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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, Beiordnung, inhaftierter Mandant, Einstellung nach § 154 StPO

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Trier, Beschl. v. 02.06.2015 - 5 Qs 34/15

Leitsatz: 1. Die Bestellung eines Pflichtverteidigers ist jedenfalls dann rückwirkend nach Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 StPO zulässig, wenn der Antrag auf gerichtliche Beiordnung, vor Verfahrensabschluss gestellt wurde und die Voraussetzungen des § 140 StPO zu diesem Zeitpunkt bereits vorgelegen haben
2. § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO gilt auch dann, wenn gegen den Beschuldigten in einem anderen Ermittlungsverfahren Untersuchungshaft vollstreckt wird.


5 Qs 34/15 LG Trier
Landgericht
Trier
Beschluss
In dem Strafverfahren
gegen pp.
zur Zeit in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Koblenz,

wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis u.a.
hier Beschwerde gegen die Ablehnung der Beiordnung eines Pflichtverteidigers nach §§ 141 Abs. 3, 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO hat die 5. Strafkammer des Landgerichts Trier am 02.06.2015 beschlossen:

1. Auf die Beschwerde des Beschuldigten wird der Beschluss des AG Trier vom 18.05.2015 – 35b Gs 162/15 aufgehoben.
2. Dem Beschuldigten wird rückwirkend ab dem 22.04.2015 Rechtsanwältin J. aus Trier als notwendige Verteidigerin beigeordnet.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Staatskasse.

Gründe:
I.
Die Staatsanwaltschaft Trier führte gegen den Beschuldigten das vorliegende Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis sowie des Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz. So soll der Beschuldigte den Pkw Alfa Romeo, amtliches Kennzeichen pppp. geführt haben ohne im Besitz einer Fahrerlaubnis zu sein und ohne das Fahrzeug nach dessen Erwerb pflichtversichert zu haben. Der Beschuldigte befindet sich in einem weiteren gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren seit dem 18.02.2015 in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Koblenz. Aufgrund Verfügung der Staatsanwaltschaft Trier vom 23.03.2015 sollte der Beschuldigte im vorliegenden Verfahren verantwortlich vernommen werden, weshalb die Polizeiinspektion Koblenz sich mit der Justizvollzugsanstalt zur Abstimmung eines Vernehmungstermins am 31.03.2015 in Verbindung setzte. Der Beschuldigte ließ sodann erklären, er werde über seine Verteidigerin, Rechtsanwältin J. aus Trier, eine Einlassung abgeben.

Mit Schreiben vom 31,03.2015 beantragte Rechtsanwältin J. Akteneinsicht und stellte am 22.04.2015 durch Vorlage eines entsprechenden Schreibens bei. der Staatsanwaltschaft Trier den Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidigerin im vorliegenden Ermittlungsverfahren. Durch Verfügung der Staatsanwaltschaft Trier vom 29.04.2015 wurde das vorliegende Verfahren vorläufig gem. § 154 Abs. 2 StPO eingestellt im Hinblick auf die im Verfahren 8032 Js 34356/14, in welchem sich der Beschuldigte wegen des Tatvorwurfs des schweren Bandendiebstahls seit dem 18.02.2015 in Untersuchungshaft befindet, zu erwartende Verurteilung. Mit gleicher Verfügung übersandte die Staatsanwaltschaft die Akte an das Amtsgericht Wittlich zur Entscheidung über den Antrag. der Verteidigerin auf Beiordnung als Pflichtverteidigerin. Nach Weiterleitung an das für die zu treffende Entscheidung gem. § 126 StPO zuständige Amtsgericht - Ermittlungsrichter- Trier, lehnte dieser durch Beschluss vom 18.05.2015 die Beiordnung unter Hinweis darauf ab, in dem vorliegenden Ermittlungsverfahren sei zu keinem Zeitpunkt Untersuchungshaft vollstreckt worden, weshalb die Voraussetzungen einer Beiordnung gem. § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO nicht vorlägen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beschuldigte mit seiner Beschwerde Vom 20.05.2015. Zur Begründung wird ausgeführt, die Beiordnung gem. § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO gelte für alle gegen einen Untersuchungsgefangenen geführten Verfahren, unabhängig davon, in welchem Verfahren die Untersuchungshaft vollstreckt werde.

II.

Die Beschwerde gegen den die Beiordnung ablehnenden Beschluss des Amtsgerichts Trier vom 18.05.2015 ist zulässig. Trotz der missverständlichen Formulierung im Schriftsatz der Verteidigerin vom 20.05.2015, in welchem es heißt: „lege ich Beschwerde ein", ist das Schreiben insgesamt dahingehend auszulegen, dass die Verteidigerin nicht im eigenen Namen, sondern im Namen des Beschuldigten Beschwerde eingelegt hat, da der Verteidigerin gegen die abgelehnte Beiordnung ohnehin kein eigenes Beschwerderecht zusteht. Für diese Auslegung spricht jedenfalls, dass die Verteidigerin zur Begründung der Beschwerde u.a. ausführt, es liege eine „Beschwer des Beschuldigten" vor.

Die damit im Ergebnis zulässige Beschwerde hat in der Sache ebenfalls Erfolg.

Zu Unrecht wird durch den angefochtenen Beschluss die Pflichtverteidigerbeiordnung mit der Begründung abgelehnt, es liege kein Fall der notwendigen Verteidigung vor.

Entgegen der durch die Staatsanwaltschaft Trier vertretenen Auffassung steht der Beiordnung der Rechtsanwältin des Beschuldigten als notwendige Verteidigerin nicht entgegen, dass das Ermittlungsverfahren durch Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 29.04.2015 gem. § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist.

Zwar ist die Zulässigkeit der rückwirkenden Bestellung eines Pflichtverteidigers umstritten, wird jedoch überwiegend in den Fällen anerkannt, wo der Antrag auf gerichtliche Beiordnung, vor Verfahrensabschluss gestellt wurde und die Voraussetzungen des § 140 StPO zu diesem Zeitpunkt bereits vorgelegen haben (LG Osnabrück, Beschluss vorn 08.12.2000, 1 Qs 167/00; LG Dortmund, Beschluss vom 05.01.2009, 39 Qs 238/08; LG Berlin, Beschluss vorn 28.01.2004, 504 Qs 8/04; LG Itzehoe, Beschluss vorn 07.06.2010, 1 Qs 95/10). Zur Begründung wird in den zitierten Entscheidungen zutreffend ausgeführt, vom Grundsatz der Unzulässigkeit einer nachträglichen Beiordnung sei denn eine Ausnahme. zu machen, wenn der Antrag auf Beiordnung rechtzeitig vor Abschluss des Verfahrens gestellt wurde, die Voraussetzungen für eine Beiordnung als Pflichtverteidiger vorlagen und über das Begehren flieht rechtzeitig entschieden wurde, Würde demgegenüber am Grundsatz der Unzulässigkeit einer nachträglichen Beiordnung festgehalten, hätte dies zur Folge, dass für einen mittellosen Beschuldigten, dem eigentlich ein notwendiger Verteidiger beizuordnen wäre, kein Verteidiger tätig werden würde, wenn er befürchten müsste, bei Tätigwerden vor Ergehen eines Beiordnungsbeschlusses keine Vergütung zu erhalten.

Vorliegend hatte die Verteidigerin des Beschuldigten den Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidigerin bereits mit Schreiben vom 22.04.2015, mithin vor der verfahrenseinstellenden Verfügung vom 29.04.2015, gestellt. Auch lagen die Voraussetzungen einer Beiordnung gem. § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO zu diesem Zeitpunkt bereits vor.

Denn der Beschuldigte befand sich in einem anderen von der Staatsanwaltschaft Trier gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren wegen des Tatvorwurfes des schweren Bandendiebstahls (8032 Js 34356/14) seit dem 18,02.2015 in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Koblenz. Dem Beschuldigten ist deshalb ab Beginn der Untersuchungshaft und für deren Dauer unverzüglich ein Verteidiger zu bestellen. Dies gilt zutreffender Ansicht nach nicht nur für dasjenige .Verfahren, in welchem die Untersuchungshaft vollzogen wird, sondern für alle gegen den Beschuldigten geführten Strafverfahren (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 57. Aufl., § 140 Rdz. 14 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Für ein solches Verständnis der Norm spricht neben dem weiten Wortlaut der Vorschrift auch der Sinn und Zweck der in § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO getroffenen Regelung. Denn ein Beschuldigter, der sich in Untersuchungshaft befindet, ist aufgrund der hiermit verbundenen Beschränkungen zumeist nicht in der Lage, sich selbst angemessen zu verteidigen, und dies nicht nur in demjenigen Verfahren, in dem die Untersuchungshaft vollzogen wird, sondern in allen gegen ihn geführten Strafverfahren.

Der Beiordnung steht schließlich auch nicht entgegen, dass sich das vorliegende Verfahren zum Zeitpunkt der Antragstellung noch im Stadium des Ermittlungsverfahrens befand. Zwar bestimmt § 141 Abs. 3 Satz 2 StPO, dass die Staatsanwaltschaft im Vorfahren die Beiordnung beantragt, wenn nach ihrer Auffassung die Mitwirkung eines Verteidigers nach § 140 Abs. 1 oder 2 StPO notwendig sein wird. Insoweit enthält jedoch § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO eine Sonderregelung dahingehend, dass im Fall von § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO die Bestellung unverzüglich nach Beginn der Vollstreckung zu erfolgen hat, somit auch bereits im Ermittlungsverfahren.

Da damit die Beiordnung von Rechtsanwältin J. im angefochtenen Beschluss zu Unrecht abgelehnt wurde, ist der Beschluss aufzuheben und die Rechtsanwältin als notwendige Verteidigerin beizuordnen.


Einsender: RÄin L. Juharos, Trier

Anmerkung:


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