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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Zulässigkeit, Abstinenzweisung, Suchterkrankung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Bamberg, Beschl. v. 18.06.2014 - 3 Ss 76/14

Leitsatz: Wenn auch die sog. Abstinenzweisung nach § 68 b I 1 Nr. 10 StGB in erster Linie für im Vollzug erfolgreich behandelte alkohol- oder rauschmittelabhängige Pro-banden in Betracht kommt, macht allein der Umstand, dass es sich bei dem Verurteilten um einen langjährigen, bislang nicht oder jedenfalls (noch) nicht erfolg-reich behandelten Suchtkranken handelt, die Weisung nicht von vornherein unzu-lässig (u.a. Anschluss an OLG Hamm NStZ-RR 2013, 158; Beschl. v. 11.03.2010 - 2 Ws 39/10; OLG Rostock NStZ-RR 2012, 222 und OLG Köln NStZ-RR 2011, 62 f. = OLGSt StGB § 68 b Nr. 7).


In pp.

aus den Gründen:
I. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angekl. ergeben (§ 349 II StPO). Zur Begründung nimmt der Senat auf die zutreffende Stellungnahme der GenStA in ihrer Antragsschrift Bezug. Auch mit Blick auf die von der Verteidigung abgegebene Gegenerklärung bemerkt der Senat ergänzend:
1. Der Einwand, mit der nach § 68 b I 1 Nr. 10 StGB grundsätzlich zulässigen so ge-nannten Abstinenzweisung seien an die Lebensführung des Angekl. unzumutbare An-forderungen (§ 68 b III StGB) gestellt worden, weshalb der Weisungsverstoß unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes keine (weitere) Strafbarkeit des Angekl. nach § 145 a StGB begründen könne, ist durch die Feststellungen des sach-verständig beratenen LG widerlegt. Denn das LG hat nicht nur die Annahme hinrei-chend begründet, ein Alkoholkonsum könne zur Gefahr weiterer Straftaten des Angekl. beitragen (hierzu instruktiv OLG Köln NStZ-RR 2011, 62 = OLGSt StGB § 68 b Nr. 7), sondern auch, dass das Trinkverhalten des an einer „Abhängigkeitserkrankung im Sinne eines chronischen Alkoholismus“ leidenden Angekl. auf eine „dissoziale Persönlichkeits-störung“ zurückzuführen sei, „deren Hauptsymptome eine andauernde Verantwortungs-losigkeit und Missachtung sozialer Normen, Regeln und Verpflichtungen seien“, dem-gemäß der Angeklagte - nicht zuletzt ausgewiesen durch seine Vorahndungen - „über Jahre hinweg eine geringe Frustrationstoleranz und eine niedrige Schwelle für aggres-sives, auch gewalttätiges Verhalten gezeigt“ habe; im Ergebnis mache sich der Ange-klagte „seine Regeln selbst“ und sei „zu Empathie […] kaum fähig“.
2. Für die revisionsgerichtliche Überprüfung ist insoweit entscheidend, dass das LG auf der Grundlage fachkundiger Einschätzung bei der von ihm abverlangten und im schwie-rigen Grenzbereich tatrichterlicher Abwägung liegenden Rechtsfindung den konkreten Einzelfall, insbesondere die Feststellung, dass bei dem seit vielen Jahren dem Alkohol zusprechenden Angekl. „daneben […] ein gewisser Hang, Alkohol – auch im Übermaß – zu trinken“, festzustellen sei, zu keiner Zeit aus den Augen verloren hat. Gleichwohl liege ein „innerer Zwang“ nicht vor. Vielmehr sei der Angekl. „durchaus in der Lage, seinen Alkoholkonsum zu steuern und, wenn es aus seiner Sicht erforderlich sei, auch abstinent zu leben“. Wenn auch die Weisungsmöglichkeit nach § 68 b I 1 Nr. 10 StGB in erster Linie für im Vollzug erfolgreich behandelte alkohol- oder rauschmittelabhängige Probanden in Betracht kommen mag, macht allein der Umstand, dass es sich bei dem Verurteilten um einen langjährigen, bislang nicht oder jedenfalls nicht erfolgreich be-handelten Suchtkranken handelt, die Abstinenzweisung nicht von vornherein unzulässig (OLG Hamm NStZ-RR 2013, 158 und Beschl. v. 11.03.2010 - 2 Ws 39/10 [bei juris]; OLG Rostock NStZ-RR 2012, 222; OLG Köln NStZ-RR 2011, 62 f. = OLGSt StGB § 68 b Nr. 7), zumal die erklärte, wenn auch von dem laufenden Strafverfahren maß-geblich motivierte Absicht des Angekl., sich nunmehr einer (freiwilligen) Langzeitent-wöhnungsbehandlung zu unterziehen, der Annahme entgegen steht, der Abstinenzwei-sung fehle von vornherein jegliche begründete Aussicht, entsprechend ihrer Zweckrich-tung zu einer Verringerung zukünftigen strafbaren Verhaltens des Angekl. beizutragen (OLG Hamm NStZ-RR 2013, 158; OLG München NStZ-RR 2012, 324 = StV 2013, 168 und NJW 2010, 3527, jeweils m.w.N.; vgl. auch Fischer StGB 61. Aufl. § 68 b Rn. 12a). Dass das LG hinsichtlich der erhöhten Anforderungen an die Zumutbarkeit einer straf-bewehrten Weisung nach § 68 b I 2 Nr. 10 StGB verkannt haben könnte, dass bei un-günstigeren Voraussetzungen die Weisung als unzulässig anzusehen sein kann (hierzu insbesondere OLG Dresden NJW 2009, 3315 und OLG Celle NStZ-RR 2010, 91 f. = OLGSt StGB § 68 b Nr. 4 = StV 2010, 495 f.; vgl. auch AG Freiburg/Breisgau, Urt. v. 02.02.2011 – 23 Ds 240 Js 34839/09 [bei juris]) und bei dem Angekl. aufgrund des Suchtdrucks von einem durchaus erhöhten Risiko eines krankheitsbedingten Scheiterns und damit eines (weiteren) einschlägigen Rückfalls auszugehen war (hierzu OLG Köln a.a.O.), ist nach den Darlegungen im angefochtenen Urteil auszuschließen.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 I 1 StPO.
III. Für den am 30.05.2014 eingegangenen Antrag vom 26.05.2014, dem Angekl. sei-nen bisherigen Wahlverteidiger als Pflichtverteidiger beizuordnen, ist - anders als für die Wahrnehmung der Revisionshauptverhandlung (vgl. KK/Gericke StPO 7. Aufl. § 350 Rn. 11 m.w.N.) - der Vorsitzende des Gerichts, dessen Urteil angefochten worden ist, zuständig (vgl. BGH NStZ 2009, 29; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 57. Aufl. § 141 Rn. 6, jeweils m.w.N.). Eines Zuwartens mit der Entscheidung des Senats über die Revision bedurfte es nicht, weil der Wahlverteidiger die Revision umfassend begründet hat (vgl. BGH a.a.O.).

Einsender: RiOLG Dr. Georg Gieg, Würzburg

Anmerkung:


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