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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Legalprognose, getilgte Vorstrafen, Verwertungsverbot.

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 03.06.2015 - 2 Ws 194/15

Leitsatz: Bei der Legalprognose nach § 57 StGB unterliegen getilgte Vorstrafen einem Verwertungsverbot.


In pp.
1. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - Offenburg vom 24. April 2015 aufgehoben.
2. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Landgericht Offenburg verurteilte den Beschwerdeführer am 6.11.2013, rechtskräftig seit 22.4.2014, wegen besonders schwerer sexueller Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit vorsätzlichem unerlaubtem Führen einer Schusswaffe zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren.
Der am 25.4.2013 festgenommene Verurteilte befand sich vom 26.4.2013 bis 16.8.2013 in einstweiliger Unterbringung im Zentrum für Psychiatrie Emmendingen. Nachfolgend befand er sich bis 22.4.2014 zunächst in Untersuchungshaft, dann in Strafhaft. Zwei-Drittel-Termin war der 24.4.2015, das Strafende ist auf den 24.4.2016 notiert.
Mit angefochtenem Beschluss vom 24.4.2015 lehnte das Landgericht Offenburg nach Einholung eines kriminalprognostischen Sachverständigengutachtens und Anhörung des Verurteilten die Aussetzung der restlichen Freiheitsstrafe ab. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Verurteilten, die mit Verteidigerschreiben vom 22.5.2015 begründet wurde.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache jedenfalls vorläufigen Erfolg.
Der angefochtene Beschluss vom 24.4.2015 beruht maßgeblich auf den Ausführungen des Sachverständigen im Gutachten vom 14.2.2015, wonach im Ergebnis eine positive Legalprognose für den Verurteilten zu verneinen sei. Es sei davon auszugehen, dass die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Auftretens der aus der Tat hervorgetretenen Gefährlichkeit des Verurteilten zumindest langfristig noch im mittleren Bereich anzusiedeln sei, wobei die Bedenken deutlich minimiert werden könnten, wenn der Verurteilte die Möglichkeit zu regelmäßigen, niederschwelligen, rückfallpräventiven Gesprächen erhalte.
Als ungünstigen Risikofaktor wertete der Sachverständige hierbei maßgeblich die Vordelinquenz des Verurteilten. Die sich den Ausführungen des Sachverständigen anschließende Strafvollstreckungskammer hat insoweit verkannt, dass die im Gutachten ausführlich erörterten - einschlägigen - Vorstrafen des Verurteilten aus den Jahren 1998 und 2001 nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers hätten verwertet werden dürfen, da diese Verurteilungen aus dem Bundeszentralregister getilgt sind und somit ein gesetzliches Verwertungsverbot gemäß § 51 Abs. 1 BZRG, das auch bei Entscheidungen über die Aussetzung des Strafrestes einer Freiheitsstrafe nach § 57 StGB zu beachten ist, besteht (vgl. BeckOK-Bücherl, Stand: 15.1.2015, § 51 BZRG, Rn. 28; KG Berlin, Beschluss vom 6.3.1998, 1 AR 216/98 - 5 Ws 141/98, BeckRS 1998, 15153; OLG Celle, Beschluss vom 5.8.2011, 1 Ws 282/11, BeckRS 2011, 21234).
Auch § 52 Abs. 1 Nr. 2 BZRG kann eine solche Verwertung nicht rechtfertigen, da mit Geisteszustand i.S. des § 52 Abs. 1 Nr. 2 BZRG der psychische Zustand des Angeklagten zum Zeitpunkt der Tatbegehung gemeint ist und nicht die - hier im Rahmen der Strafaussetzung - zu treffende Prognoseentscheidung zur Gefährlichkeit des Verurteilten (BGH, Beschluss vom 28.08.2012, 3 StR 309/12).
Der Beschluss vom 24.4.2015 ist aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Offenburg - Strafvollstreckungskammer - zurückzuverweisen. Das eingeholte kriminalprognostische Gutachten unterliegt einem erheblichem Mangel, so dass dessen grundlegende Nachbesserung erforderlich ist. Je nach Erklärungen zu § 454 Abs. 2 Satz 4 StPO wird die Strafvollstreckungskammer eine mündliche Anhörung des Sachverständigen vorzunehmen haben. Insoweit wird auch in Betracht zu ziehen sein, aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung die Legalprognose des Verurteilten ohne Verwertung der getilgten Vorstrafen und unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklung des Verurteilten - insbesondere der behaupteten, bisher aber nicht nachgewiesenen, Entlassungssituation und der weiteren Durchführung der therapeutischen Gespräche bei der Forensischen Ambulanz - unmittelbar im Rahmen einer mündlichen Anhörung des Sachverständigen nach § 454 Abs. 2 Satz 3 StPO zu erörtern. Eine eigene Sachentscheidung des Senats ist daher nicht veranlasst (vgl. OLG Köln, NStZ-RR 2000, 317).
Zugleich mit der Hauptsache wird das Landgericht auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

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Anmerkung:


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