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Leitsatz: Vor der Entscheidung über die Rücknahme der Bestellung gem. § 143 StPO ist dem Pflichtverteidiger und dem Angeklagten rechtliches Gehör zu gewähren.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 05.03.2014 - 1 Ws 18/14 Brandenburgisches Oberlandesgericht 1 Ws 18/14 Beschluss Stichworte: §§ 140, 143 StPO, Zur Notwendigkeit der Gewährung rechtlichen Gehörs vor der Entscheidung über die Rücknahme der Bestellung des Pflichtverteidigers In der Strafsache gegen ... wegen räuberischer Erpressung hat der 1. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch ... am 5. März 2014 beschlossen: Auf die Beschwerde des Angeklagten wird die Entscheidung des Vorsitzenden der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Potsdam vom 03. Februar 2014 über die Rücknahme der Bestellung von Rechtsanwältin ... aufgehoben. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse. Gründe: I. Im Rahmen des zunächst beim Amtsgericht Brandenburg an der Havel geführten Strafverfahrens in dieser Sache wurde dem Angeklagten mit Beschluss vom 12. April 2012 Rechtsanwältin X. gem. § 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO beigeordnet. Nachdem das Amtsgericht das Verfahren mit Beschluss vom 19. November 2013 gem. § 270 StPO an die große Strafkammer des Landgerichts Potsdam abgegeben hatte, terminierte der Vorsitzende der 1. großen Strafkammer mit Verfügung vom 08. Januar 2014 die Hauptverhandlung beginnend mit dem 10. Februar 2014. Mit Schriftsatz vom 31. Januar 2014 meldete sich Rechtsanwalt ... aus Potsdam mit Vollmachtsurkunde des Angeklagten zur Akte und teilte mit, der Angeklagte habe ihn neben Rechtsanwältin X. mit seiner Verteidigung beauftragt. Mit Verfügung vom 03. Februar 2014 hat der Vorsitzende der 1. großen Strafkammer die Bestellung von Rechtsanwältin X. zur Verteidigerin zurückgenommen mit der Begründung, der Angeklagte habe nunmehr Rechtsanwalt Y. als Verteidiger beauftragt. Vor Beginn der Hauptverhandlung am 10. Februar 2014 teilten Rechtsanwältin X. und Rechtsanwalt Y. dem Vorsitzenden mit, beide aufgrund eines Wahlmandats tätig zu werden. Die Hauptverhandlung wurde sodann mit beiden Verteidigern durchgeführt. Mit seiner Beschwerde vom 10. Februar 2014, eingegangen am 11. Februar 2014, wendet sich der Angeklagte gegen die Entpflichtung von Rechtsanwältin X. Sie verteidige ihn seit 2012 in diesem Verfahren und genieße sein Vertrauen. Er habe Rechtsanwalt Y. beauftragt, weil Rechtsanwältin X. erkrankt sei und er seine Verteidigung durch Rechtsanwälte seines Vertrauens habe sicherstellen wollen. Der Vorsitzende der 1. großen Strafkammer hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Der Angeklagte habe Rechtsanwalt Y. ein Wahlmandat erteilt, so dass die Beiordnung der Rechtsanwältin X. gem. § 143 StPO zurückzunehmen sei. Ihre Beiordnung sei auch nicht zur Verfahrenssicherung geboten. Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat in ihrer Stellungnahme vom 18. Februar 2014 beantragt, die Beschwerde aus den Gründen der Nichtabhilfeentscheidung als unbegründet zu verwerfen. Außerdem sei die Pflichtverteidigerin offenbar erkrankt, was einen wichtigen Grund für die Rücknahme ihrer Bestellung gem. § 143 StPO darstelle. Mit Schriftsatz vom 28. Februar 2014 hat Rechtsanwältin X. vorgetragen, angesichts der Vielzahl der voraussichtlichen Hauptverhandlungstermine sei ein unvorhergesehener krankheitsbedingter Ausfall nicht ausschließbar und sei die Hinzuziehung eines weiteren Verteidigers zur Verfahrenssicherung erforderlich. Auch sei angesichts der Mittellosigkeit des Angeklagten von der Beendigung des Wahlmandats auszugehen. Zudem seien sie und der Angeklagte vor Erlass der angegriffenen Entscheidung nicht angehört worden. II. Die gem. § 304 Abs. 1 StPO statthafte, form- und fristgemäß gem. § 306 Abs. 1 StPO eingelegte Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Rücknahme der Bestellung von Rechtsanwältin ... als Pflichtverteidigerin des Angeklagten gem. § 143 StPO ist rechtsfehlerhaft erfolgt und daher aufzuheben. Grundsätzlich ist die Bestellung eines Pflichtverteidigers gem. § 143 StPO zurückzunehmen, wenn ein anderer Verteidiger gewählt wird und die Wahl annimmt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt, wenn ein unabweisbares Bedürfnis dafür besteht, den Pflichtverteidiger neben dem Wahlverteidiger tätig bleiben zu lassen (Bbg. OLG, B. v. 28. Oktober 2013, 1 Ws 180/13; OLG Celle, B. v. 19. August 2010, 1 Ws 419/10, zitiert nach juris; KG Berlin, StV 10, 63; LG Koblenz, B. v. 07. Mai 2012, 2 Qs 32/12, zitiert nach juris; Meyer-Goßner, StPO 56. A. 2013 § 143 Rn. 2, § 141 R 1 a). Hierüber entscheidet der Vorsitzende der mit der Sache befassten Strafkammer nach pflichtgemäßem Ermessen (Laufhütte/Willnow in KK-StPO, 7. A. 2013 § 143 Rn. 6). Vor der Entscheidung über die Rücknahme der Bestellung gem. § 143 StPO ist dem Pflichtverteidiger und dem Angeklagten rechtliches Gehör zu gewähren. Denn der Widerruf der Bestellung eines Pflichtverteidigers, der das Vertrauen des Angeklagten genießt, berührt dessen Verteidigungsbelange (BGH NJW 1990, 1373; Laufhütte/Willnow a. a. O. Rn. 1). Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass dem Angeklagten und Rechtsanwältin ... vor der Entscheidung über die Rücknahme der Bestellung rechtliches Gehör gewährt worden ist. Angesichts des offensichtlich mehrjährigen Vertrauensverhältnisses war eine Anhörung vor der Entscheidung über die Rücknahme der Bestellung unerlässlich. Dieser Anhörungsmangel ist im Abhilfeverfahren schon deshalb nicht geheilt worden, weil der Abhilfeentscheidung vom 11. Februar 2014 eine Auseinandersetzung mit den Einwänden des Angeklagten, mithin eine nachprüfbare Ermessensentscheidung hinsichtlich der Rücknahme der Bestellung gem. § 143 StPO, nicht zu entnehmen ist. Die Rücknahmeentscheidung des Vorsitzenden der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Potsdam vom 03. Februar 2014 war daher aufzuheben. Eine Entscheidung des Senats ist angesichts der bislang uneindeutigen Darstellung des Angeklagten und seiner Verteidiger zum Fortbestehen der Wahlverteidigung nicht angebracht. Der Vorsitzende der 1. großen Strafkammer wird, nach Anhörung der Beteiligten, nach pflichtgemäßem Ermessen erneut über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 143 StPO oder eines unabweisbaren Bedürfnisses für die Beiordnung von Rechtsanwältin ... neben einer bestehenden Wahlverteidigung oder etwa die Erforderlichkeit der Beiordnung beider Rechtsanwälte zu entscheiden haben. III. Die Kostenentscheidung beruht auf der analogen Anwendung der §§ 473 Abs. 1, 467 Abs. 1 StPO.
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