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Leitsatz: 1. Fehlen in einem Strafurteil jegliche Angaben darüber, wie der Angeklagte sich zur Sache eingelassen hat, liegt grundsätzlich ein sachlich rechtlicher Mangel vor, der zur Aufhebung des Urteils führt, denn ein so unvollständiges und lückenhaftes Urteil ermöglicht keine Überprüfung, ob in ihm das Recht in fehlerfreier Weise angewandt worden ist.
2. Die falsche Einschätzung einer Verkehrssituation ist für sich alleine keine Ausfallerscheinung ist, die als Indiz für eine alkoholbedingte Fahruntauglichkeit genügt.
In der Strafsache gegen Verteidiger: wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 24. August 2015 auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen: Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Weißenfels vom 29. April 2015 mit den Fest-stellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
Gründe: Das Amtsgericht hat die Angeklagte wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung zur Geldstrafe von 70 Ta-gessätzen zu je 45,00 Euro verurteilt und ihr die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein eingezogen und eine Sperre für die Fahrerlaubnis von einem Jahr und zwei Monaten verhängt.
Dagegen richtet sich die Revision der Angeklagten, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt und das Verfahren beanstandet.
Die Revision dringt bereits mit der Sachrüge durch, eines Eingehens auf die das angefochtene Urteil ebenfalls mit beachtlichen Gründen beanstandende Verfahrensrüge bedarf es daher nicht.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihrer Zuschrift an den Senat ausgeführt:
Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, weil es materiell-rechtlich unvollständig ist. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, das die Überzeugungsbildung des Amtsgerichts in jeder Hinsicht auf einer rechts-fehlerfreien Grundlage beruht und andererseits kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Entscheidung in diesem Bereich von rechtsfehlerhaften Erwägungen beeinflusst ist (§ 337 StPO).
1. So teilt das Amtsgericht in seinem Urteil weder mit, ob und wie sich die Angeklagte zu der Sache einge-lassen hat, noch wie und mit welchen erhobenen Beweisen diese Einlassung gewürdigt worden ist. Fehlen in einem Strafurteil jedoch jegliche Angaben darüber, liegt grundsätzlich ein sachlich rechtlicher Mangel vor, der zur Aufhebung des Urteils führt, denn ein so unvollständiges und lückenhaftes Urteil ermöglicht keine Überprü-fung, ob in ihm das Recht in fehlerfreier Weise angewandt worden ist [vgl. KG Berlin, Beschluss vom 09.07.1997 (4) 1 Ss 158/97 (66/97)]. 2. Auch die Feststellungen des Amtsgerichts zu der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit der Angeklagten i.S.d. § 315c StGB sind unzureichend und halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Die nachträglichen Ausfallerscheinungen, die im ärztlichen Untersuchungsbericht der ppp. vom 22.01.2015 fest-gestellt wurden (Gang der Angeklagten unsicher, plötzliche Kehrtwendung nach vorherigem Gehen unsicher und Finger-Finger-Probe unsicher) sind zwar Indizien für die relative Fahruntüchtigkeit. Auch die Feststellung des Gerichts, dass bei der Durchführung der Atemalkoholprobe die Angeklagte mehrfach nicht in der Lage gewe-sen sei, das Gerät lange genug zu beatmen (UA S. 5), spricht für eine alkoholbedingte körperliche Beeinträchti-gung. Allerdings hätte es für die Annahme alkoholbedingter Ausfallerscheinungen einer Gesamtwürdigung sämtlicher Tatumstände unter Einbeziehung des Unfallhergangs und von Darlegungen zu der Kausalität zwischen der fest-gestellten Alkoholisierung und dem Unfallereignis bedurft. Zwar teilt das Gericht mit, dass die Angeklagte beim Abbiegevorgang in eine vorfahrtsberechtigten Straße den aus ihrer Fahrtrichtung gesehen von links kommenden Pkw des Zeugen aufgrund ihrer hohen Alkoholisie-rung und der damit einhergehenden Einschränkung ihrer Reaktions- und Wahrnehmungsfähigkeit übersehen habe (UA S. 3), obgleich die Straße für die Angeklagte nach links zum Tatzeitpunkt etwa 30 m frei einsehbar gewesen sei, zum Tatzeitpunkt um 7:35 Uhr Berufsverkehr geherrscht habe (UA S. 5) und es dunkel gewesen sei (UA S. 3). Allerdings stellt das Amtsgericht auch fest, dass das Übersehen eines Vorfahrtsberechtigten, der für die Angeklagte auf der vorfahrtsberechtigten Straße von links käme, einen typischen bedingten Fahrfehler dar-stelle (UA S. 5). Hierbei verkennt das Gericht, dass eine falsche Einschätzung einer Verkehrssituation für sich alleine keine Aus-fallerscheinung ist, die als Indiz für eine alkoholbedingte Fahruntauglichkeit genügt. Selbst ein verkehrswidriges Fahrverhalten stellt nur dann ein Untauglichkeitsindiz dar, wenn es sich dabei um typische Fahrweisen alkoholi-sierte Kraftfahrer im Straßenverkehr handelt (vgl. BGH, 20.03.1959, 4 StR 306/58). Es ist jedoch allgemein be-kannt und entspricht der Verkehrserfahrung, dass es auch einem nüchternen Kraftfahrer passieren kann, beim Linksabbiegen in eine bevorrechtigte Straße ein entgegenkommendes Fahrzeug zu übersehen. Bei dem Fahrfeh-ler der Angeklagten, wie es sich im Urteil darstellt, handelt es sich daher nicht um einen der klassischen" Aus-fälle unter Alkoholeinfluss, wie etwa Schlangenlinienfahren, grundloses Abkommen von der Fahrbahn oder auf-fallend übervorsichtiges Fahrverhalten. Vielmehr könnte der Unfall auch durch alkoholunabhängige Unachtsam-keit, wie z. B. eine den morgendlichen Beleuchtungsverhältnissen geschuldete Fehleinschätzung wie z. B. eine den morgendlichen
Beleuchtungsverhältnissen geschuldete Fehleinschätzung der Verkehrssituation, der Entfernung sowie der Ge-schwindigkeit des entgegenkommenden Fahrzeugs, verursacht worden sein. Einen Erfahrungsgrundsatz, dass ein Übersehen eines Vorfahrtsberechtigten, der für die Angeklagte auf der vorfahrtsberechtigten Straße von links kam, ein typisch alkoholbedingter Fahrfehler sei (vgl. UA S. 5), besteht jedenfalls nicht. Vor diesem Hintergrund ist es daher rechtsfehlerhaft, wenn das Tatgericht von einem nichtbestehenden Erfahrungssatz ausgeht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 337 Rn. 31 m.w. N.). Aus den oben genannten Gründen lässt sich die Besorgnis nicht ausräumen, das Amtsgericht könne von einem fehlsamen Prüfungsansatz und einem nicht bestehenden Erfahrungssatz ausgegangen sein. 3. Auch können allein aus nachträglichen Ausfallerscheinungen noch keine Rückschlüsse auf das Bewusstsein der Angeklagten gezogen werden, dass ihre Gesamtleistungsfähigkeit so beeinträchtigt sei, dass diese den Schluss auf eine fahrlässige Verwirklichung der Straßenverkehrsgefährdung rechtfertigen. Im vorliegenden Fall wird die Indizwirkung, die das Amtsgericht der hohen Blutalkoholkonzentration zumisst, zwar durch die Feststellungen im ärztlichen Untersuchungsbericht vom 22.01.2015 sowie den Angaben der auf-nehmenden Polizeibeamtin am Unfallort bestärkt. Allerdings ergibt sich aus dem Urteil nicht, ob und wenn ja, welche Beobachtungen der Zeuge im Hinblick auf das Verhalten der Angeklagten nach dem Verkehrsunfall bis zum Eintreffen der Polizei gemacht hat. Solche zeugenschaftlich festgestellten Auffälligkeiten bzw. Unauffälligkeiten der Angeklagten am Unfallort könnten jedoch gleichfalls von Bedeutung sein, zumal im Urteil festgestellt wird, dass der Ablauf des Verkehrs-unfalls auf den Angaben des Zeugen beruhen (UA S. 4). Ohne die Wiedergabe der Aussage des unmittelbar betroffenen geschädigten Zeugen und ihrer Würdigung kann jedoch nicht geprüft werden, ob der Tatrichter die Bedeutung der Erklärung zutreffend erkannt und bewertet hat, sodass unklar bleibt, ob den Feststellungen eine erschöpfende Würdigung des Sach-verhaltes zugrunde liegt (BGH StV 1984, S. 64L; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 267 Rn. 12)..."
Diesen Ausführungen tritt der Senat mit Ausnahme des Passus, dass die mehrfachen Fehlversuche bei der Durchführung der Atemalkoholprobe für eine alkoholbedingte Beeinträchtigung sprächen bei.
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