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Entscheidungen

Haftfragen

Dringender Tatverdacht, Aussage gegen Aussage

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Düsseldorf, Beschl. v. 19.12.2013 - 014 KLs-70 Js 11041/13-21/13

Leitsatz: Steht Aussage gegen Aussage und liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der von einem Belastungszeugen geschilderte Sachverhalt eher zutreffen könnte als die Schilderungen des Angeschuldigten, so dass es auf den Eindruck in der Hauptverhandlung ankommt, welcher Aussage zu folgen ist, begründet dies den für die Eröffnung des Hauptverfahrens hinreichenden Tatverdacht, nicht aber den für Erlass bzw. Aufrechterhaltung eines Haftbefehls erforderlichen dringenden Tatverdacht.


In pp.
Der Haftbefehl des Amtsgerichts Düsseldorf vom 29.08.2013 - AZ. 151 Gs 1256/13 - wird aufgehoben.

Gründe

Der Haftbefehl wird aufgehoben, weil die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen (§§ 120 Abs. 1 S. 1 StPO).

Voraussetzung des Haftbefehls nach § 112 Abs. 1 S. 1 StPO ist u.a., das Vorliegen eines dringenden Tatverdachtes. Dieser besteht, wenn die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass der Beschuldigte Täter oder Teilnehmer einer Straftat ist. Der „dringende“ Tatverdacht ist dem Grad nach intensiver als der „hinreichende“, von dem § 203 StPO die Eröffnung des Hauptverfahrens abhängig macht. Während hinreichender Verdacht in diesem Sinne schon zu bejahen ist, wenn nach den vorliegenden Erkenntnissen eine Verurteilung in der Hauptverhandlung wahrscheinlich ist (OLG Köln StV 1991, 304), verlangt § 112 Abs. 1 S. 1 StPO für den Erlass des Haftbefehls einen höheren Verdachtsgrad, nämlich eine große Wahrscheinlichkeit (Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 112 StPO, Rn. 6; BGH StV 2008, 84).

Bei der Prüfung des dringenden Tatverdachts tritt der Haftrichter in eine freie Beweiswürdigung des von den Ermittlungsbehörden zusammengetragenen Tatsachenmaterials ein und entscheidet hiernach, ob der Beschuldigte mit großer Wahrscheinlichkeit die ihm zur Last gelegte Tat begangen hat

Nach Prüfung der sich aus den Akten ergebenden Ermittlungsergebnisse ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass hinsichtlich des Anklagepunktes Nr. 4 der Anklage vom 25.10.2013 (Vergewaltigung gem. §§ 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB) zwar möglicherweise ein hinreichender, jedoch kein dringender Tatverdacht vorliegt.

Nach den jetzigen Erkenntnissen liegt keine große Wahrscheinlichkeit vor, dass der Angeschuldigte wegen Vergewaltigung gem. §§ 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB in der Hauptverhandlung verurteilt werden wird.

Der Angeschuldigte selbst hat durch seinen Verteidiger mit Schriftsatz vom 24.09.2013 zwar eingeräumt, dass es im Wohnzimmer zu Handgreiflichkeiten gekommen sei, eine Vergewaltigung habe es jedoch nicht gegeben. Er habe die Zeugin L1 zwar fest an den Armen ergriffen und ins Schlafzimmer geholt. Dabei sei es ihm aber nicht darum gegangen, mit ihr sexuell zu verkehren, er habe Ruhe und seinen Schlaf haben wollen. Sie sei gekommen und habe zwei Gläser – er meine mit dem Jägermeister – mitgebracht, sie hätten sich unterhalten, getrunken und gemeinsam eine Zigarette geraucht. Die Zeugin habe sich selbst ausgezogen und ihre Kleidung auf dem Stuhl abgelegt. Danach sei allerdings der Streit wieder losgegangen. Die Zeugin habe ihm heftige Vorwürfe gemacht, habe geschrien, es sei ihm nicht gelungen sie zu beruhigen. Er habe die Zeugin im Schlafzimmer nicht geschlagen, weder vor noch während des Geschlechtsverkehrs. Es sei häufig in ihrer Beziehung so gewesen, dass sie einen Streit durch sexuellen Verkehr wieder aufgelöst hätten. So sei es auch hier gewesen. Der Streit sei beendet gewesen. Er habe die beiderseitige Aufnahme von Sexualhandlungen als Signal der Versöhnung verstanden. Dass die Zeugin u.a. behauptet, noch immer unter Angst gestanden zu haben, verstehe er nicht und habe er auch in der Situation nicht so gesehen.

Die Zeugin L1 hingegen schilderte der Sachverhalt gegenüber der Polizei so wie in der Anklage dargestellt.

Derzeit sieht die Kammer keine Anhaltspunkte dafür, dass der von der Zeugin L1 geschilderte Sachverhalt eher zutreffen könnte als die Schilderungen des Angeschuldigten. Entscheidend wird es auf das Aussageverhalten der Zeugin L1, und auch der Zeugin H1, in der Hauptverhandlung ankommen und darauf, welchen Eindruck diese auf die Kammer machen.

Bislang war das Verhalten der Zeugin L1 von Widersprüchen geprägt. Beim erstmaligen Eintreffen der Polizei in ihrer Wohnung am 27.08.2013, um ca. 15:30 Uhr, verneinte sie ausdrücklich, von dem Angeschuldigten vergewaltigt worden zu sein. Auch die Durchführung eines Atemalkoholtestes verweigerte sie zunächst - ließ ihn aber dann später auf der Polizeiwache doch durchführen. Mit der Fertigung von Lichtbildern von ihren Verletzungen war sie ebenfalls vor Ort nicht einverstanden. Ca. eine Stunde später rief sie erneut die Polizei herbei und gab sodann an, doch vergewaltigt worden zu sein. Aus der Auswertung der Verkehrsdaten zur Mobilfunknummer des Angeschuldigten ergibt sich, dass die Zeugin L1 zwischen dem ersten und dem zweiten Polizeieinsatz zweimal auf dem Handy des Angeschuldigten anrief.

Auch erscheint es zum jetzigen Zeitpunkt nicht nachvollziehbar, dass die Zeugin nach der angeblichen Vergewaltigung zunächst noch 2-3 Stunden gemeinsam mit dem Angeschuldigten im Bett geschlafen hat und erst um 15:30 Uhr die Polizei alarmierte.

Laut ärztlichem Untersuchungsbericht der Frauenklinik des Universitätsklinikums Düsseldorf vom 27.08.2013 fand eine Blutentnahme zur BAK-Bestimmung nicht statt, da dies laut Patientin durch die Kriminalpolizei erfolgt sei. Auch diese Angabe der Zeugin L1 trifft nicht zu.

In einer ergänzenden polizeilichen Vernehmung am 29.08.2013 lässt die Zeugin L1 dann doch noch Lichtbilder von ihren Verletzungen machen.

Auch die Angaben, die die Zeugin H1 gegenüber der Polizei gemacht hat, sind in Teilen nicht nachvollziehbar. Die Zeugin bekundete, sie habe im Wohnzimmer die Vergewaltigung und die Schreie der Zeugin L1 mit anhören müssen. Auf die Nachfrage der Vernehmungsbeamtin, warum sie nicht die Polizei gerufen habe, antwortete die Zeugin zunächst, dass ihr Handy kein Guthaben gehabt habe. Auf den Hinweis, dass die „110“ kostenlos sei, sagte sie, sie habe doch schon angerufen, aber es sei keiner gekommen. Kurze Zeit später bekundete sie, dass die Vergewaltigungen so gegen 9.00 Uhr/ 9.30 Uhr angefangen hätten und gegen Mittag beendet gewesen seien. Sie habe so gegen eins, halb zwei angerufen. Auf Nachfrage der Vernehmungsbeamtin, wen sie angerufen habe, antwortete sie, dass sie gegen 15:33 Uhr angerufen habe, aber keiner dran gegangen sei. Kurze Zeit später berichtete sie, dass die Verbindung so schlecht gewesen sei.

Aufgrund des widersprüchlichen Verhaltens der für den Beweis der angeblichen Vergewaltigung maßgeblichen Zeuginnen L1 und H1 geht die Kammer zum jetzigen Zeitpunkt nicht von einer großen Verurteilungswahrscheinlichkeit aus.

Hinsichtlich der Anklagepunkte Nr. 1 bis 3 ist zwar ein dringender Tatverdacht zu bejahen. Hierbei handelt es sich um zwei Fälle der Körperverletzung und einen Fall von gefährlicher Körperverletzung. Eine Untersuchungshaft aufgrund dieser Delikte wäre jedoch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht zu vereinbaren.

Diese würde zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis stehen.

Einsender: entnommen NRWE

Anmerkung:


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