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Entscheidungen

OWi

Verjährung, Unterbrechung, Ersatzzustellung, gesetzlicher Vertreter

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Landstuhl, Urt. v. 27.07.2015 - 2 OWi 4286 Js 5892/15

Leitsatz: 1. Zur Unterbrechung der Verfolgungsverjährung nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG genügt die Anordnung der Vernehmung des Betroffenen durch die ersuchte Polizeidienststelle. Die konkrete Ladung zu diesem Vernehmungstermin muss den Betroffenen nicht zwingend erreicht haben und nachweisbar sein, um die Verjährung zu unterbrechen.
2. Wird ausweislich der Postzustellungsurkunde der Bußgeldbescheid nicht an den zustellungsbevollmächtigten Verteidiger, sondern an eine Kanzleikraft als "gesetzlichen Vertreter" des Verteidigers übergeben, liegt keine verjährungsunterbrechende ordnungsgemäße Zustellung gemäß § 26 Abs. 3 StVG, § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG vor, insbesondere keine Ersatzzustellung.


In pp.
1. Das Verfahren wird wegen Vorliegens eines Verfahrenshindernisses (Verjährung) eingestellt.
2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Staatskasse.
Gründe

1. Gegen den Betroffenen erging ein Bußgeldbescheid der ZBS Speyer vom 21.04.2015. Darin wurde ihm vorgeworfen, als Fahrer des Kleintransporters mit dem Kennzeichen ... die auf der L395, Gemarkung Bruchmühlbach-Vogelbach, in der Kaiserstr. Höhe Haus Nr. 379, Fahrtrichtung Vogelbach durch Verkehrszeichen angeordnete Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h am 28.10.2014 um 18.12 Uhr um toleranzbereinigte 41 km/h überschritten zu haben. Angeordnet wurden eine Geldbuße von 160 EUR und ein Fahrverbot von einem Monat Dauer. Der Betroffene hat, vertreten durch seinen Verteidiger, Einspruch eingelegt.

2. Das Verfahren war in der Hauptverhandlung durch Urteil einzustellen.

Vorliegend besteht ein unbehebbares Verfahrenshindernis. Der Betroffene hat sich noch vor der Hauptverhandlung und in der Hauptverhandlung auf den Eintritt der Verfolgungsverjährung bzw. auf die fehlende ordnungsmäßige Unterbrechungshandlung berufen. Dies trifft hier zu.

a) Die Anordnung der Ladung des Betroffenen durch die PI Landstuhl vom 22.01.2015 (oder selbst vom 27.01.2015, dem Datum des Ausdrucks) zur Vernehmung als Betroffener hat die Verjährung entgegen der Ansicht des Betroffenen nach § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG unterbrochen.

aa) Der Betroffene kann mit dem Einwand nicht gehört werden, die die Ladung anordnende PI Landstuhl sei nicht ordnungsgemäß von der Ausgangsbehörde beauftragt gewesen. Denn die Abgabe an eine andere als die zuerst beauftragte Polizeidienststelle - hier an die PI Landstuhl durch die PI Homburg/Saar - steht im Ermessen der ersuchten Dienststelle; die Abgabe kann nur für sich gesehen nicht die Verjährung unterbrechen (Göhler/Gürtler, OWiG, § 33, Rn. 13).

bb) Ebenfalls nicht gehört werden kann der Betroffene mit dem Einwand, aus dem Ladungsformular der PI Landstuhl, Bl. 20 d.A., lasse sich der Aussteller nicht erkennen. Zwar konstatiert das OLG Hamm (OLG Hamm, Beschl. v. 25.03.2014 -1 RBs 45/14 -, juris / jurisPR-VerkR 12/2014 Anm. 4), dass bspw. die Verfügung über eine vorläufige Einstellung jedenfalls dann nach §§ 33 Abs. 1 Nr. 5 OWiG nicht zur Unterbrechung der Verjährung geeignet ist, wenn sie nicht unterzeichnet ist und auch sonst ihren Aussteller nicht erkennen lässt. Doch schon dies ist hier nicht der Fall. Denn die Unterschriftsleiste des nochmaligen Ausdrucks des angeblich am 22.01.2015 verfassten und formlos abgeschickten Schreibens an den Betroffenen vom 27.01.2015 trägt klar die Bezeichnung der erstellenden Beamtin der Pkin ..., die dem Gericht aus zahlreichen Verfahren als Zeugin bekannt ist. Zudem ist selbst ein fehlendes Handzeichen entbehrlich, wenn sich der behördliche Wille auf andere Weise mit Gewissheit feststellen lässt (BayObLG, DAR 2004, 401; OLG Saarbrücken, zfs 2009, 532). So liegt der Fall hier. Denn aus dem Dokument ist der Wille der PI Landstuhl, den Betroffenen als solchen zu vernehmen, offensichtlich und auch die bearbeitende Beamtin ist - jedenfalls nachprüfbar - benannt.

cc) Auch trifft der Einwand des Betroffenen nicht zu, dass bei einer Ladung, im Gegensatz zur Anhörung, bei welcher bereits die Anordnung ausreicht, die Zustellung an den Betroffenen erfolgt und nachweisbar sein muss. Denn auch hier genügt bereits die Anordnung der Vernehmung (Göhler/Gürtler, OWiG, § 33, Rn. 9; BeckOK StGB/Dallmeyer, § 78c, Rn. 10; KK-OWiG/Graf, § 33, Rn. 23).

b) Der Anhörungsbogen vom 28.01.2015, Bl. 22 d.A., konnte die Verjährung allerdings nicht unterbrechen. Die dreimonatige Verjährungsfrist, § 26 Abs. 3 StVG, wäre zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen gewesen. Denn §§ 42, 43 StPO gelten für das Ende der Verjährungsfrist nicht. Zudem ist eine erneute Unterbrechung der Verjährung durch Versendung des Anhörungsbogens, nachdem zuvor schon die ersuchte Polizeidienststelle die Vernehmung des Betroffenen angeordnet hat, nicht geeignet, eine Unterbrechungshandlung im Sinne des § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG zu begründen. Die Unterbrechung nach dieser Norm kann nur einmal durch eine der genannten Handlungsvarianten erfolgen, nicht mehrfach (Göhler/Gürtler, OWiG, § 33, Rn. 6a).

c) Jedoch wurde nach dieser ersten Unterbrechungshandlung danach keine weitere Unterbrechungshandlung fristgerecht vorgenommen. Insbesondere wurde der Bußgeldbescheid nicht nach §§ 26 Abs. 3 StVG, 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 OWiG innerhalb von 3 weiteren Monaten erlassen und an den bevollmächtigten Verteidiger oder den Betroffenen zugestellt.

aa) An den Betroffenen selbst wurde ausweislich der Akte nicht formell zugestellt. Eine Postzustellungsurkunde befindet sich jedenfalls nicht in der Akte.

bb) An den Verteidiger persönlich zugestellt wurde ebenfalls nicht. Denn ausweislich der Postzustellungsurkunde vom 24.04.2015 wurde der Bußgeldbescheid nicht dem Verteidiger selbst ausgehändigt.

cc) Auch fand keine zulässige und ordnungsgemäße Ersatzzustellung statt. Denn eine solche Handlung ist nicht auf der Postzustellungsurkunde vermerkt (Bl. 68 d.A.). Diesbezüglich entfaltet die Postzustellungsurkunde die ihr innewohnende Beweiskraft, die vorliegend nicht widerlegt wurde oder werden konnte.

dd) Stattdessen wurde ausweislich der Postzustellungsurkunde der Bußgeldbescheid „einem Vertretungsberechtigten (gesetzlichen Vertreter/Leiter)“, einer Frau ..., ..., übergeben. Dem Gericht ist dabei zum einen aufgrund von Telefonaten in anderen Sachen bekannt, dass es sich bei dieser Frau um die Sekretärin einer Anwältin aus der Kanzlei des Verteidigers des Betroffenen handelt, was zudem auch aus öffentlich zugänglichen Quellen, etwa der Homepage des Verteidigers, unproblematisch ersichtlich ist. Keinesfalls aber handelt es sich bei der empfangenden Person um die gesetzliche oder sonstige Vertreterin des Verteidigers, weder als Person noch in seiner Stellung als Organ der Rechtspflege. Eine solche „Zustellung“ kann aber die Verjährung nicht unterbrechen, denn eine ordnungsgemäße Zustellung lag hier nicht vor.

ee) Hier fand auch keine für das Gericht nachweisbare Heilung statt. Denn nach den Vorgaben des § 8 VwZG bzw. der verweisenden Landesnorm § 1 LVwZG RP, auf die § 51 OWiG verweist, hat der Verteidiger den Bußgeldbescheid nicht innerhalb der verjährungsunterbrechenden Frist erhalten. Den Einspruch hat RA ... unterschrieben (Bl. 65 d.A.), der dem Gericht aus zahlreichen Verfahren persönlich und auch anhand der Unterschrift bekannt ist, die sich zudem deutlich von der Unterschrift des Verteidigers unterscheidet. Weitere Schriftsätze des Verteidigers, aus welchen das Gericht eine Heilung hätte schließen können, sind nach dem Einspruch und vor der Hauptverhandlung nicht zur Akte gelangt.

d) Die weiteren behördlichen Vorgänge erfolgten ab dem 28.05.2015 und damit nicht mehr verjährungsunterbrechend.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 OWiG, 467 Abs. 1 StPO.

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