätigkeiten und hieraus entstehender Abhängigkeiten gerichtete Intention des Gesetzgebers bei Etablierung des Gesetzes hiervon mitbestimmt gewesen sein. Wie vor allem Art. 90 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 90 Abs. 1 Satz 3 BayStVollzG verdeutlicht, verpflichtet das Gesetz zwar den Gefangenen in den dort genannten Fällen dazu, die (vorherige) Zustimmung der Vollzugsbehörde einzuholen. Nachdem aber Gegenstand des Erlaubnisvorbehalts allein die tatsächliche Sachherrschaft des Gefangenen bleibt (vgl. Beck-OK/Arloth BayStVollzG [Stand: 15.02.2015] Art. 90 Rn. 2: „Der Zustimmungsvorbehalt begründet ein Besitzverbot bezüglicher aller Gegenstände, die dem Gefangenen nicht durch die Anstalt oder mit ihrer Zustimmung überlassen wurden, soweit nicht die Ausnahme des Satzes 2 eingreift“ und derselbe StVollzG 3. Aufl. [2011] § 83 Rn. 2), beschränkt es ihn nicht darin, rechtsgeschäftlich erhebliche und damit bindende (Willens-) Erklärungen abzugeben, gleichgültig, ob sich ihr (gering- oder hochwertiges) Bezugsobjekt innerhalb oder außerhalb der Anstalt befindet (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 26.08.1990 - 1 Vollz (WS) 7/90 = NStZ 1991, 208; siehe auch schon OLG Koblenz, Beschluss vom 25.08.1988 - 2 Vollz [Ws] 43/88 [bei juris] = ZfStrVo 1989, 313 und OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.02.1982 - 3 Ws 3/82 = NStZ 1982, 351; vgl. im gleichen Sinne Ver- rel in Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel StVollzG 12. Aufl. [2015] § 82 [Bund] M Rn. 18 ff., insbesondere Rn. 25 a.E.; AK-StVollzG/Feest/Köhne 6. Aufl. [2012] § 83 Rn. 2 a.E. und Ullenbruch in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal StVollzG 6. Aufl. [2013] § 83 Rn. 2 und 4).

3. Aber auch soweit das Landgericht die Strafbarkeit wegen versuchter räuberischer Erpressung mit der Begründung annimmt, dass der Angeklagte mit seinen Drohbriefen den Empfänger über die Zahlung des für die Mobiltelefone geschuldeten Kaufpreises („Zahlungsaufforderungen“) hinaus dazu bewegen wollte, seine „immensen Zinsforderungen von 80,00 € pro Tag“ anzuerkennen, vermögen die Urteilsfeststellungen den Schuldspruch nicht zu rechtfertigen. Zwar kann insoweit ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass ein entsprechender zivilrechtlicher Anspruch nicht bestand und der Angeklagte - entgegen der Auffassung der Revision - den Zinsanspruch durchaus für sich beanspruchte. Aus dem Wortlaut beider vom Landgericht in den Urteilsgründen wiedergegeben Schreiben erschließt sich allerdings auch bei einer Gesamtschau gerade nicht, dass der Angeklagte - wie das Landgericht annimmt - mit seinen Drohungen neben der Erfüllung der Kaufpreisforderung auch dem in Aussicht gestellten Zinsverlangen selbst als Ziel seiner Nötigungshandlungen Nachdruck verleihen wollte. Der Wortlaut beider Schreiben legt stattdessen nahe, dass der Angeklagte seine Zinsforderung vielmehr als Bestandteil seiner Drohung und damit der auf Erfüllung seines bereits bestehenden Kaufpreisanspruchs („Schulden“ bzw. „Summe“) gerichteten Nötigungshandlung verstanden und auch bewusst so eingesetzt hat und einsetzen wollte und nicht deshalb, um daneben der gegebenenfalls erst zukünftigen und wegen der Möglichkeit der Zahlung der Kaufpreisforderung ungewissen Zinsforderung für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung des Kaufpreisanspruchs als solcher Nachdruck zu verleihen.

II.
Aufgrund der aufgezeigten Sachmängel ist das angefochtene Urteil einschließlich der Feststellungen aufzuheben (§ 353 StPO) und die Sache gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen.

Ergänzend bemerkt der Senat:

Sollte die neue Berufungskammer wiederum zu vergleichbaren Feststellungen, insbesondere in Bezug auf einen zugrundeliegenden rechtswirksamen Zahlungsanspruch gelangen, könnte eine Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter Nötigung gemäß §§ 240 Abs. 1 und Abs. 3, 22 StGB in Betracht zu ziehen sein.

Einsender: RiOLG Dr. G. Gieg, Würzburg

Anmerkung:


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