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Entscheidungen

Gebühren

Berufungsrücknahme, Terminsgebühr, geplatzter Termin

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Potsdam, Beschl. v. 30.04.2015 - 24 Qs 7/15

Leitsatz: Dem zum Termin erschienenen Verteidiger steht eine Terminsgebühr auch dann zu, wenn der Termin wegen einer vom Verteidiger – im Anschluss an ein Rechtsgespräch und nach Rücksprache mit dem Angeklagten – noch vor Beginn der Hauptverhandlung erklärten Berufungsrücknahme nicht stattfindet.


24 Qs 7/15
Landgericht Potsdam
Beschluss
In der Strafsache
gegen pp.
wegen Hehlerei
hier: Kostenbeschwerde

hat die 4. Strafkammer des Landgerichts Potsdam als Kammer für Kostensachen durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht, den Richter am Landgericht und
den Richter am Amtsgericht am 30. April 2015 beschlossen:

Auf die Beschwerde des Rechtsanwalts T. wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts […] vom 30. April 2014 dahin geändert, dass dem Beschwerdeführer aus der Landeskasse ein weiterer Betrag von 257,04 Euro zu erstatten ist.

Eine Erstattung von Kosten und Auslagen findet nicht statt.




Beschwerdewert: 257,04 Euro



Gründe:

I.

Der Angeklagte, dem der Beschwerdeführer als Pflichtverteidiger beigeordnet worden war, legte gegen ein wegen Hehlerei ergangenes Urteil des Amtsgerichts […] Berufung ein. Das Landgericht Potsdam beraumte daraufhin Termin zur Beru-fungsverhandlung auf den 7. November 2013 an. Am Terminstag nahm der Be-schwerdeführer die Berufung im Anschluss an ein Rechtsgespräch und nach Rück-sprache mit dem Angeklagten in dessen Auftrag noch vor Aufruf der Sache zurück.

In der Folge beantragte der Beschwerdeführer, die ihm im Berufungsverfahren ent-standenen Pflichtverteidigergebühren und Auslagen in Höhe von 537,88 Euro fest-zusetzen. Dabei machte er neben einer Verfahrensgebühr und einer Pauschale für Post- und Telekommunikation eine Terminsgebühr nach Nr. 4126 VV RVG in Hö-he von 216,00 Euro zuzüglich Umsatzsteuer geltend.

Mit Beschluss vom 30. April 2014 lehnte die Rechtspflegerin des Amtsgerichts […] die Erstattung einer Terminsgebühr ab und setzte die dem Pflichtverteidiger zu zahlende Vergütung – im Übrigen antragsgemäß – auf 280,84 Euro fest. Die Absetzung begründete die Rechtspflegerin damit, dass ein Hauptverhandlungster-min vor dem Berufungsgericht nicht stattgefunden habe und die beantragte Ter-minsgebühr daher nicht erstattungsfähig sei.
Gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluss wandte sich der Beschwerdeführer mit seiner als „Beschwerde“ bezeichneten (Erst-)Erinnerung vom 26. Mai 2014.
Zur Begründung trug er vor, er sei zu dem anberaumten Termin erschienen. Der Termin habe nicht stattgefunden, weil der Angeklagte – erst aufgrund des dringen-den Anratens der Kammervorsitzenden in dem auf ihre Anregung geführten Rechtsgespräch – von ihm dahin beraten worden sei, die Hauptverhandlung nicht stattfinden zu lassen, und sich dann entsprechend entschieden habe. Die Gründe, die zur Rücknahme der Berufung geführt hätten, habe er, der Beschwerdeführer, nicht zu vertreten.

Nach Einholung einer Stellungnahme des Vertreters der Landeskasse, dessen Auf-fassung zufolge der Beschwerdeführer auf dem Willen seines Mandanten beruhen-de verfahrensrechtliche Erklärungen gegen sich gelten zu lassen habe, half die Rechtspflegerin des Amtsgerichts […] der Erinnerung aus den Gründen des Vergü-tungsbeschlusses nicht ab und legte die Sache dem Richter zur Entscheidung über die Erinnerung vor.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 14. Oktober 2014 hat die zuständige Rich-terin des Amtsgerichts […] die Erinnerung des Beschwerdeführers zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Beschwerdeführer selbst habe durch die vor Aufruf der Sache erklärte Rücknahme der Berufung den Grund für die Nichtver-handlung gesetzt und daher keinen Anspruch auf die Terminsgebühr. Der Umstand, dass die Rücknahme des Rechtsmittels im Interesse des Mandanten erfolgt sei, führe zu keiner anderen Bewertung.

Gegen den ihm formlos übersandten Beschluss des Amtsgerichts […] vom 14. Ok-tober 2014 wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner „sofortigen Beschwerde“ vom 23. Oktober 2014, die er im Wesentlichen darauf stützt, dass er an den Auf-trag des Angeklagten, gegen das Urteil Berufung einzulegen, gebunden gewesen sei, bis ihn dieser noch vor Beginn der Hauptverhandlung beauftragt habe, die Be-rufung zurückzunehmen.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landge-richt Potsdam vorgelegt.



II.

Die gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG gegen die Ent-scheidung über die Erinnerung statthafte Beschwerde, über welche die Kammer wegen der durch den Einzelrichter gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 RVG i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG vorgenommenen Übertragung als Kollegium zu entscheiden hat, ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Der Beschwerdeführer kann – neben der bereits festgesetzten Vergütung – als Pflichtvertei-diger gemäß § 55 Abs. 1 RVG die Erstattung einer Terminsgebühr im Berufungsverfah-ren (Nr. 4126 VV RVG) in Höhe von 216,00 Euro zuzüglich Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG), insgesamt also die Zahlung eines Betrages von 257,04 Euro aus der Landeskasse verlangen. Denn er ist zu dem vom Berufungsgericht anberaumten Termin erschienen. Dass der Termin nicht stattgefunden hat, ist dem Beschwerde-führer nicht anzulasten.

Grundsätzlich ist für die Entstehung einer Terminsgebühr gemäß Vorbemerkung 4 Abs. 3 Satz 1 VV RVG die – vorliegend nicht erfolgte – Teilnahme des Rechtsanwalts als Verteidi-ger im Hauptverhandlungstermin erforderlich. Nach Vorbemerkung 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG erhält der Rechtsanwalt die Terminsgebühr ausnahmsweise auch schon dann, wenn er zu einem anberaumten Termin erscheint, dieser aber aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht stattfindet. Sinn und Zweck der Regelung ist es, dem Rechtsanwalt den unter Umständen schon zur Vorbereitung des Termins erbrach-ten, durch dessen Nichtzustandekommen nunmehr nutzlos gewordenen Zeitauf-wand zu vergüten (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 221). Voraussetzung für den An-spruch auf eine Terminsgebühr nach der vorgenannten Vorschrift ist aber, dass den im Gerichtsgebäude erschienenen Rechtsanwalt an dem Nichtstattfinden des Ter-mins kein Verschulden trifft.
Das ist hier der Fall. Der Beschwerdeführer hat namens und im Auftrag seines Mandanten im Gerichtsgebäude eine Erklärung abgegeben, die zwar das Nicht-stattfinden des Termins verursacht hat, dem Rechtsanwalt aber im gebührenrecht-lichen Sinne nicht vorzuwerfen ist.

Zur Beantwortung der Frage, in welchen Fällen dem Verteidiger das Ausfallen des Termins tatsächlich zur Last gelegt werden kann, ist zunächst die Ausnahmerege-lung in Vorbemerkung 4 Abs. 3 Satz 3 VV RVG heranzuziehen. Diese Regelung, nach der der Rechtsanwalt die Terminsgebühr – trotz seines Erscheinens – nicht erhält, wenn er rechtzeitig von der Aufhebung oder Verlegung des Termins in Kenntnis gesetzt worden ist, zeigt, dass hinsichtlich des Verlustes des Gebühren-anspruchs darauf abzustellen ist, ob der Verteidiger es selbst in der Hand hatte, sein nutzloses Erscheinen im Termin zu vermeiden. Dementsprechend sollte ein Rechtsanwalt, um nicht den Verlust dieses Anspruchs zu riskieren, dafür Sorge tragen, dass ihn Terminsabladungen rechtzeitig erreichen (OLG München, AGS 2004, 150).

Vor dem Hintergrund, dass insbesondere das Ausbleiben des Angeklagten im Ter-min vom Gesetzgeber als Beispiel für ein vom Verteidiger nicht zu vertretendes Ausfallen des Termins genannt worden ist (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 221), wird deutlich, dass Umstände, die nicht dem Organisationsbereich des Rechtsanwalts zuzuordnen, sondern auf das Verhalten des Mandanten und dessen Willen zurück-zuführen sind, keinen Grund darstellen sollen, den der Rechtsanwalt zu vertreten hätte.

Die Rücknahme eines Rechtsmittels durch den Rechtsanwalt erfolgt nach Abspra-che mit dem Mandanten und erfordert gemäß § 302 Abs. 2 StPO eine ausdrückli-che Ermächtigung. Dabei ist es unerheblich, welche Vorgehensweise der Verteidi-ger bei der anwaltlichen Beratung empfohlen hat. Entscheidend ist letztlich der Wille des Angeklagten, den der Verteidiger im Rahmen der prozessualen Möglich-keiten pflichtgemäß umzusetzen hat. Daher kann eine im Auftrag des Angeklagten abgegebene prozessrechtliche Erklärung wie die Rücknahme eines Rechtsmittels, die einem bereits anberaumten Termin nachträglich den Rechtsgrund entzieht und die Aufhebung dieses Termins zur Folge hat, nicht als eine dem Verteidiger im gebührenrechtlichen Sinne anzulastende Handlung angesehen werden. Der Vertei-diger muss für eine auf dem Willen seines Mandanten beruhende verfahrensrecht-liche Erklärung (finanziell) nicht gerade stehen.

Ebenso wenig hat es der Verteidiger zu vertreten, wenn er – wie im vorliegenden Fall – die Rücknahme des Rechtsmittels erst im Gerichtsgebäude erklärt, nachdem er dort von seinem Mandanten einen entsprechenden Auftrag erhalten hat. Wann sich der Angeklagte für diese Vorgehensweise entscheidet, mag zwar von einer vorangegangenen anwaltlichen Beratung abhängen, ist aber in erster Linie eine Frage der zwischen Verteidiger und Mandanten abgestimmten Verteidigungsstra-tegie. Könnte man dem Verteidiger vorwerfen, dem Mandanten zu spät zu einer Rücknahme des Rechtsmittels geraten zu haben, liefe dies darauf hinaus, nachträg-lich die Verteidigungsstrategie ggf. gebührenrechtlich zu sanktionieren (vgl. Burhoff, RVGreport 2011, 64).
Dem Beschwerdeführer kann im Übrigen ein derartiger Vorwurf auch nicht ge-macht werden. Denn nach seinem Vorbringen, an dessen Richtigkeit zu zweifeln es keinen Anlass gibt, hat er seinem Mandanten erst aufgrund des eindringlichen An-ratens der Kammervorsitzenden in einem von ihr gesuchten Rechtsgespräch emp-fohlen, die Berufung zurückzunehmen.

Keinen Anspruch auf eine Terminsgebühr nach Vorbemerkung 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG hat ein Verteidiger allerdings, wenn er das Gerichtsgebäude zur Termins-stunde nur deshalb aufsucht, um dort – wie von vornherein beabsichtigt – eine vorbereitete Erklärung vorzulegen oder zu Protokoll zu geben, die notwendiger-weise ein Ausfallen des Termins zu Folge hat. In einem solchen Fall, der hier aber ersichtlich nicht vorliegt, wäre bereits ein Erscheinen des Rechtsanwalts zum an-beraumten Termin zu verneinen. Im Sinne der vorstehenden Regelung zum Termin erschienen ist nämlich nur derjenige Rechtsanwalt, der als Verteidiger im Ge-richtsgebäude mit dem Ziel der Teilnahme an der Hauptverhandlung körperlich anwesend ist (OLG München, NStZ-RR 2008, 159). Davon kann bei einem Vertei-diger, der im Gerichtsgebäude lediglich als Bote des Angeklagten fungiert und eine Teilnahme am Termin gar nicht beabsichtigt, indes keine Rede sein.

Ein Verteidiger, der sich – wie der Beschwerdeführer – erst aufgrund eines im Ge-richtsgebäude geführten Rechtsgesprächs zu einer Änderung der Verteidigungs-strategie veranlasst sieht und nach entsprechender Beratung im Auftrag des Ange-klagten noch vor Aufruf der Sache die Rücknahme der Berufung erklärt, muss sich die mit dieser Erklärung verbundene Aufhebung des Termins nicht vorwerfen las-sen; er hat das Nichtstattfinden des Termins im gebührenrechtlichen Sinn nicht zu vertreten.

Hätte der Beschwerdeführer die Berufungsrücknahme erst nach Aufruf der Sache erklärt, wäre die Terminsgebühr wegen der dann erfolgten Teilnahme am Termin bereits gemäß Vorbemerkung 4 Abs. 3 Satz 1 VV RVG entstanden. Daraus, dass der Be-schwerdeführer mutmaßlich das Risiko, die Staatsanwaltschaft werde nach Beginn der Hauptverhandlung die gemäß § 303 Satz 1 StPO erforderliche Zustimmung zur Berufungs-rücknahme nicht erteilen, vermeiden wollte und deshalb im Interesse seines Mandanten nicht den Aufruf der Sache abgewartet hat, kann ihm kein Vorwurf gemacht werden.

Dem Beschwerdeführer steht eine Terminsgebühr im Berufungsverfahren nach Nr. 4126 VV RVG sowohl dem Grunde nach als auch in der geltend gemachten Höhe zu. Auf die Frage, im welchem Umfang bei einem „geplatzten“ Termin der gerin-gere Zeitaufwand bei der Bemessung der Terminsgebühr innerhalb des Gebühren-rahmens zu berücksichtigen ist (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 221), kommt es vor-liegend nicht an, da bei einer Pflichtverteidigung kein Gebührenrahmen vorgese-hen ist.


III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.

Einsender: VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin

Anmerkung:


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