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Entscheidungen

Verwaltungsrecht

Drogenkonsum, unbemerkter, Entziehung der Fahrerlaubnis, Darlegung, Anforderungen

Gericht / Entscheidungsdatum: VG Gelsenkirchen, Urt. v. 12.08.2014 - 9 K 1021/14

Leitsatz: Die Glaubhaftmachung eines unbewussten, zufälligen oder durch Dritte manipulierten Konsums von Drogen setzt detaillierte, in sich schlüssige Darlegungen voraus, die einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lassen.


In pp.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klasse B.
Am 18. November 2013 um 17:50 Uhr wurde er von einer Polizeistreife in H. im Rahmen einer Verkehrskontrolle angehalten. Den eingesetzten Polizeibeamten fielen dabei die glasig-wässrigen Augen, die geröteten Bindehäute, die vergrößerten Pupillen sowie leichter Alkoholgeruch des Klägers auf. Nach erfolgter Belehrung ergaben zwei Drogenvortests (Speichel- und Urintest) ein Vorhandensein von THC, Amphetamin- und Metaamphetaminsubstanzen. Nach erfolgter Einwilligung wurde dem Kläger eine Blutprobe abgenommen. Diese wurde durch das Labor L. in C. T. forensisch untersucht. Das unter dem 29. November 2013 erstattete Gutachten ergab eine Amphetamin-Konzentration 75 ng/ml Blutserum. Weiterhin wurden folgende Werte festgestellt: Metaamphetamin < 5,0 ng/ml, MDMA (Methylendioxymetaamphetamtin) 27 ng/ml, MDA 6,7 ng/ml und MDE < 5,0 ng/ml.
Die Beklagte hörte den Kläger am 13. Dezember 2013 zu beabsichtigten Entziehung seiner Fahrerlaubnis an, worauf dieser durch seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten mitteilte, er habe wissentlich keine Betäubungsmittel konsumiert.
Mit Ordnungsverfügung vom 18. Februar 2014 entzog die Beklagte dem Kläger seine Fahrerlaubnis und forderte ihn auf, seinen Führerschein bis zum 6. März 2014 abzuliefern. Für den Bescheid wurde eine Verwaltungsgebühr i.H.v. 153 Euro zuzüglich Zustellungskosten i.H.v. 3,48 € erhoben. Zur Begründung führte die Beklagte aus, ausweislich des vorliegenden rechtsmedizinischen Gutachtens habe der Kläger Amphetamin konsumiert. Die Ordnungsverfügung wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 21. Februar 2014 zugestellt.
Am 1. April 2014 wurde der Kläger erneut von einer Polizeistreife angehalten. Nach positivem Drogenvortest bezüglich Amphetamin-Substanzen gab er an, gelegentlich und in unregelmäßigen Abständen Amphetamin zu konsumieren. Am 29. März 2014 habe er eine kleine Linie Amphetamin nasal eingenommen. Nach erfolgter Einwilligung wurde dem Kläger eine Blutprobe abgenommen. Diese wurde durch das Labor L. in C. T. forensisch untersucht. Das unter dem 15. April 2014 erstattete Gutachten ergab eine Amphetamin-Konzentration 130 ng/ml Blutserum. Weiterhin wurden folgende Werte festgestellt: Metaamphetamin < 5,0 ng/ml, MDMA < 5,0 ng/ml, MDA < 5,0 ng/ml und MDE < 5,0 ng/ml.
Gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis hat der Kläger am 27. Februar 2014 die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung führt er an: Es liege kein bewusster Drogenkonsum vor. Wohl am Freitag, den 15. November 2013, habe er in der Diskothek "T1. " auf Drängen seines namentlich benannten Freundes zweimal an dessen Joint gezogen. Im Übrigen sei er als Paketauslieferungsfahrer beschäftigt, so dass er zur Ausübung seines Berufes zwingend auf die Fahrerlaubnis angewiesen sei. Jedenfalls erweise sich die Entziehung der Fahrerlaubnis bei einmaligem Drogenkonsum als unverhältnismäßig.
Der Kläger beantragt,
die Verfügung der Beklagten vom 18. Februar 2014 - Az. 34 13 13/Ag. - aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie wiederholt und vertieft zur Begründung ihrer Rechtsauffassung ihre Ausführungen aus der Ordnungsverfügung und verweist insbesondere auf die erneute Auffälligkeit des Klägers am 1. April 2014.
Die Kammer hat das Verfahren mit Beschluss vom 13. März 2014 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Entscheidungsgründe
Der Einzelrichter ist zuständig, nachdem ihm der Rechtsstreit mit Beschluss der Kammer übertragen worden ist, § 6 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 18. Februar 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c) Straßenverkehrsgesetz (StVG) und § 46 Abs. 1 FeV. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG ist die Fahrerlaubnisbehörde verpflichtet, eine Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn der Inhaber sich als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet erweist. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV wiederholt den Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und konkretisiert in Satz 2, dass dies insbesondere gilt, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen.
Dies ist beim Kläger der Fall. Seine Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Ordnungsverfügung ausgeschlossen, weil durch das Gutachten des Labors L. vom 23. April 2014 nachgewiesen ist, dass er Amphetamin, welches in der Anlage 3 zu § 1 Abs. 1 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) aufgeführt ist, konsumiert hat.
Bei dem Konsum von anderen Drogen als Cannabis ist dabei unerheblich, ob es sich um einen einmaligen, gelegentlichen oder regelmäßigen Konsum handelt. Nummer 9.1 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13, 14 FeV stellt für den Regelfall weder auf die Häufigkeit der Einnahme noch auf ihren Bezug zum Führen eines Kraftfahrzeuges ab. Es wird weder der missbräuchliche Konsum, eine Abhängigkeit noch eine gelegentliche oder häufige Einnahme vorausgesetzt, sondern lediglich die "Einnahme" selbst. Deshalb ist im Regelfall von einer Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen auch dann auszugehen, wenn es sich lediglich um einen einmaligen Vorfall gehandelt hat und zwar unabhängig davon, ob unter dem Einfluss der Betäubungsmittel ein Kraftfahrzeug geführt wurde.
Ständige Rechtsprechung des OVG Nordrhein-Westfalen, vgl. etwa die Beschlüsse vom 2. April 2012 - 16 B 356/12 -, [...] Rn 2, vom 6. März 2007 - 16 B 332/07 -, [...], m.w.N.; so auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13. April 2012 - 3 M 47/12 -, [...] Rn 6; BayVGH, Beschluss vom 14. Februar 2012 - 11 CS 12.28 -, [...] Rn 9; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24. Mai 2002, - 10 S 835/02 -, [...] Rn 6; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 2. September 2009 - 1 M 114/09 -, [...] Rn 11; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25. Juli 2008 - 10 B 10646/08 -, [...] Rn 4; anders verhält es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschlüsse vom 20. Juni 2002 - 1 BvR 2062/96 -, [...] Rn 44 ff., und vom 8. Juli 2002 - 1 BvR 2428/95 -, [...] Rn 7) nur hinsichtlich der Frage des Zusammenhangs von gelegentlichem Cannabis-Konsum und Kraftfahrereignung.
Ausgehend davon beruft sich der Kläger ohne Erfolg auf einen unbewussten Amphetaminkonsum. Zwar kann eine im Regelfall eignungsausschließende Einnahme von Betäubungsmitteln nur bei einem willentlichen Konsum angenommen werden. Hierfür spricht zunächst der Wortlaut der Nr. 9.1 der Anlage 4 ("Einnahme"), der auf eine bewusste Aufnahme hindeutet. Darüber hinaus fehlt es bei einer unwissentlichen Aufnahme von Betäubungsmitteln an einer beachtlichen Wiederholungswahrscheinlichkeit, die ihrerseits Grundlage für die regelmäßige Annahme der Kraftfahrungeeignetheit von Konsumenten sog. harter Drogen ist.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18. Februar 2008 - 16 B 2113/07 -, [...], vom 22. März 2012 - 16 B 231/12 -, [...] Rn 4, und vom 29. Oktober 2012 - 16 B 1106/12 -, Blutalkohol 49 (2012), 341 = [...] Rn 2.
Allerdings geht nach allgemeiner Lebenserfahrung einem positiven Drogennachweis typischerweise ein entsprechender Willensakt voraus. Der von dem Kläger behauptete Fall einer versehentlichen bzw. missbräuchlich durch Dritte herbeigeführten Rauschmittelvergiftung stellt sich dagegen als ein Ausnahmetatbestand dar, zu dem nur der jeweils Betroffene als der am Geschehen Beteiligte Klärendes beisteuern kann und der daher von diesem jedenfalls glaubhaft und widerspruchsfrei dargetan werden muss. Erst nach einer solchen Schilderung kann sich die Frage ergeben, zu wessen Nachteil eine gleichwohl verbleibende Ungewissheit über den genauen Hergang der Ereignisse ausschlägt.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 22. März 2012 - 16 B 231/12 -, [...] Rn 6, vom 29. Oktober 2012 - 16 B 1106/12 -, Blutalkohol 49 (2012), 341 = [...] Rn 4, und vom 6. März 2013 - 16 B 1378/12 -, [...] Rn 4; vgl. weiterhin OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28. Februar 2007 - 1 M 219/06 -, [...] Rn 3.
Welche Anforderungen an die Darlegung einer unbewussten Drogenaufnahme zu stellen sind, kann nur unter konkreter Berücksichtigung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. In aller Regel sind hierzu Angaben dazu erforderlich, wer aus welchem Grund und auf welche Weise die Drogen dem Betroffenen verabreicht haben soll. Allein eine unsubstantiierte Vermutung, die Drogen könnten von einem unbekannten Dritten versehentlich oder missbräuchlich verabreicht worden sein, kann hierzu nicht ausreichend sein.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Februar 2008 - 16 B 2113/07 -, [...], unter Bezugnahme auf BayVGH, Beschluss vom 31. Mai 2007 - 11 C 06.2695 -, [...] Rn 20.
Gemessen hieran trägt das Vorbringen des Klägers die Annahme, er habe das nach dem toxikologischen Gutachten in seinem Blutserum festgestellten Amphetamin unwissentlich eingenommen, nicht. Zwar hat der Kläger denjenigen, der ihm das Amphetamin bei dem offensichtlich bewussten Konsum einer anderen Droge (THC) "untergemischt" haben soll, namentlich benannt. Sonstige Umstände oder Motive hierfür hat er aber nicht dargetan. Vielmehr hat der Kläger jedenfalls im Nachgang der Ordnungsverfügung ein weiteres Mal Amphetamin eingenommen, wie durch das weitere Gutachten des Labors L. vom 15. April 2014 feststeht. Insoweit hat er gegenüber der Polizei auch zugegeben, dass es sich um einen bewussten Konsum gehandelt habe. Dabei hat er sogar ausgeführt, dass er gelegentlich Amphetamin konsumiere. Jedenfalls vor diesem Hintergrund sieht das Gericht in den Angaben zu einem angeblichen unbewussten Konsum im November 2013 eine reine Schutzbehauptung.
Zwar gilt die in der Anlage 4 zur FeV vorgenommene Bewertung (nur) für den Regelfall (vgl. Nr. 3 Satz 1 der Vorbemerkung zu Anlage 4). Ein Ausnahmefall, der ein Abweichen von dieser Regel rechtfertigen könnte, liegt hier jedoch nicht vor. Es obliegt im Einzelfall nämlich dem Rechtsschutzsuchenden, solche Tatsachen geltend zu machen.
Vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 30. Juni 2003 - 1 B206/03 -, [...] Rn 7; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24. Mai 2002 - 10 S 835/02 -, [...] Rn 6.
Dies ist hier nicht erfolgt. Sie sind auch sonst nicht ersichtlich.
Für eine Wiedererlangung der Fahreignung im für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung ist nichts ersichtlich. Ein Ermessen stand der Antragsgegnerin gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG nicht zu, so dass entsprechende Erwägungen zu Recht unterblieben sind. Mithin hat die Antragsgegnerin etwaige Folgen der Entziehung der Fahrerlaubnis für das Arbeitsverhältnis des Antragstellers zu Recht nicht berücksichtigt.
Die in dem Bescheid enthaltene deklaratorische Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG) begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Gleiches gilt für die Androhung eines Zwangsgeldes i.H.v. 250,- Euro für den Fall der Nichtabgabe des Führerscheins innerhalb der festgesetzten Frist. Die Androhung findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW (VwVG NRW). Das angedrohte Zwangsgeld ist in Anbetracht der verlangten Handlung und der Gefährdung des Straßenverkehrs nicht unverhältnismäßig.
Auch die Gebührenfestsetzung ist rechtmäßig. Sie findet ihre Grundlage in § 6a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StVG i.V.m. §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt). Die Verwaltungsgebühr in Höhe von 150,- Euro hält sich auch in dem von § 1 Abs. 1 GebOSt i.V.m. Nr. 206 der Anlage zu § 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (Anlage GebOSt) gesetzten Rahmen von 33,20 € bis 256,00 €. Die Zustellkosten sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt vom Kläger zu tragen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO).

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