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Gericht / Entscheidungsdatum: AG Hannover, Beschl. v. 23.04.2015 174 Gs 434/15
Leitsatz: 1. Bei einem Vergehen des Computerbetruges gemäß § 263a StGB handelt es sich nicht grundsätzlich um eine Straftat von erheblicher Bedeutung im Sinne der §§ 131, 131 b StPO. Vielmehr bedarf es stets einer einzelfallbezogenen Beurteilung der Erheblichkeitsschwelle.
2. Bei dieser Beurteilung ist auch zu berücksichtigen, dass die inzwischen bundesweit betriebenen Öffentlichkeitsfahndungen auf die aktive Partizipation des Bürgers abzielen und dass bei allzu häufiger Inanspruchnahme der Massenmedien die Bereitschaft der Öffentlichkeit, an der Aufklärung von Straftaten mitzuwirken, erlahmen kann.
Beschluss In pp. Der Antrag der Staatsanwaltschaft Hannover vom 15.04.2015, hier eingegangen am 20.04.2015, auf Anordnung der Veröffentlichung der Videoprints der Überwachungskamera der Sparkassenfiliale Hannover-pp. vom 26.01.2015 in den Medien gem. §§ 131, 131b StPO (sog. Öffentlichkeitsfahndung) wird abgelehnt.
Gründe
Die Anordnungsvoraussetzungen der §§ 131, 131b StPO liegen nicht vor. Bei der der Beschuldigten vorgeworfenen Tat handelt es sich nicht um eine Straftat von erheblicher Bedeutung.
Die Vorschrift gestattet die Veröffentlichung von Bildmaterial über die in § 131 Abs. 4 S. 1 StPO und § 131a Abs. 4 StPO enthaltene Befugnis hinaus. § 131 Abs. 4 S. 1 StPO ist auf den Zweck der Festnahme des Beschuldigten und § 131a Abs. 4 StPO auf denjenigen der Aufenthaltsermittlung von Beschuldigten und Zeugen beschränkt. Nach § 131b StPO können weitergehend auch mit dem Ziel der Verbrechensaufklärung (Aufklärungsfahndung) Abbildungen eines Beschuldigten und zur Identitätsfeststellung (Identitätsfahndung) Bildmaterial von Beschuldigten und Zeugen veröffentlicht werden. Die Aufklärungsfahndung bezweckt dabei die Ermittlung des Tatgeschehens einer Straftat von erheblicher Bedeutung sowie der Art und des Umfangs des Tatbeitrags des Beschuldigten sowie etwaiger weiterer Beteiligter und ist nicht auf die Ermittlung des Aufenthalts bzw. die Festnahme der betroffenen Person gerichtet.
Voraussetzung ist jedoch, dass der Beschuldigte einer Straftat von erheblicher Bedeutung verdächtig ist. Die tatbestandliche Voraussetzung einer Straftat von erheblicher Bedeutung bringt das Übermaßverbot zum Ausdruck und stellt klar, dass eine Öffentlichkeitsfahndung bei geringfügigen Straftaten untersagt ist (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Auflage, § 131 Rn. 2). Maßgeblich für eine Beurteilung der Erheblichkeitsschwelle ist - da der Gesetzgeber anders als z.B. bei § 98a Abs. 1 StPO auf einen konkretisierenden Deliktskatalog verzichtet hat - eine einzelfallbezogene Beurteilung. Das Gewicht der Straftat muss so groß sein, dass der mit einer Öffentlichkeitsfahndung verbundene intensive Eingriff in das Persönlichkeitsrecht angemessen ist. Anhaltspunkt für die Beurteilung der Erheblichkeitsschwelle können die Rechtsfolgen der Tat sein, soweit sie hinreichend genau prognostizierbar sind. Kommt nur eine Geldstrafe in Betracht, wird die Öffentlichkeitsfahndung regelmäßig ausscheiden.
Vorliegend wird der bisher unbekannten Beschuldigten ein Computerbetrug gem. § 263a StGB zur Last gelegt. Diese soll mittels einer zuvor rechtswidrig erlangten Debitkarte der Geschädigten bei einem Geldausgabeautomaten der Sparkasse Hannover, Filiale pp., insgesamt einen Geldbetrag in Höhe von 1.000 Euro abgehoben haben.
Hierbei handelt es sich hingegen nicht um eine solche Straftat von erheblicher Bedeutung.
Dieser einzelfallbezogenen Beurteilung steht insbesondere nicht die häufig zitierte Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken vom 08.04.2004 (wistra 2004, 279, vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Auflage, § 131 Rn. 2 a.E.) entgegen.
Denn bei dem der vorgenannten Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt war bei der Beurteilung, ob es sich um eine Straftat von erheblicher Bedeutung handelt, maßgeblich zu berücksichtigen, dass die Erlangungstat (Entwendung der Scheckkarte) wegen einer dort zusätzlich einhergehenden Gewaltanwendung u.U. als Raub gem. § 249 StGB zu qualifizieren war. Vorliegend stellt sich das Geschehen jedoch anders dar. Die Geschädigte befand sich am 26.01.2015 mit ihren Kindern in einem Schwimmbad, wobei sie vergaß, ihre Handtasche einzuschließen. Eine Angestellte des Schwimmbades habe die Tasche, aus der zwischenzeitlich die Geldbörse der Geschädigten entwendet wurde, sodann in der Familienumkleide gefunden. Mit der darin befindlichen EC-Karte wurden im Anschluss von der Beschuldigten 1.000 Euro abgehoben, wobei die Geldbörse anschließend am 27.01.2015 wieder aufgefunden wurde. Die Geschädigte gab hierbei an, dass sich zum Zeitpunkt des Diebstahls der Geldbörse Bargeld in Höhe von 80,00 Euro in ihr befand, während diese bei Wiedererlangung insgesamt 1.0071,00 Euro beinhaltete. Mithin ist lediglich ein absolut geringfügiger Schaden in Höhe von 9,00 Euro eingetreten.
Eine erhebliche Straftat könnte - ungeachtet dieses geringen Schadens - allenfalls dann zu bejahen sein, wenn dem Vorgang ein Ausspähen der Geheimzahl vorausgegangen wäre. Dies war jedoch ebenfalls nicht der Fall, da die Geschädigte ihre Geheimzahl unmittelbar in ihrer Geldbörse aufbewahrte.
Des Weiteren ist bei der Beurteilung, ob es sich um eine erhebliche Straftat handelt, auch zu berücksichtigen, dass die inzwischen bundesweit betriebenen Öffentlichkeitsfahndungen auf die aktive Partizipation des Bürgers abzielen und sich eine gesteigerte Wahrnehmung erhoffen. Dies ist im Sinne einer starken Rechtspflege grundsätzlich zu begrüßen, allerdings gibt das Gericht zu bedenken, dass bei allzu häufiger Inanspruchnahme der Massenmedien - und dies wäre bei einer grundsätzlichen Einstufung des Computerbetruges nach § 263a StGB als erhebliche Straftat der Fall - das Interesse und die Bereitschaft der Öffentlichkeit, an der Aufklärung von Straftaten mitzuwirken, erlahmen können.
Nach alledem vermag das Gericht im vorliegenden Fall eine Straftat von erheblicher Bedeutung nicht zu erblicken.
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