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Entscheidungen

StPO

Vertrauliche Kommunikation, Verteidiger, Angeklagter, Schutz

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Augsburg, Beschl. v. 02.04.2014, 8 Ks 401 Js 139206/13

Leitsatz: Der in §§ 53, 148, 160a StPO vorgesehene umfassende Schutz der anwaltlichen Berufsgeheimnisträger rechtfertigt es nicht nur solche Erkenntnisse dem Anwendungsbereich des § 160a StPO unterfallen zu lassen, die aus Maßnahmen herrühren, die von vornherein als Ermittlungsmaßnahmen gedacht waren, sondern auch solche, die diese Zweckbestimmung erst nach Anfall der Erkenntnisse erlangt haben.


In der Strafsache
gegen pp.
1. Es wird festgestellt, dass folgende Passagen aus dem Aktenvermerk samt Anlagen der Kriminalpolizeiinspektion Augsburg, Sachbereich Einsatz, vom 21.11.2013, der mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Augsburg vom 13.12.2013 dem Landgericht zugeleitet und dort mit Eingang am 16.12.2013 Aktenbestandteil geworden ist, nicht zu Beweiszwecken gleich welcher Art verwertet werden dürfen:
1.a.
"..." (Aktenvermerk der KPI Augsburg, Sachbereich Einsatz, vom 21.11.2013, Seite ...)
2.b.
"..." (News zu den Landgerichtseinsätzen, 30.07.2013, ...)
3.c.
"..." (News zu den Landgerichtseinsätzen, Lagefortschreibung Nr. 1, ...)
2. Die betreffenden Passagen sind in der Ermittlungsakte unkenntlich zu machen.
Gründe
Mit Verfügung vom 13.12.2013 leitete die Staatsanwaltschaft der Kammer nach Aussetzung der gegen den Angeklagten M. geführten Hauptverhandlung wegen dessen vorübergehender Verhandlungsunfähigkeit unter anderem einen Aktenvermerk der Kriminalpolizeiinspektion Augsburg, Sachbereich Einsatz, vom 21.11.2013 zu, dem sogenannte News zu den Landgerichtseinsätzen der 22. Hundertschaft USK mit Stand vom 25.10.2013 beigefügt waren.
Die Staatsanwaltschaft war hierbei der Auffassung, dass sich aus den ihrer Verfügung beigegebenen Unterlagen schließen lasse, dass der Angeklagte im Rahmen der gegen ihn geführten Verhandlung in einen sogenannten "Gerichtsmodus" verfallen könne, um seinen Gesundheitszustand deutlich schlechter darzustellen, als dieser in (vermeintlich) unbeobachteten Momenten oder bei alltäglichen Gesprächen und Tätigkeiten wahrzunehmen sei.
In dem genannten Aktenvermerk sowie den News zu den Landgerichtseinsätzen finden sich u. a. folgende Passagen:
"..." (Aktenvermerk der KPI Augsburg, Sachbereich Einsatz, vom 21.11.2013. Seite 3, ...)
"..." (News zu den Landgerichtseinsätzen, 30.07.2013, ...)
"..." (News zu den Landgerichtseinsätzen, Lagefortschreibung Nr. 1, ...)
Der Verteidiger des Angeklagten M. Rechtsanwalt Dr. A. beantragte mit Schriftsatz vom 10.02.2014 die Feststellung, dass diese Passagen nicht verwertet werden dürften sowie unverzüglich gelöscht werden müssten, da sie sich auf mitgehörte Verteidigergespräche bezögen.
Die Staatsanwaltschaft beantragte mit Verfügung vom 20.02.2014, den Antrag zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen des § 160a StPO nicht vorlägen.
Der Antrag ist zulässig und auch begründet.
Die sogenannten News der mit der Bewachung des Angeklagten eingesetzten Polizeikräfte der 22. Hundertschaft USK waren offensichtlich, wie sich aus dem Vermerk VS-nfD ergibt, ursprünglich als polizeiinterne Lagemeldungen gedacht. Es handelte sich damit ihrem
eigentlichen Zweck nach anfänglich um keine Ermittlungshandlungen im Sinne des § 160a StPO.
Dies änderte sich jedoch zu dem Zeitpunkt, als sie von der Staatsanwaltschaft zur Frage der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten unaufgefordert der Kammer vorgelegt wurden. Damit konnte nichts anderes beabsichtigt gewesen sein, als der Kammer im Rahmen ihrer im Freibeweis obliegenden Verpflichtung, die Verhandlungsfähigkeit oder -unfähigkeit des Angeklagten zu überprüfen, weitere Anknüpfungstatsachen als die bislang vorliegenden zur Verfügung zu stellen.
Der vom Gesetzgeber in §§ 53, 148, 160a so 53, 148, 160a StPO bezweckte umfassende Schutz der anwaltlichen Berufsgeheimnisträger rechtfertigt es nach Auffassung der Kammer, nicht nur solche Erkenntnisse dem Anwendungsbereich des § 160a StPO unterfallen zu lassen, die aus Maßnahmen herrühren, die von vornherein als Ermittlungsmaßnahmen gedacht waren, sondern auch solche, die diese Zweckbestimmung erst nach Anfall der Erkenntnisse erlangt haben.
Zumindest wäre in letzterem Fall § 160a StPO entsprechend anzuwenden.
Damit handelt es sich bei den der Kammer zugeleiteten Erkenntnissen um solche, die im Rahmen der Beobachtung des Angeklagten vor, während und nach den einzelnen Hauptverhandlungen bzw. dem Mithören von Gesprächen zwischen Verteidigung und Gericht bzw. Angeklagtem an Verhandlungstagen angefallen sind und die durch Zuleitung an das mit der Sache befasste Gericht nachträglich den Charakter von Ermittlungshandlungen im Sinne von § § 160a Abs. 1 Satz 5 StPO angenommen haben.
Bei den von der Verteidigung beanstandeten Passagen handelt es sich auch unzweifelhaft um die Wiedergabe von Gesprächsinhalten, über die der Antragsteller gemäß § 53 Abs.1 Nr. 2 StPO das Zeugnis verweigern dürfte.
Keine Rolle spielt dabei, ob die zur Akte gelangten Erkenntnisse der USK Beamten für die Frage der Verhandlungsfähigkeit überhaupt relevant sind oder nicht, weil §§ 53, 160a StPO keine vorgeschaltete inhaltliche Überprüfung einschlägiger Erkenntnisse vorsehen.
Damit unterliegen die von der Verteidigung beanstandeten Erkenntnisse gemäß 160 a Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit Satz 2 StPO bzw. nach entsprechender Anwendung dieser Vorschrift einem umfassenden Verwertungsverbot.
Gleichzeitig waren nach § 160a Abs. 1 Satz 5 StPO i. V. m. Absatz 1 Satz 3 der genannten Vorschrift die diesbezüglichen Aufzeichnungen in der Akte unkenntlich zu machen.
Hinsichtlich der unter Ziffer 1. a. des Tenors angeführten Passage ergibt sich die antragsgemäße Entscheidung zudem aus § 148 Abs. 1 StPO. Danach besteht in Ausprägung des Grundsatzes fairer Verteidigung ein uneingeschränktes Recht auf unüberwachten Besuch. Für Gespräche zwischen Mandant und Verteidiger sind zudem Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, in denen Gespräche mit gewöhnlicher Lautstärke geführt werden können, ohne dass unter normalen Bedingungen ein Mithören möglich ist (OLG Hamm, StV 1985, 241 ff).
Das Gespräch, aus dem die beanstandete Passage stammt, unterfällt diesem Schutz.
Ein vertrauensvolles Gespräch zwischen Verteidiger und einem Beschuldigten, wie es die Regelung in § 148 StPO gewährleisten will, ist nur dann möglich, wenn beide Seiten davon ausgehen können, dass Äußerungen zwischen Mandant und Anwalt in jedem Fall auch vertraulich bleiben.
Dabei kommt es vorliegend auch nicht darauf an, ob das Gespräch wegen der nicht ganz geschlossenen Tür zufällig mitgehört werden konnte. Denn die Verteidiger befanden sich in einem dem Schutzbereich des § 148 StPO unterfallenden Raum - und nicht etwa im Gerichtssaal oder im Zellenflur - und durften daher davon ausgehen, dass Gespräche mit ihrem Mandanten vertraulichen Charakter hatten oder diesen wenigstens bei zufälligem Mithören behalten, sei nun die Türe versehentlich einen Spalt offen gewesen oder nicht.
Dem Antrag auf Nichtverwertung und Löschung der im Schriftsatz vom 10.02.2014 im Einzelnen beanstandeten Passagen war daher zu entsprechen.

Der vom Gesetzgeber in §§ 53, 148, 160a so 53, 148, 160a StPO bezweckte umfassende Schutz der anwaltlichen Berufsgeheimnisträger rechtfertigt es nach Auffassung der Kammer, nicht nur solche Erkenntnisse dem Anwendungsbereich des § 160a StPO unterfallen zu lassen, die aus Maßnahmen herrühren, die von vornherein als Ermittlungsmaßnahmen gedacht waren, sondern auch solche, die diese Zweckbestimmung erst nach Anfall der Erkenntnisse erlangt haben.
Zumindest wäre in letzterem Fall § 160a StPO entsprechend anzuwenden.
Damit handelt es sich bei den der Kammer zugeleiteten Erkenntnissen um solche, die im Rahmen der Beobachtung des Angeklagten vor, während und nach den einzelnen Hauptverhandlungen bzw. dem Mithören von Gesprächen zwischen Verteidigung und Gericht bzw. Angeklagtem an Verhandlungstagen angefallen sind und die durch Zuleitung an das mit der Sache befasste Gericht nachträglich den Charakter von Ermittlungshandlungen im Sinne von § § 160a Abs. 1 Satz 5 StPO angenommen haben.
Bei den von der Verteidigung beanstandeten Passagen handelt es sich auch unzweifelhaft um die Wiedergabe von Gesprächsinhalten, über die der Antragsteller gemäß § 53 Abs.1 Nr. 2 StPO das Zeugnis verweigern dürfte.
Keine Rolle spielt dabei, ob die zur Akte gelangten Erkenntnisse der USK Beamten für die Frage der Verhandlungsfähigkeit überhaupt relevant sind oder nicht, weil §§ 53, 160a StPO keine vorgeschaltete inhaltliche Überprüfung einschlägiger Erkenntnisse vorsehen.
Damit unterliegen die von der Verteidigung beanstandeten Erkenntnisse gemäß 160 a Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit Satz 2 StPO bzw. nach entsprechender Anwendung dieser Vorschrift einem umfassenden Verwertungsverbot.
Gleichzeitig waren nach § 160a Abs. 1 Satz 5 StPO i. V. m. Absatz 1 Satz 3 der genannten Vorschrift die diesbezüglichen Aufzeichnungen in der Akte unkenntlich zu machen.
Hinsichtlich der unter Ziffer 1. a. des Tenors angeführten Passage ergibt sich die antragsgemäße Entscheidung zudem aus § 148 Abs. 1 StPO. Danach besteht in Ausprägung des Grundsatzes fairer Verteidigung ein uneingeschränktes Recht auf unüberwachten Besuch. Für Gespräche zwischen Mandant und Verteidiger sind zudem Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, in denen Gespräche mit gewöhnlicher Lautstärke geführt werden können, ohne dass unter normalen Bedingungen ein Mithören möglich ist (OLG Hamm, StV 1985, 241 ff).
Das Gespräch, aus dem die beanstandete Passage stammt, unterfällt diesem Schutz.
Ein vertrauensvolles Gespräch zwischen Verteidiger und einem Beschuldigten, wie es die Regelung in § 148 StPO gewährleisten will, ist nur dann möglich, wenn beide Seiten davon ausgehen können, dass Äußerungen zwischen Mandant und Anwalt in jedem Fall auch vertraulich bleiben.
Dabei kommt es vorliegend auch nicht darauf an, ob das Gespräch wegen der nicht ganz geschlossenen Tür zufällig mitgehört werden konnte. Denn die Verteidiger befanden sich in einem dem Schutzbereich des § 148 StPO unterfallenden Raum - und nicht etwa im Gerichtssaal oder im Zellenflur - und durften daher davon ausgehen, dass Gespräche mit ihrem Mandanten vertraulichen Charakter hatten oder diesen wenigstens bei zufälligem Mithören behalten, sei nun die Türe versehentlich einen Spalt offen gewesen oder nicht.
Dem Antrag auf Nichtverwertung und Löschung der im Schriftsatz vom 10.02.2014 im Einzelnen beanstandeten Passagen war daher zu entsprechen.


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