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Gericht / Entscheidungsdatum: VG Münster, Urt. v. 28.11.2014 - 1 K 2698/13
Leitsatz: Eine Auflage, die ein Abspielen des Badenweiler Marschs bei einer Versammlung verbietet, ist bei Fehlen einer unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung rechtswidrig. Eine polizeiliche Duldung des Bewerfens von Versammlungsteilnehmern mit Gegenständen kann das Recht auf Schutz der Versammlung verletzen (hier verneint). Der Schutz der Versammlungsfreiheit umfasst den gesamten Vorgang des Sich-Versammelns. Dazu zählt der Zugang zu einer bevorstehenden Versammlung und unmittelbar nach Beendigung (nicht Auflösung) der Versammlung ein nachwirkender Schutz. Dieser umfasst die Möglichkeit des geschützten Entfernens von dem Versammlungsort binnen angemessener Zeit (hier verletzt durch Duldung einer mehr als zweistündigen Blockade nach Versammlungsende). Die Versammlungsfreiheit rechtfertigt Behinderungen Dritter und Zwangseinwirkungen auf diese nur, soweit sie sich als sozial-adäquate Nebenfolge rechtmäßiger Demonstrationen durch zumutbare Auflagen nicht vermeiden lassen. Dies umfasst nicht die Entscheidung, welche Beeinträchtigungen die Träger kollidierender Rechtsgüter hinzunehmen haben.
In pp. Es wird festgestellt, dass die am 15. August 2013 ergangene Auflage des Polizeipräsidiums Münster, mit der den Teilnehmern der Versammlung der Klägerin das Abspielen des "Badenweiler Marsches" verboten wurde, rechtswidrig war. Es wird festgestellt, dass das Unterlassen einer Auflösung der Blockade der Fahrzeuge der Klägerin durch Gegendemonstranten während der Abfahrt der Versammlungsteilnehmer rechtswidrig war. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu einem Drittel, der Beklagte zu zwei Dritteln. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Tatbestand Die Klägerin meldete am 12. August 2013 durch ihren Bundesorganisationsleiter bei dem Beklagten eine Versammlung in Münster zu dem Thema "Asylflut und Eurowahn stoppen - NPD in den Bundestag" für den 15. August 2013 zwischen 15 und 18 Uhr an. Für die Kundgebung ohne Aufzug wurden eine erwartete Teilnehmerzahl von 10 bis 25 und die Verwendung u.a. zweier Kleinbusse, eines LKW sowie einer Lautsprecheranlage mit Megafon und Musik vom Band angegeben. Die Kundgebung fand am Schlossplatz und nicht, wie ursprünglich vorgesehen, an der Kreuzung Klemensstr./Heinrich-Brüning-Str. statt, da dieser Bereich durch zahlreiche Gegendemonstranten blockiert war. Der Versammlungsort am Schlossplatz war für Kraftfahrzeuge über die (nach Westen verlängerte) Frauenstraße von zwei Richtungen aus zu erreichen bzw. in zwei Richtungen zu verlassen, zum einen nach Osten zur Bundesstraße 54, zum anderen nach Westen in Richtung Promenade und Schloss. Als die Gegendemonstranten von dem neuen Veranstaltungsort Kenntnis erlangten, begaben sie sich dorthin. Ihre Anzahl wuchs auf zeitweise ca. 1.500 an. Die Gegendemonstration wurde von dem Beklagten als Spontanversammlung gewertet. Ihr wurde ein Teil des südlichen Parkplatzes auf dem Schlossplatz in unmittelbarer Nähe zu dem Versammlungsort der Klägerin zugewiesen, der auf der (nach Westen verlängerten) Frauenstraße lag. Vor Beginn der Versammlung der Klägerin sagte ein Beamter der Polizei ihrem Versammlungsleiter, ein Abspielen des "Badenweiler Marschs" (ursprünglich "Badonviller Marsch") würde nicht hingenommen, sondern als eine Störung der öffentlichen Ordnung unterbunden. Im Laufe dieser Versammlung bewarfen Gegendemonstranten die ca. 15 Versammlungsteilnehmer vor allem mit Lebensmitteln und toten Küken. Gegen Ende der Veranstaltung der Klägerin warfen Gegendemonstranten vereinzelt Steine in Richtung der Versammlungsteilnehmer bzw. gegen deren LKW, wodurch dessen Frontscheibe beschädigt wurde. Die Polizei war mit ca. 80 Beamten vor Ort im Einsatz. Sie nahm wegen der Steinwürfe zwei Männer fest. Ebenfalls festgenommen wurde eine Person, die Eier geworfen hatte. Es erfolgten mehrere Strafanzeigen wegen gefährlicher Körperverletzung bzw. wegen Landfriedensbruchs und eine Strafanzeige wegen Sachbeschädigung. Alle Strafverfahren wurden mangels hinreichenden Tatverdachts (§ 170 Abs. 2 StPO) schließlich eingestellt. Ausweislich des von den Polizeieinsatzkräften erstellten, den Verlauf ihres Einsatzes während der Versammlung der Klägerin und der Gegendemonstration wiedergebenden Ablaufkalenders beendete der Versammlungsleiter der Klägerin die Versammlung um 16.30 Uhr. Als die Teilnehmer dieser Versammlung anschließend den Schlossplatz mit den Fahrzeugen der Klägerin verlassen wollten, blockierten ca. 50 Gegendemonstranten den LKW mittels einer Sitzblockade. Einzelne der übrigen Gegendemonstranten warfen vereinzelt Farbbeutel und Steine in Richtung der Teilnehmer der beendeten Versammlung. Gegen 17.00 Uhr waren nach Einschätzung der Polizei noch zwischen 400 und 500 Gegendemonstranten vor Ort. Um 17.40 Uhr wurde eine (Fortdauer der) Sitzblockade mit 50 bis 80 Personen vermerkt. Gemäß des Ablaufkalenders befanden sich um 18.09 Uhr noch ca. 300 Demonstranten vor Ort. Für 18.10 Uhr wurde vermerkt: "Laut Staatsanwaltschaft liegt von den Blockierern keine Nötigung und kein Landfriedensbruch vor (Über Funk an alle)". Unter 18.29 Uhr heißt es: "Noch ca. 300 Personen vor Ort und keine Sitzblockade mehr". Um 19.01 Uhr forderten Polizeibeamte die verbleibenden Blockierer schließlich auf, den Weg für den LKW frei zu machen. Dem wurde im Wesentlichen nachgekommen, einzelne noch blockierende Gegendemonstranten wurden durch Einsatzkräfte der Polizei abgedrängt. Im Ablaufkalender heißt es unter 19.04 Uhr: "Alles relativ entspannt, der LKW setzt sich in Bewegung." Die Teilnehmer der Versammlung der Klägerin verließen sodann den Versammlungsort mit ihren Fahrzeugen. Die Klägerin hat am 30. August 2013 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, das Verbot, den "Badenweiler Marsch" abzuspielen, sei rechtswidrig ergangen. Dieses Lied sei nicht verboten und dürfe öffentlich vorgeführt werden. Das Verbot sei zudem zusätzlich zu den Auflagen der Versammlungsbestätigung ergangen. Als Veranstalterin müsse sie sich darauf verlassen können, dass es bei diesen Auflagen bleibe und keine späteren hinzu kämen. Auch sei gerichtlich festzustellen, dass die Polizei nicht bzw. in unzureichendem Umfang gegen den Bewurf der Versammlungsteilnehmer durch Gegendemonstranten mit Lebensmitteln und Steinen vorgegangen sei. Es gehöre zu den Aufgaben der Polizei, für die Sicherheit der Teilnehmer zu sorgen. Durch den Bewurf habe eine akute Gefahr für deren Leib und Leben bestanden. Die Polizei habe ihre Pflicht verletzt, dies zu unterbinden. Es seien nicht nur weiche Lebensmittel, sondern auch Steine und andere harte Gegenstände geworfen worden. Die Polizei habe die Gegendemonstranten nicht so nah an die Versammlung heranlassen dürfen. Auch hätte sie die Würfe durch eine Durchsuchung der Gegendemonstranten unterbinden können. Dass nur drei Werfer in Gewahrsam genommen worden seien, zeige, dass die Polizei zu zaghaft und zurückhaltend vorgegangen sei und den Bewurf der Versammlungsteilnehmer geduldet habe. Zudem hätten die Polizeikräfte vor Ort die Blockade der Zufahrtswege schneller beenden müssen. Die Polizei sei mit zahlreichen Kräften vor Ort gewesen und nach ihren eigenen Angaben hätten gegen Ende lediglich 50 Gegendemonstranten die Abfahrt blockiert. Eine Räumung habe der anwesende Vertreter der Staatsanwaltschaft untersagt. Die Gewährleistung der sicheren Abreise sämtlicher Kundgebungsteilnehmer vom Versammlungsort sei ebenso Aufgabe der Polizei wie die sichere Anreise und Durchführung der Versammlung. Auch habe der Einsatzleiter die Blockierer durch Gestik ermutigt, die Zufahrtswege zu blockieren, denn er habe deutlich zu erkennen gegeben, dass es nur zwei Zufahrten gebe. Auf diese hätten die Gegendemonstranten dann ihre Blockade konzentriert. Es sei für die Polizei ohne weiteres möglich gewesen, die Blockade schon früher zu räumen. Die Klägerin beantragt, festzustellen, 1. 1. dass das Verbot des Abspielens des Badenweiler Marsches rechtswidrig war, 2. 2. dass die Duldung des Bewerfens der Versammlungsteilnehmer durch Gegendemonstranten mit gefährlichen Wurfgeschossen rechtswidrig war, 3. 3. dass das Unterlassen einer Auflösung der Blockade durch Gegendemonstranten während der Abfahrt der Versammlungsteilnehmer rechtswidrig war. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Er ist der Auffassung, das Verbot des Abspielens des "Badenweiler Marsches" sei rechtmäßig gewesen. Ein Abspielen dieses Liedes hätte die öffentliche Sicherheit und Ordnung gestört. Der Marsch sei während der NS-Zeit häufig bei Auftritten Hitlers als Begleitmusik verwendet worden. Er stelle wegen seines Symbolcharakters ein verbotenes Kennzeichen gemäß § 86a StGB dar. Auch wenn der Marsch auf den Ersten Weltkrieg zurückgehe, sei er durch die dauernde Verwendung durch NS-Organisationen zu Propagandazwecken zu einem NS-Symbol geworden. Zudem habe es am Vortag der Versammlung in Bremen bei einer ähnlichen Veranstaltung der Klägerin, auf welcher der Marsch gespielt worden sei, tumultartige Szenen gegeben. Dies habe auch hier gedroht und sei zu verhindern gewesen. Die Darstellung der Klägerin, die Polizei habe das Bewerfen der Kundgebungsteilnehmer mit Wurfgeschossen geduldet, treffe nicht zu. Die Stimmung unter den bis zu 1.500 Teilnehmern der Gegendemonstration sei emotional aufgeheizt gewesen. Die Würfe einzelner Teilnehmer aus dieser Masse heraus hätten nicht immer unterbunden werden können. Die Polizei habe aber nach Kräften und Möglichkeiten versucht, die Versammlungsteilnehmer aus dem Gefahrenbereich herauszuhalten. Es seien zwar nicht nur weiche Lebensmittel, sondern vereinzelt auch Steine als Wurfgeschosse verwendet worden. Die Polizei habe aber versucht, die Steine werfenden Personen zu identifizieren und der Strafermittlung zuzustellen. Bei der großen Anzahl an Gegendemonstranten sei dies sehr schwierig gewesen. Dennoch seien zwei Steinewerfer und ein Eierwerfer in Polizeigewahrsam genommen worden. Eine Gefahr für Leib und Leben der Kundgebungsteilnehmer habe zu keinem Zeitpunkt bestanden. Die Blockade der Abfahrt durch Gegendemonstranten nach Abschluss der Kundgebung sei sowohl von der Polizei als auch von dem anwesenden Vertreter der Staatsanwaltschaft, der in eigener Zuständigkeit die strafrechtliche Lage beurteilt habe, nicht als rechtswidrige Verhinderungsblockade bewertet worden. Weder eine Nötigung noch ein Landfriedensbruch habe vorgelegen. Das Recht der Klägerin, mit den Fahrzeugen den Veranstaltungsort verlassen zu können, sei gegen 18.30 Uhr im Rahmen der praktischen Konkordanz höher bewertet worden als das Recht zur demonstrativen Blockade. Die Blockierer seien dann aufgefordert worden, die Blockade aufzulösen. Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen PHK L. . Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen. Entscheidungsgründe Die Klage hat (nur) in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Die Klage ist zulässig. Hinsichtlich des Verbots des Abspielens des Badenweiler Marsches ist sie als Fortsetzungsfeststellungsklage in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Bezüglich des polizeilichen Verhaltens in Bezug auf das Bewerfen von Versammlungsteilnehmern und hinsichtlich des zeitweiligen polizeilichen Unterlassens einer Auflösung der Blockade durch Gegendemonstranten ist die Feststellungsklage (§ 43 VwGO) statthaft. Das erforderliche (Fortsetzungs-)Feststellungsinteresse der Klägerin ergibt sich jeweils aus einer Wiederholungsgefahr. Eine solche besteht bei versammlungsrechtlichen Verfahren, wenn die Möglichkeit besteht, dass die Klägerin erneut eine ähnliche Versammlung durchführen wird und der Beklagte dabei voraussichtlich an seiner Rechtsauffassung festhalten wird. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 = [...], Rn. 37 bis 41; OVG NRW, Urteil vom 18. September 2012 - 5 A 1701/11 -, [...], Rn. 44. Mit vergleichbaren Situationen ist hier weiterhin zu rechnen. Die Klägerin führt häufiger Versammlungen durch, die von Gegendemonstranten begleitet werden. Durch diese kann es auch in Zukunft zu Blockaden und Bewürfen mit Sachen kommen. Bei einer künftigen Versammlung kann sich erneut die Frage stellen, ob ein Verbot des Abspielens des Badenweiler Marsches, der bei Versammlungen der Klägerin in der Vergangenheit gespielt wurde, zulässig ist. Die Klageanträge zu 1. und zu 3. sind begründet, der Antrag zu 2. ist unbegründet. I. Das in Form einer mündlichen Auflage wirksam ausgesprochene Verbot, während der Versammlung den Badenweiler Marsch abzuspielen, war rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO). Das Verbot des Abspielens des Marsches bedurfte einer gesetzlichen Grundlage. Es beschränkte die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG) der Klägerin. Als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe, die auch und vor allem andersdenkenden Minderheiten zugutekommt, ist die Versammlungsfreiheit für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierend und wird im Vertrauen auf die Kraft der freien öffentlichen Auseinandersetzung grundsätzlich auch den Gegnern der Freiheit gewährt. Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20. Dezember 2012 - 1 BvR 2794/10 -, NVwZ 2013, 570 = [...], Rn. 16, und vom 23. Juni 2004 - 1 BvQ 19/04 -, BVerfGE 111, 147 = [...], Rn. 22. Gemäß Art. 8 Abs. 2 GG kann die Versammlungsfreiheit unter freiem Himmel (nur) durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden. Die Auflage, nicht den Badenweiler Marsch abzuspielen, ist nicht durch den die Versammlungsfreiheit beschränkenden § 15 Abs. 1 VersG gerechtfertigt, der in Nordrhein-Westfalen gemäß Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG bis zur Ablösung durch ein Versammlungsgesetz des Landes fortgilt. Vgl. BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 -, BVerfGE 128, 226 = [...], Rn. 81. Die für eine Auflage im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG erforderliche unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung lag nicht vor. Eine solche setzt voraus, dass auf Grund einer konkreten Gefahrenprognose mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintritt. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Dezember 2012 - 1 BvR 2794/10 -, a.a.O., Rn. 17, und Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 -, a.a.O., Rn. 90; OVG NRW, Urteil vom 18. September 2012 - 5 A 1701/11 -, [...], Rn. 48. Das Abspielen des Badenweiler Marsches in der öffentlichen Versammlung hätte weder die öffentliche Sicherheit noch die öffentliche Ordnung gestört. Ein Verstoß gegen die Rechtsordnung (als Schutzgut der öffentlichen Sicherheit) wäre nicht (mit hoher Wahrscheinlichkeit) eingetreten. Ein Abspielen des Badenweiler Marsches hätte den Tatbestand des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) nicht erfüllt. Dieser Marsch stellt kein Kennzeichen im Sinne des § 86a StGB dar. Zwar können unter diesen Kennzeichenbegriff auch Lieder fallen, die vor der NS-Zeit komponiert und sodann zu propagandistischen Zwecken verwendet wurden. Voraussetzung hierfür ist aber, dass das Lied einen für nationalsozialistische Organisationen kennzeichnenden Symbolcharakter aufweist, gleichsam deren Hymne geworden ist. Dies wird beispielsweise bei dem "Horst-Wessel-Lied" angenommen, welches von den NS-Machthabern der deutschen Nationalhymne vorangestellt wurde. Vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 5. Oktober 1987 - Ss 481/87 -, NJW 1988, 351; Fischer, StGB, 55. Aufl. 2008, § 86a Rn. 10. Dem aus der Zeit des Ersten Weltkriegs stammenden (textlosen) Badenweiler Marsch ist durch die Nationalsozialisten nicht eine derart hymnische Funktion für die eigene Propaganda gegeben worden. Er ist damit kein NS-Symbol. Der Marsch wurde allerdings bei Auftritten Hitlers gespielt und durfte nach § 1 der Polizeiverordnung gegen den Mißbrauch des Badenweiler Marsches vom 17. Mai 1939 (RGBl. I, S. 234) nur bei Veranstaltungen, an denen Hitler teilnahm und nur in dessen Anwesenheit öffentlich gespielt werden. Hierdurch ist die Verwendung des Badenweiler Marsches historisch belastet. Vgl. auch BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1952 - 1 BvB 1/51 -, BVerfGE 2, 1 = [...], Rn. 201. Daher wird der Badenweiler Marsch bei offiziellen Anlässen nicht gespielt, ein diesbezügliches Verbot besteht jedoch nicht. Bei Militärmusikveranstaltungen wird der Marsch gelegentlich gespielt, wenn auch wohl nur selten. Schließlich ist kein Strafverfahren bekannt, welches zu einer Verurteilung nach § 86a StGB wegen des öffentlichen Abspielens dieses Liedes führte. Vgl. auch VG Bremen, Urteil vom 4. September 2014 - 5 K 1145/13 -, [...], Rn. 27. Das Abspielen des Marsches ist auch kein Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen nach § 86 Abs. 1 und 2 StGB. Insbesondere war am 15. August 2013 nicht (und ist auch gegenwärtig nicht) durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Klägerin verfassungswidrig ist im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG, § 86 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2004 - 1 BvQ 19/04 -, a.a.O., Rn. 26. Schließlich hätte ein Abspielen des Badenweiler Marsches in der öffentlichen Versammlung der Klägerin auch nicht den Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 4 StGB) erfüllt. Die Begrenzung des rechtmäßigen Abspielens des Marsches in der NS-Zeit auf Veranstaltungen, an denen Hitler teilnahm, durch die Polizeiverordnung vom 17. Mai 1939 lässt nicht den Schluss zu, dass nunmehr ein öffentliches Abspielen die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt. Hierdurch würde der Straftatbestand überdehnt. Vgl. auch VG Bremen, Urteil vom 4. September 2014 - 5 K 1145/13 -, [...], Rn. 27. Auch ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung war nicht (mit hoher Wahrscheinlichkeit) zu befürchten. Eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Ordnung setzt voraus, dass konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Verletzung ungeschriebener Regeln droht, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden und mit dem Wertgehalt des Grundgesetzes zu vereinbarenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen wird. Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 23. Juni 2004 - 1 BvQ 19/04 -, a.a.O., Rn. 21, und vom 20. Dezember 2012 - 1 BvR 2794/10 -, a.a.O., Rn. 17. Eine solche Gefährdung kann auch aus der Art und Weise der Durchführung einer Versammlung folgen. Daher sind Beschränkungen der Versammlungsfreiheit verfassungsrechtlich zulässig, die ein aggressives und provokatives, die Bürger einschüchterndes Verhalten der Versammlungsteilnehmer verhindern sollen, durch das ein Klima der Gewaltdemonstration und potentieller Gewaltbereitschaft erzeugt wird. So kann die öffentliche Ordnung verletzt sein, wenn Rechtsextremisten einen Aufzug an einem speziell der Erinnerung an das Unrecht des Nationalsozialismus und den Holocaust dienenden Feiertag so durchführen, dass von seiner Art und Weise Provokationen ausgehen, die das sittliche Empfinden der Bürgerinnen und Bürger erheblich beeinträchtigen. Gleiches gilt, wenn ein Aufzug sich durch sein Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziert und durch Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtert. Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 23. Juni 2004 - 1 BvQ 19/04 -, a.a.O., Rn. 23. Die konkrete Gefahr solcher Auswirkungen eines Abspielens des Badenweiler Marsches auf der Versammlung der Klägerin konnte der Beklagte nicht darlegen. Die Gefahrenprognose zeigt nicht auf, inwieweit das Abspielen des Marsches zu einer konkreten Störung der öffentlichen Ordnung geführt hätte. Nach der Überzeugung der Kammer wird der (textlose) Marsch nicht generell mit dem nationalsozialistischen Regime in Verbindung gebracht, sondern allgemein als Militärmusik wahrgenommen. Möglicherweise hätten einzelne, insbesondere ältere, Gegendemonstranten den historisch vorbelasteten Marsch erkannt und das Abspielen als provokant wahrgenommen. Dies reicht indes zur Annahme einer unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Ordnung nicht aus. Dass die zwölf bis fünfzehn Versammlungsteilnehmer ein aggressives und provokatives, die ca. 1.500 anwesenden Gegendemonstranten einschüchterndes Verhalten durch das Abspielen des Marsches geplant bzw. erreicht hätten, ist nicht erkennbar. Ebenso wenig hätte allein ein Abspielen des Marsches auf ein Gesamtgepräge schließen lassen, wonach sich die Versammlungsteilnehmer mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifizierten. Es ist auch nicht festgestellt worden, dass die Gegendemonstranten für den Fall eines öffentlichen Abspielens dieses Marsches einen Angriff auf die Versammlung der Klägerin oder andere gegen die öffentliche Sicherheit gerichtete Handlungen geplant bzw. angekündigt hätten. Dass es dann zu Tumulten gekommen wäre, ist daher nicht ersichtlich. Vielmehr dürfte die Polizei durch das Einschreiten ihrer Kollegen in Bremen am Vortag, vgl. VG Bremen, Urteil vom 4. September 2014 - 5 K 1145/13 -, [...], Rn. 27, zu dem Erlass der Auflage motiviert worden sein. Die polizeiliche Maßnahme in Bremen beruhte im Übrigen auf dem besonderen Umstand, dass der Badenweiler Marsch dort genau dann abgespielt wurde, als die Polizisten Festnahmen durchführten. II. Der Feststellungsantrag zu 2. ist unbegründet. Es ist nicht feststellbar, dass der Beklagte das Bewerfen der Teilnehmer der Versammlung der Klägerin mit gefährlichen Wurfgeschossen geduldet und dabei das aus Art. 8 Abs. 1 GG folgende Recht der Klägerin auf Schutz der Versammlungsteilnehmer verletzt hätte. Ausweislich der Akten hat die Polizei die Versammlungsteilnehmer im Rahmen des rechtlich Gebotenen und des tatsächlich Möglichen geschützt und damit ihre Schutzpflichten aus Art. 8 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG erfüllt. Dabei ist zu beachten, dass sich angrenzend an die Versammlung der Klägerin zeitweise bis zu 1.500 Personen befanden. Diese machten ihrerseits von ihrem Grundrecht der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) Gebrauch, dessen effektive Ausübung eine Versammlung in der Nähe zu dem Ort der Versammlung der Klägerin erforderte, gegen welche sie sich richtete. Die Vertreter des Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass für eine räumlich weitläufigere Trennung der Gegendemonstranten von der Versammlung der Klägerin, so diese in Ansehung des Schutzbereichs des Art. 8 Abs. 1 GG überhaupt zulässig gewesen wäre, zunächst kein Anlass bestand und eine nachträgliche Vergrößerung des Abstands wohl zu erheblichen Spannungen geführt hätte, die auch den Ablauf der Versammlung der Klägerin beeinträchtigt hätten. Aus dem polizeilichen Einsatzbericht ergibt sich, dass die Polizei mehrfach gegen den Bewurf der Versammlungsteilnehmer mit Lebensmitteln u. a. vorgegangen ist. Aufgrund der unübersichtlichen Gesamtlage sowie der weitläufigen Örtlichkeit war es ihr jedoch nicht möglich, derartige Zwischenfälle komplett zu unterbinden. Die Polizei forderte die Gegendemonstranten aber mehrfach auf, das Werfen von Gegenständen zu unterlassen. Dass einer solchen Aufforderung nicht immer alle Demonstranten nachkommen, ist nicht zu verhindern. Soweit ein Bewurf der Kundgebungsteilnehmer mit harten Wurfgeschossen bzw. mit Eiern festzustellen war, nahm die Polizei drei Personen fest und in der Folgezeit wurden diesbezüglich Strafverfahren eingeleitet. Dies belegt, dass die Polizeikräfte die staatlichen Schutzpflichten erfüllten. Dass eine Identifizierung bzw. Verhaftung von Werfern nicht in jedem Fall möglich war, ist angesichts der Größe der Gegendemonstration nicht vorwerfbar. Dass bewusst ein Bewurf der Versammlungsteilnehmer zugelassen worden wäre, ist nicht ersichtlich bzw. feststellbar. Bei einer (Spontan-)Versammlung diesen Ausmaßes ist es nicht möglich, sämtliche Teilnehmer nach Gegenständen zu durchsuchen, welche als Wurfgeschosse missbraucht werden könnten. Aufgrund der sehr weitläufigen und offenen Örtlichkeit des Schlossplatzes konnten Gegendemonstranten jederzeit den Ort verlassen oder betreten. Dass einzelne dies nutzten, um Wurfgeschosse zu dem Versammlungsort zu bringen, war nicht zu verhindern. Schließlich ist auch weder vorgetragen noch erkennbar, dass Teilnehmer der Versammlung der Klägerin (durch die Bewürfe) Verletzungen erlitten hätten. Dass die Beschädigung des LKW der Klägerin durch einen aus der Menschenmenge erfolgten Steinwurf zu verhindern gewesen wäre, ist ebenso wenig ersichtlich. III. Der Klageantrag zu 3. ist begründet. Das Unterlassen der Auflösung der Sitzblockade der Gegendemonstranten vor den Fahrzeugen der Klägerin über eine Zeit von mehr als zwei Stunden nach Beendigung der Versammlung bzw. nach dem vorgesehenen Zeitpunkt der Abfahrt war rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten. Insoweit ist zum einen das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 1 GG betroffen. Der Versammlungsleiter der Versammlung der Klägerin hatte die Versammlung zwar wenige Minuten vor Beginn der Sitzblockade, nämlich um 16.30 Uhr, freiwillig beendet. Der Schutz der Versammlungsfreiheit beschränkt sich aber nicht allein auf die Teilnahme an einer bestehenden Versammlung, sondern umfasst den gesamten Vorgang des Sich-Versammelns. Dazu zählt namentlich der Zugang zu einer bevorstehenden oder sich bildenden Versammlung. Andernfalls liefe die Versammlungsfreiheit Gefahr, durch staatliche Maßnahmen im Vorfeld der Grundrechtsausübung ausgehöhlt zu werden. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1991 - 1 BvR 772/90 -, BVerfGE 84, 203 = [...], Rn. 16. Um das Grundrecht der Versammlungsfreiheit effektiv ausüben zu können, ist aber nicht nur ein zeitlich vorgelagerter, sondern auch ein noch nach Beendigung der Versammlung nachwirkender Schutz erforderlich. Ansonsten bestünde insbesondere die Gefahr, dass Versammlungsteilnehmer aufgrund von unverhältnismäßigen Beeinträchtigungen innerhalb dieses sich unmittelbar anschließenden Zeitraums von einer Teilnahme an zukünftigen Versammlungen abgeschreckt werden. Daher besteht ein Anspruch auf die Sicherung eines geschützten Entfernens vom Ort der Versammlung binnen einer angemessenen Zeit. Vgl. Höfling, in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, 7. Aufl. 2014, Art. 8 Rn. 26; Kniesel, NJW 1992, 857 (860); Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 4. Aufl. 2001, Art. 8 GG Rn. 12; VG Hamburg, NVwZ 1987, 829 (833); VG Berlin, NVwZ-RR 1990, 188 (190); a.A. Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, 15. Aufl. 2008, § 1 Rn. 75. Eine Auflösung der Versammlung durch die Polizei, die den Schutz der Versammlungsfreiheit zuvor beendet hätte, vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. -, BVerfGE 104, 92 = [...], Rn. 50, lag nicht vor. Die Teilnehmer der Versammlung hätten zwar den Versammlungsort zu Fuß verlassen können. Jedenfalls ein erheblicher Teil der Teilnehmer war aber mit den Fahrzeugen der Klägerin aus überörtlicher Entfernung angereist. Insofern waren sie für ein zumutbares und effektives Verlassen des Versammlungsorts auf die Nutzung der Fahrzeuge praktisch angewiesen. Die Klägerin hatte zudem aus Art. 14 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG Anspruch auf effektiven staatlichen Schutz zur Ermöglichung einer tatsächlichen Ausübung ihres Eigentumsrechts in Form der Nutzung des blockierten LKWs. Das Eigentumsrecht ist dem Besitzer von der Rechtsordnung zur Entfaltung und Gestaltung seines Lebens zugeordnet. Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. Mai 1993 - 1 BvR 208/93 -, [...], Rn. 19 bis 27, und vom 9. Januar 1991 - 1 BvR 929/89 -, [...], Rn. 36 bis 39. Den staatlichen Organen, hier der Polizei, kommt als aus Art. 8 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 GG zum Schutz der Grundrechtsauübung Verpflichteten zwar ein Ermessen dahingehend zu, in welchem Umfang und mit welchen Mitteln sie die Ausübung dieser Grundrechte schützen. Die Ermessensausübung muss aber von zutreffenden rechtlichen Erwägungen ausgehen und muss im Sinne des verfassungsrechtlichen Untermaßverbots hinreichenden Schutz bieten. Die Entscheidung der Polizei, für eine Räumung der Sitzblockade erst gegen 19.00 Uhr und damit mehr als zwei Stunden nach Beginn der Blockade zu sorgen, war unzureichend für einen effektiven Schutz der Grundrechte der Klägerin aus Art. 8 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Dabei ging die rechtliche Einschätzung des Beklagten fehl, dass die Gegendemonstranten im Rahmen ihrer - ebenfalls durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützten - Versammlungsfreiheit eine Blockade des von der Klägerin genutzten LKW vornehmen durften, die über eine nur geringfügige Behinderung hinausgeht. Behinderungen und Zwangswirkungen Dritter sind nämlich nur insoweit durch Art. 8 Abs. 1 GG gerechtfertigt, wie sie sich als sozial-adäquate Nebenfolge rechtmäßiger Demonstrationen durch zumutbare Auflagen nicht vermeiden lassen. Das den Grundrechtsträgern durch Art. 8 Abs. 1 GG eingeräumte Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt sowie Art und Inhalt der Veranstaltung ist durch den Schutz der Rechtsgüter Dritter und der Allgemeinheit begrenzt. Es umfasst nicht auch die Entscheidung, welche Beeinträchtigungen die Träger kollidierender Rechtsgüter hinzunehmen haben. Dass durch die Teilnahme an einer (Sitz-)Blockade Straftatbestände (z.B. § 240 StGB) verwirklicht werden, ist nicht notwendige Voraussetzung für eine etwaige Pflicht der Polizei, gegen eine rechtswidrige Blockade einzuschreiten. Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11. November 1986 - 1 BvR 713/83 u.a. -, BVerfGE 73, 206 [BVerfG 11.11.1986 - 1 BvR 713/83] = [...], Rn. 89, vom 11. Juni 1991 - 1 BvR 772/90 -, a.a.O., Rn. 16, und vom 24. Oktober 2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. -, [...], Rn. 54, 56; OVG NRW, Urteil vom 18. September 2012 - 5 A 1701/11 -, [...], Rn. 55 f.; BGH, Urteil vom 4. November 1997 - VI ZR 348/96 -, [...], Rn. 31 f. Ausgehend von dem im Verwaltungsvorgang befindlichen Ablaufkalender der Polizei und unter Berücksichtigung der Aussage des in der mündlichen Verhandlung als Zeugen vernommenen Zugführers PHK L. ist nicht erkennbar, dass der Polizei bei Zugrundelegung des zutreffenden rechtlichen Maßstabs eine frühere Räumung der Sitzblockade nicht möglich bzw. nicht zumutbar gewesen wäre. Dabei kann auf sich beruhen, ob der Einsatz von ca. 80 Polizeibeamten in Ansehung der ca. 1.500 Gegendemonstranten und das Absehen von einer Zuziehung weiterer Einsatzkräfte auch nach Weigerung der Blockierer, ihre Sitzblockade zeitnah zu beenden, der staatlichen Schutzpflicht gerecht wurde. Selbstverständlich ist es nicht zu beanstanden, dass die Polizei zunächst versuchte, eine Auflösung der Blockade im Sinne der Deeskalation durch (mehrfache) Gespräche zu bewirken. Nachdem aber offenbar wurde, dass die Blockade der Fahrzeuge und der Versammlungsteilnehmer auch über längere Zeit nicht freiwillig beendet würde, hätten die Polizeikräfte gegenüber den Blockierern kundtun müssen, dass die Blockade - anders als die Gegendemonstration an sich - nicht unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stand, sondern rechtswidrig war und nicht weiter geduldet würde. Im Gegensatz dazu wurde nach dem Ablaufkalender der Polizei um 18.10 Uhr über Funk bekanntgegeben, laut Staatsanwaltschaft liege weder eine Nötigung noch Landfriedensbruch vor. Laut Ablaufkalender befanden sich um 18.09 Uhr insgesamt noch ca. 300 Gegendemonstranten vor Ort. Um 18.29 Uhr war die Sitzblockade beendet. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hätte die Polizei einschreiten müssen. Dass ein Abdrängen der verbliebenen Blockierer von vornherein offensichtlich aussichtslos gewesen wäre, ist nicht erkennbar. Dabei ist auch zu bedenken, dass ggf. für den Fall von Widerstandshandlungen eine (vorläufige) Festnahme hätte angedroht werden können. Solche Maßnahmen sind nach der Aussage des Zeugen L. nicht einmal versucht worden. Der Zeugenaussage ist nicht belastbar zu entnehmen, dass ein Einschreiten - auch nach einer Dauer der Sitzblockade von mehr als anderthalb Stunden - mit Sicherheit keinen Erfolg gehabt oder gar zu einem polizeilichen Notstand geführt hätte. Selbst wenn ein zeitnaher Erfolg des polizeilichen Einschreitens nicht sicher gewesen sein mag, durfte die Polizei insoweit nicht untätig bleiben und sich allein darauf verlassen, dass die Blockierer irgendwann nach eigenem Gutdünken die Blockade beenden würden. Dabei ist auch in den Blick zu nehmen, dass die Polizei um 19.00 Uhr, nachdem sie schließlich ein Überwiegen der Rechte der Versammlungsteilnehmer gegenüber dem Anliegen der Gegendemonstranten annahm, innerhalb weniger Minuten ein Ende der Blockade herbeiführen konnte, ohne insoweit (in erheblichem Maße) körperlichen Zwang einsetzen zu müssen. Die Polizei konnte kurzfristig die Räumung der Fläche erreichen, nachdem sie die Blockierer dazu aufforderte. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Möglichkeit nicht zumindest bereits um 18.29 Uhr bestanden hätte. Auch bei Anwendung der in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung hinsichtlich der Frage der Verwerflichkeit im Sinne des § 240 StGB bei Sitzblockaden entwickelten Kriterien, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 24. Oktober 2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. -, a.a.O., Rn. 64, und vom 7. März 2011 - 1 BvR 388/05 -, [...], Rn. 38 f., auf die Ausübung des polizeilichen Ermessens hinsichtlich des Zeitpunkts des Einschreitens gegen eine Sitzblockade ergibt sich nichts anderes. Danach sind die Art und das Maß der Auswirkungen auf betroffene Dritte und deren Grundrechte zu berücksichtigen. Wichtige Abwägungselemente sind dabei die Dauer und die Intensität der Aktion, deren vorherige Bekanntgabe, Ausweichmöglichkeiten über andere Zufahrten, die Dringlichkeit des blockierten Transports, aber auch der Sachbezug zwischen den in ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigten Personen und dem Protestgegenstand. Das Gewicht solcher demonstrationsspezifischer Umstände ist mit Blick auf das kommunikative Anliegen der Versammlung zu bestimmen. Stehen die äußere Gestaltung und die durch sie ausgelösten Behinderungen in einem Zusammenhang mit dem Versammlungsthema oder betrifft das Anliegen auch die von der Demonstration nachteilig Betroffenen, kann die Beeinträchtigung ihrer Freiheitsrechte unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände möglicherweise eher sozial erträglich und dann in größerem Maße hinzunehmen sein, als wenn dies nicht der Fall ist. Selbst wenn die Behinderung der Abreise der Versammlungsteilnehmer noch in einem gewissen Zusammenhang mit dem Thema der Gegendemonstration gestanden haben sollte (wenngleich diese sich gegen die Versammlung der Klägerin und die Anwesenheit der Teilnehmer richtete, während die Blockade gerade deren Abreise verhinderte), bewirkten die erhebliche Dauer der Blockade, für deren kommunikative Wirkung eine Dauer von einigen Minuten ausgereicht hätte, sowie das Fehlen einer Möglichkeit der Umfahrung der Blockade die Pflicht des Beklagten, deutlich früher als tatsächlich geschehen gegen die Blockade einzuschreiten. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO. Da die Klägerin (nur) mit zwei ihrer drei Klageanträge erfolgreich ist, hat sie die Kosten (nur) zu einem Drittel zu tragen, der Beklagte zu zwei Dritteln. Das Urteil ist wegen der Kosten gemäß § 167 Abs. 1 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.
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