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Landgericht Hannover 46 Qs 81/15 Beschluss In der Strafsache gegen pp. wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort hat die 12. große Strafkammer des Landgerichts Hannover auf die Beschwerde der Beschuldigten vom 14.08.2015 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 31.07.2015 (Az.: 213 Gs 62/15) durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht, den Richter am Landgericht und den Richter am 23.09.2015 beschlossen: Der Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 31.07.2015 wird aufgehoben. Der beschlagnahmte Führerschein ist an die Beschuldigte herauszugeben. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die der Beschuldigten insofern entstandenen notwendigen Auslagen hat die Landeskasse zu tragen. Gründe: I. Das Amtsgericht Hannover hat mit Beschluss vom 31.07.2015 (Az.: 213 Gs 62/15) die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis der Beschuldigten gemäß § 111a Abs. 1 Satz 1 StPO angeordnet.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschuldigte mit ihrer Beschwerde vom 14.08.2015.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. II. Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
Eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a Abs. 1 Satz 1 StPO ist nur statthaft, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Fahrerlaubnis im Strafverfahren nach § 69 StGB entzogen wird. Dies setzt voraus, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 69 StGB im Sinne eines dringenden Tatverdachts bejaht werden können. Hieran fehlt es indes.
Zwar ist ein dringender Tatverdacht einer Straftat des unerlaubten Entfernens vom Unfallort nach § 142 StGB im Sinne des Regelfalls des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB zu bejahen. Denn vor dem Hintergrund der Bekundungen der Zeugin M. ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts davon auszugehen, dass die Beschuldigte das unfallverursachende Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt führte und dass sie zumindest für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, einen Unfall mit einem nicht vollkommen unerheblichen Fremdschaden verursacht zu haben. Hierfür spricht, dass die Zeugin, die sich einige Meter vom Unfallort entfernt befand, den Zusammenstoß als deutlich hörbares Geräusch wahrnahm und zudem bekundete, das Fenster der Fahrertür des unfallverursachenden Fahrzeuges, in dem als Fahrerin eine etwa 50 Jahre alte Frau saß, sei offen gewesen.
Der hier in Betracht zu ziehende Regelfall für eine Fahrerlaubnisentziehung nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB, der eine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen indiziert, setzt allerdings weiter voraus, dass durch das Unfallereignis ein bedeutender Fremdschaden verursacht wurde und der Täter dies wusste oder wissen konnte. Das Vorliegen eines bedeutenden Fremdschadens gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB kann jedoch nicht im Sinne eines dringenden Tatverdachts bejaht werden.
Nach vorherrschender obergerichtlicher Rechtsprechung kann ein bedeutender Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB nur bejaht werden, wenn der Fremdschaden bei mindestens etwa 1.300,- liegt (vgl. die Nachw. bei Fischer, StGB, 62. Aufl. 2015, § 69 Rn. 29). Die Kammer geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass es sich bei dieser Wertgrenze um keine starre Grenze handelt, so dass im Einzelfall ein bedeutender Fremdschaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB auch bejaht werden kann, wenn die Wertgrenze von 1.300,- (geringfügig) unterschritten ist.
Doch ist zu berücksichtigen, dass § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB mit dem objektiven Tatbestandsmerkmal des bedeutenden Schadens an der geschädigten fremden Sache nach einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung auf die in Geld zu bemessende und nach zivilrechtlichen Kriterien zu bestimmende Höhe des verursachten Fremdschadens und damit auf die Höhe eines zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches des Geschädigten rekurriert (vgl. nur OLG Hamm, Beschluss vom 30.09.2010 - III 3 RVs 72/10, NZV 2011, 356: Ob ein bedeutender Schaden vorliegt, bemisst sich nach wirtschaftlichen Kriterien und beurteilt sich nach der Höhe des Betrages, um den das Vermögen des Geschädigten als direkte Folge des Unfalls vermindert wird). Damit sind einer Berücksichtigung anderer als wirtschaftlicher Kriterien, etwa der Bedeutung, die ein Schadensfall - subjektiv - für den Geschädigten hat (also einer Berücksichtigung eines Affektionsinteresses), zumindest enge Grenzen gesetzt, so dass jedenfalls bei einer signifikanten Unterschreitung des Schadensgrenzwertes von 1.300,- kein bedeutender Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB vorliegt. So liegt es hier.
Ein eingeholtes Sachverständigengutachten hat ergeben, dass die Reparaturkosten der im Frontbereich des geschädigten BMW festgestellten Schäden zwar bei 2.155,47 brutto lägen, der Zeitwert des Fahrzeuges aber deutlich darunter liegt. Das Gutachten weist aus, dass für eine Wiederbeschaffung eines gleichwertigen Fahrzeuges etwa 1.400,- aufgewendet werden müssten und der Restwert des beschädigten Fahrzeuges bei lediglich 200,- liege. Ein Schadensersatzanspruch der Geschädigten bestünde daher, unterstellt man, dass alle festgestellten Schäden auf das Unfallereignis zurückgehen, lediglich in Höhe von 1.200,- . Abzustellen ist auf diesen Wert und nicht auf die - schadensersatzrechtlich nicht erstattungsfähigen - Kosten, die für eine (unwirtschaftliche) Reparatur des Fahrzeuges aufzuwenden wären, weil der tatsächliche entstandene Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB sich nach dem aus dem Schadensereignis resultierenden zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch bestimmt, dessen Realisierbarkeit Schutzzweck des § 142 StGB ist (näher hierzu OLG Hamm, Beschluss vom 30.09.2010 - III 3 RVs 72/10, NZV 2011, 356). Der durch das verfahrensgegenständliche Unfallereignis verursachte Schaden (1.200,- ) ist damit nicht bedeutend im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB.
Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, ob - als weitere Tatbestandsvoraussetzung des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB - dringende Gründe für die Annahme bejaht werden könnten, dass die Beschuldigte subjektiv annahm oder hätte wissen können, einen bedeutenden Fremdschaden verursacht zu haben, also der Regelfall des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB in subjektiver Hinsicht erfüllt ist. Hiergegen könnte immerhin sprechen, dass ausweislich der von der Polizei gefertigten Lichtbilder vom unfallgeschädigten Fahrzeug an diesem als gravierend imponierende, den Schadensgrenzwert von 1.300,- mutmaßlich erreichende Beschädigungen jedenfalls auf den ersten Blick nicht zu erkennen sind.
Anhaltspunkte jenseits des Regelfalls des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB, die dafür sprechen könnten, dass die Beschuldigte sich durch die Tat als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat, sind nicht ersichtlich.
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