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Gericht / Entscheidungsdatum: LG München I, Beschl. v. 29.08.2014 - 22 Qs 55/14
Leitsatz: Die Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren ist auch dann zu erstatten, wenn der Rechtsanwalt nach Berufungseinlegung durch die Staatsanwaltschaft beauftragt wird, die Staatsanwaltschaft ihre Berufung dann aber vor ihrer Begründung zurücknimmt.
22 Qs 55/14 Landgericht München I In dem Strafverfahren gegen pp. wegen Diebstahl erlässt das Landgericht München I -22. kleine Strafkammer- durch die unterzeichnenden Richter am 29.08.2014 folgenden
Beschluss 1. Auf die Beschwerde des Rechtsanwalt pp. wird der Beschluss des Amtsgerichts München vom 28.7.2014, Az. 822 Ds 264 Js 175202/13 aufgehoben. 2. Zugunsten des Beschwerdeführers Rechtsanwalt pp. werden im Berufungsverfahren Gebühren und Auslagen in Höhe von 328,44 EUR festgesetzt. 3. Die Kosten des Rechtsmittels trägt die Staatskasse.
Gründe: Mit Urteil des Amtsgerichts München vom 19.12.13 wurde ppp. wegen Diebstahls in drei tatmehrheitlichen Fällen jeweils in besonders schwerem Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahre verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde (BI. 240/245 d.A.).
Die Staatsanwaltschaft, die in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung beantragt hatte (BI. 229/238 d.A.), legte am 23.12.2013 das Rechtsmittel der Berufung ein (BI, 246 d.A.).
Dies wurde dem Verteidiger durch das Amtsgericht München mit Schreiben vom 14.1.2014 mitgeteilt (BI. 247 d.A.).
Am 6.2.2014 nahm die Staatsanwaltschaft die Berufung zurück (BI, 248 d.A.).
Mit Schriftsatz vom 5.2.2014 beantragte der Pflichtverteidiger Rechtsanwalt pp. Pflichtverteidigergebühren und-auslagen wie folgt festzusetzen:
Verfahrensgebühren im Berufungsverfahren Nr. 4124 VVRVG 256,-- EUR Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VVRVG 20.-- EUR Zwischensumme 276,-- EUR 19 % Mehrwertsteuer Nr. 7008 VVRVG (aus 276,-- EUR) 52,44 EUR Endsumme 328,44 EUR
Die Bezirksrevisorin Ill beim Amtsgericht München nahm am 7.5.2014 zu dem Antrag des Pflichtverteidigers Stellung. Sie führte aus, dass dieser aus Sicht der Staatskasse zurückzuweisen sei, da eine sinnvolle Tätigkeit des Verteidigers vor Begründung des Rechtsmittels nicht möglich und diese daher nicht notwendig gewesen sei.
Mit Schriftsatz vom 27.5.2014 äußerte sich Rechtsanwalt pp. zur Stellungnahme der Bezirksrevisorin und hielt an seinem Festsetzungsantrag fest.
Mit Beschluss vom 28.7.2014 lehnte das Amtsgericht München eine Vergütung des Beschwerde-führers ab und nahm zur Begründung auf die Stellungnahme der Bezirksrevisorin Bezug. Der Beschluss des Amtsgerichts München vom 28.7.2014 wurde Rechtsanwalt ppp. am 1.8.2014 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 5.8.2014, eingegangen bei Gericht am selben Tag, legte Rechtsanwalt pp. Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 28.7.2014 ein und nahm zur Begründung auf seinen bisherigen Vortrag Bezug.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, § 11 Abs. 3 RPfIG i.V.m. §§ 311, 304 ff StPO, insbesondere ist sie fristgerecht erhoben.
Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Die Frage der Notwendigkeit der Tätigkeit eines Verteidigers in der Berufungsinstanz in Fällen, in denen die Staatsanwaltschaft ihre Berufung vor einer Begründung zurücknimmt, ist in der Rechtsprechung umstritten (vgl. Meyer-Goßner, StPO, § 464 a, Rdnr. 10 m.w.N). Die ablehnenden Entscheidungen (zuletzt soweit ersichtlich KG Berlin, Beschluss vom 19.5.2011, Az. 1 Ws 168/10, zitiert nach juris) stützen sich darauf, dass vor Begründung der Berufung alle Erörterungen ohne objektiven Wert seien, solange Umfang und Zielrichtung der Berufung nicht bekannt seien.
Die Kammer folgt im vorliegenden Fall jedoch der Auffassung, welche eine Erstattung der Verfahrensgebühr auch in den Fällen annimmt, in denen die Staatsanwaltschaft die Berufung vor ihrer Begründung zurückgenommen hat.
Es ist mit den Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens nicht vereinbar, dass Informations- und Beratungsbedürfnis eines Angeklagten nach Eingang eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft stets, als ,,überflüssig" anzusehen, solange er dessen Zielrichtung und Umfang nicht kennt. Im vorliegenden Fall hatte der Pflichtverteidiger durch die Mitteilung des Amtsgerichts München Kenntnis von der (noch nicht begründeten) Berufung der Staatsanwaltschaft. Auch in diesem Verfahrensstadium kommen seitens des Angeklagten und seines Verteidigers aber durchaus zweckwichtigere Maßnahmen in Betracht, welche die Rechtslage klären oder die weitere Verteidigung vorbereiten. Dies gilt insbesondere dann, wenn wie hier die Zielrichtung des staatsanwaltschaftlichen Rechtsmittelangriffs nach Sachlage aus Sicht der Verteidigung nicht zweifelhaft war, da die Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht eine unbedingte Freiheitsstrafe beantragt hatte.
Eine andere Entscheidung ist auch schwerlich mit dem Grundsatz der Chancengleichheit im Strafverfahren vereinbar: Wenn die Staatsanwaltschaft nur vorsorglich ein Rechtsmittel einlegt, so muss es dem Angeklagten unbenommen sein, ebenso vorsorglich vorbereitende Maßnahmen zur Verteidigung gegen dieses Rechtsmittels zu treffen, zumal er mit der Möglichkeit der Durchführung des Rechtsmittels rechnen muss (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 28.4.1993- Az. 1 Ws 110/93, zitiert nach juris).
Hinzukommt, dass - anders als für die Revision (§§ 344, 346 Abs. 1 StPO) - für die Berufung keine gesetzliche Begründungspflicht besteht. Eine fehlende Begründung wäre zwar ein Verstoß gegen § 156 Abs. 1 RiStBV, würde die Berufung jedoch nicht unzulässig machen.
Zugunsten des Beschwerdeführers waren daher dessen Gebühren und Auslagen antragsgemäß festzusetzen,
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