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Entscheidungen

Haftfragen

Fernsehempfang, Unterbringung, Umfang, Programmanzahl

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, 07.10.2014 - 1 Vollz(Ws) 404/14

Leitsatz: Dem Grundrecht eines nach § 63 StGB Untergebrachten auf Informationsfreiheit wird grundsätzlich mit der Bereitstellung eines Programmangebots von 26 Fernsehprogrammen, an dessen Auswahl die Untergebrachten sogar beteiligt waren, entsprochen.


In pp.
hat der 1. Strafsenat des OLG Hamm am 07.10.2014 beschlossen:
Dem Betroffenen wird kostenfrei (§ 21 GKG) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde sowie gegen die Versäumung der Frist für die Anbringung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gewährt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen dem Betroffenen zur Last (§ 121 Abs. 2 StVollzG).
Gründe
I.
Der Betroffene ist seit September 2003 im Maßregelvollzug nach § 63 StGB untergebracht. Seit dem 4. Februar 2011 befindet er sich in der Maßregelvollzugsklinik X.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer einen Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen, mit dem er beantragt hatte, die LWL-Maßregelvollzugsklinik X zu verpflichten, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die es ihm ermöglichen würden, alle frei empfangbaren digitalen TV- und Radiosendungen zu empfangen, sowie die Zwischenschaltung eines Konvertierungsgeräts - zur Umwandlung digitaler in analoge Signale - zu unterlassen.
Ausweislich der Feststellungen des Beschlusses beantragte der Antragsteller am 10. Januar 2014 gegenüber dem Antragsgegner, dass die Klinikleitung geeignete Maßnahmen ergreifen solle, um alle frei empfangbaren digitalen TV- und Radiosignale, die über die vorhandene Satellitenempfangsanlage empfangen und gesendet werden könnten, freizuschalten.
Der Antragsgegner verwies insoweit mit Schreiben vom 20. Januar 2014 darauf, eine Limitierung der Sender resultiere daraus, dass der Klinik bei Inbetriebnahme eine Satellitenanlage zur Verfügung gestellt worden sei, bei der für den Empfang von Sendern des Anbieters "Astra 1C" gesonderte Steckplätze erforderlich seien. Diese seien jedoch nicht in der Anzahl der insgesamt 570 Sender des Anbieters verfügbar, da jeder Sender einen eigenen Steckplatz benötige und die Anzahl der Steckplätze begrenzt sei. Unstreitig - so der angefochtene Beschluss - könne der Betroffene über die Anlage 26 verschiedene Fernsehsender empfangen.
In rechtlicher Hinsicht hat die Strafvollstreckungskammer ausgeführt, der geltend gemachte Anspruch bestehe nicht. Wenngleich sich der Betroffene auf das Grundrecht auf Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG berufen könne, so bestehe gleichwohl lediglich ein Anspruch auf einen angemessenen Zugang zu Rundfunk und Fernsehen. Der Empfang von 26 Fernsehsendern sowie die Möglichkeit der (analogen) Nutzung von Radios erweise sich insoweit als ausreichend. Zudem sei auch die Auswahl der Sender aufgrund der Berücksichtigung der Wünsche der Patienten nicht willkürlich erfolgt. Soweit der Antragsteller in der Beschränkung einen Verstoß gegen das Zensurverbot erblicke, verkenne er, dass es sich nicht um eine inhaltsbezogene Beschränkung handele.
Der Beschluss wurde dem Betroffen am 26. Mai 2014 in der Maßregelvollzugsklinik zugestellt. Mit Schreiben vom 28. Mai 2014 - eingegangen am 4. Juni 2014 - stellte er gegenüber dem Amtsgericht Herne-Wanne dem Antrag, dieses möge ihm die Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde ermöglichen. Der Betroffene wurde am 18. Juli 2014 dem Rechtspfleger beim Amtsgericht Herne-Wanne vorgeführt, der seine Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Bochum vom 15. Mai 2014 sowie seine Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand protokolliert hat.
Mit der Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
II.
Dem Betroffenen war entsprechend seinen Anträgen gemäß §§ 120, 138 Abs. 3 StVollzG i.V.m. §§ 44, 45 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Bochum vom 15. Mai 2014 sowie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da der Betroffene die vorgenannten Fristen ohne sein Verschulden versäumt hat. Der Betroffene hatte rechtzeitig vor Ablauf der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde, nämlich mit Schreiben vom 28. Mai 2014, das Amtsgericht Herne-Wanne darum ersucht, ihm die Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde zu ermöglichen. Die erst nach Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist und damit verspätet erfolgte Protokollierung der Rechtsbeschwerdebegründung des Betroffenen durch den zuständigen Rechtspfleger des Amtsgerichts am 18. Juli 2014 hat daher nicht der Betroffene zu verantworten. Das Gleiche gilt für die Versäumung der Frist zur Anbringung des Wiedereinsetzungsantrages infolge der erst am 18. Juli 2014 erfolgten Nachholung der versäumten Prozesshandlungen, der - formgerechten - Begründung der Rechtsbeschwerde sowie des Wiedereinsetzungsgesuchs zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Herne-Wanne.
III.
Die auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen (§ 116 Abs. 1 StVollzG), da der Fall Anlass gibt, Leitsätze für die Auslegung gesetzlicher Vorschriften aufzustellen.
Zwar waren die Obergerichte auf dem Gebiet des Strafvollzugsrechts bereits mit der Frage befasst, in welchem Umfang einem Verurteilten nach § 69 StVollzG der Empfang von Fernsehprogrammen zu ermöglichen ist (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 31. Januar 2005, 5 Ws 33/05 - [...]). Die Übertragbarkeit der insoweit entwickelten Grundsätze auf den Maßregelvollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus hat indes - soweit ersichtlich - in der obergerichtlichen Rechtsprechung bislang keine Erörterung gefunden.
IV.
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
Der Betroffene kann nicht beanspruchen, dass ihm durch entsprechende technische Maßnahmen der Zugang zu weiteren Fernsehprogrammen ermöglicht wird.
1.
Zunächst fehlt es auf der Ebene des einfachen (Landes-)Rechts bereits an einer Norm, aus der sich ein entsprechender Anspruch ergeben könnte, denn das Maßregelvollzugsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen enthält keine dem § 69 StVollzG vergleichbare Norm, die den Zugang zu Medien ausgestaltet. Ausdrücklich heißt es lediglich in § 10 Abs. 1 MRVG NW, den Patientinnen und Patienten solle bei der Gestaltung ihrer Freizeit durch Angebote zur Fortbildung, sportlicher und gesellschaftlicher Betätigung geholfen werden. Ein subjektiv-öffentliches Recht auf Teilhabe am Fernsehempfang wird hierdurch nicht begründet.
2.
Ferner trägt auch das Grundrecht der Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) i.V.m. dem auch im Maßregelvollzugsrecht geltenden Angleichungsgrundsatz (§ 1 Abs. 1 S. 3 MRVG NW) das Begehren des Betroffenen nicht. Das Grundrecht der Informationsfreiheit schützt das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Wenngleich dabei regelmäßig der abwehrrechtliche Charakter des Grundrechts im Vordergrund stehen dürfte (siehe Bethge in: Sachs (Hrsg.], Grundgesetz, 6. Auflage, Art. 5 RN 57b), kann in Anbetracht der Bedeutung des Grundrechts für den demokratischen Meinungsbildungsprozess kein Zweifel daran bestehen, dass das Grundrecht der Informationsfreiheit im Rahmen von Anstaltsverhältnissen auch ein Recht auf Zugang zu den Rundfunkmedien umfasst, zumal Hörfunk und Fernsehen als "Ersatzkommunikationsmittel", die auch dazu dienen, der Isolation in der Haft bzw. Unterbringung und den sich daraus ergebenden Folgen entgegenzuwirken, für den Gefangenen bzw. Untergebrachten sogar von besonderer Bedeutung sind (Boetticher, in Feest [Hrsg.], AK-StVollzG, 6. Auflage, § 69 RN 1).
Ein Anspruch auf eine bestmögliche Versorgung ergibt sich hieraus aber nicht, vielmehr ist im Rahmen einer Gesamtschau zu ermitteln, ob sich die vorhandenen Informationsquellen als ausreichend und angemessen erweisen. Eine Verletzung des Grundrechts der Informationsfreiheit wäre insoweit allenfalls dann anzunehmen, wenn die vorhandenen Informationsquellen sich als lückenhaft darstellen und der Betroffene in der Folge von wesentlichen Teilen des gesellschaftlichen Informationsflusses faktisch ausgeschlossen ist. In diesem Sinne ist beispielsweise für den Bereich des Strafvollzuges bereits entschieden worden, dass ein Anspruch auf bestimmte Sender, die über den üblichen Empfang hinausgehen, nicht besteht (vgl. KG Berlin, a.a.O.; Boetticher, in: Feest [Hrsg.], AK-StVollzG, 6. Auflage, § 69 RN 22). Auch steht es grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Anstaltsleiters, in welcher Weise er den Empfang durch eigene Fernsehgeräte der Gefangenen organisiert und ausgestaltet (KG Berlin, a.a.O.).
Ausgehend von dieser rechtlichen Maßgabe ist dem Grundrecht des Rechtsbeschwerdeführers auf Informationsfreiheit mit der Bereitstellung des vorliegend vorhandenen Programmangebots, an dessen Auswahl die Untergebrachten zudem beteiligt waren, entsprochen worden, denn in Anbetracht von (unstreitig) immerhin 26 Fernsehsendern ist ein nur lückenhaftes Informationsangebot nicht zu besorgen, zumal auch der Betroffene selbst nicht geltend gemacht hat, dass das vorhandene Angebot sich als besonders einseitig darstellt und wesentliche Belange ausgeklammert wären.
Ferner vermag der Senat nicht zu erkennen, dass die vorhandene Auswahl an TV-Sendern erheblich von den Auswahlmöglichkeiten weiter Teile der Gesamtbevölkerung abweicht. Auch der Angleichungsgrundsatz gebietet deshalb keine weitergehende Versorgung innerhalb des Maßregelvollzuges. Gegenteiliges folgt auch nicht daraus, dass der der Betroffene als Untergebrachter ein Sonderopfer zugunsten der Rechtsgemeinschaft aufbringt.
3.
Entgegen der Rechtsauffassung des Betroffenen begründet die Auswahl von Programmen auch keinen Verstoß gegen das Zensurverbot (Art. 5 Abs. S. 3 GG). Die Verfassung verbietet die Vorzensur. Darunter ist die präventive Vorschaltung eines behördlichen Verfahrens zu verstehen, vor dessen Abschluss eine Gedankenäußerung nicht publiziert werden darf (vgl. BVerfGE 33,52 [BVerfG 25.04.1972 - 1 BvL 13/67] (71f.); 87, 209 (230); st. Rspr.). Der Schutzbereich des Zensurverbots ist nicht durch Regelungen darüber berührt, unter welchen Voraussetzungen eine Information zugänglich wird (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 6. Februar 2007, 1 BvR 218/07 - [...]).
4.
Abschließend weist der Senat auf Folgendes hin: Soweit der Betroffene in Form einer Verfahrensrüge geltend macht, es habe der Aufklärung bedurft, ob die vorhandenen Steckplätze auch tatsächlich alle belegt sind, ist diese bereits unzulässig.
Die Aufklärungsrüge ist allgemein dann zulässig, wenn der Betroffene darlegt, dass das Gericht Aufklärungen unterlassen hat, zu denen es sich auf Grund seiner Sachverhaltsaufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO gedrängt sehen musste (statt vieler Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner [Hrsg.], StPO, 57. Auflage, § 244 RN 80). Derartiges zeigt die Begründung der Rechtsbeschwerde nicht auf, zumal den Informationsrechten des Betroffenen bereits anstaltsseitig entsprochen wurde (vgl. obige Ausführungen unter IV.2).
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 StVollzG.

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