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Leitsatz: 1. Der (nicht rechtskräftige) Abschluss des Verfahrens in der Berufungsinstanz steht der Zulässigkeit der Beschwerde gegen eine im Berufungsverfahren erfolgte Ablehnung der Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht entgegen. 2. Zur Bestellung eines Pflichtverteidigers für das Revisionsverfahren.
hat der 4. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 31. März 2014 beschlossen:
Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss der Strafkammer 66 des Landgerichts Berlin vom 3. März 2014 aufgehoben.
Dem Beschwerdeführer wird Rechtsanwalt St zum Verteidiger bestellt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse Berlin.
G r ü n d e :
Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat den Angeklagten am 28. Juni 2013 wegen Verleumdung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 15 verurteilt. Gegen das Urteil hat der Angeklagte Berufung eingelegt. Mit Urteil vom 3. März 2014 hat das Landgericht die Berufung verworfen. Der Angeklagte hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt. Seinen Antrag vom 20. Februar 2014, ihm einen Pflichtverteidiger zu bestellen, hat die Berufungskammer mit dem angefochte-nen Beschluss in der Berufungshauptverhandlung abgelehnt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Beschwerde. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Die Beschwerde ist nach § 304 Abs. 1 StPO zulässig und insbesondere nicht durch § 305 Satz 1 StPO ausgeschlossen (vgl. Meyer-Goßner, StPO 56. Aufl., § 141 Rn. 10a m.w.N.). Die Beschwerde ist auch nicht prozessual überholt. Zwar kann der Beschwerdeführer für das Berufungsverfahren die rückwirkende Bestellung eines Verteidigers nicht mehr erreichen, nachdem gegen ihn ein Berufungsurteil ergangen ist (vgl.KG StV 2007, 372, 373; Meyer-Goßner a.a.O., Rn. 8 m.w.N.). Die Mitwirkung eines Verteidigers kann sich jedoch in dem Verfahrensabschnitt auswirken, der durch die Einlegung der Revision gekennzeichnet ist. Denn zur Tätigkeit eines vom Tatrich-ter bestellten Verteidigers gehören auch die Begründung der Revision sowie ggf. er-forderlich werdende Gegenerklärungen und Erwiderungen auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verwerfung der Revision nach § 349 Abs. 2 StPO (vgl. KG, Beschlüsse vom 23. Oktober 2002 [3] 1 Ss 291/02 [110/02], 3 Ws 417/02 und vom 9. Juli 1996 5 Ws 351-352/96 ; Senat, Beschlüsse vom 6. März 2003 4 Ws 33/03 , vom 26. August 1998 4 Ws 178/98 [juris], vom 2. Juni 1997 4 Ws 115/97 und vom 14. Juni 1995 4 Ws 33/95 ). Soweit der Senat in jüngeren Ent-scheidungen davon ausgegangen ist, dass bereits mit dem (nicht rechtskräftigen) Abschluss des Berufungsrechtszuges die Beschwer durch eine die Bestellung eines Pflichtverteidigers ablehnende Entscheidung des Berufungsgerichts entfallen war (vgl. Beschlüsse vom 28. März 2013 4 Ws 42/13 , vom 2. Januar 2013 4 Ws 143/12 und vom 14. September 2012 4 Ws 98/12 ), lagen dem jeweils besondere Fallkonstellationen zugrunde, die durch eine ausschließlich für das Berufungsverfahren begehrte Pflichtverteidigerbestellung gekennzeichnet waren. Eine Abkehr von der früheren Rechtsprechung des Senats war damit nicht beabsichtigt.
2. Die Beschwerde ist auch begründet.
a) Es kann insoweit dahinstehen, ob der angefochtene Beschluss bereits deshalb der Aufhebung unterliegen muss, weil er von der Berufungskammer in der Besetzung der Hauptverhandlung unter Einschluss der Schöffen gefasst wurde und nicht von der auch in der Hauptverhandlung hierfür allein zuständigen Kammervorsitzenden (§ 141 Abs. 4, 1. Halbsatz StPO; vgl. Meyer-Goßner a.a.O., Rn. 6 m.w.N.).
b) Es kann ferner dahinstehen, ob die Strafkammer die Voraussetzungen einer Pflichtverteidigerbestellung für die Tatsacheninstanz rechtsfehlerhaft verneint hat. Allerdings geht der Beschwerdeführer zu Unrecht davon aus, dass im strafrechtli-chen Berufungsverfahren vor dem Landgericht die anwaltliche Postulationspflicht gilt und sich hieraus ein Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts ergibt. § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO sieht nur für erstinstanzliche (Straf-) Verfahren vor dem Landge-richt die Notwendigkeit eines Verteidigers vor, nicht hingegen anders als im Zivil-prozess (§ 78 Abs. 1 ZPO) für Berufungsverfahren. Ob auch die Voraussetzungen für eine Pflichtverteidigerbestellung nach dem hier allein in Betracht kommenden § 140 Abs. 2 StPO nicht erfüllt waren, vermag der Senat hingegen nicht abschlie-ßend zu beurteilen, weil ihm mit den Doppelbänden nicht die dem Landgericht über-sandten acht Band Beiakten, acht Beistücke und drei Ablichtungsbände vorgelegt wurden, deren Inhalt für die Beurteilung der Schwierigkeit der Sachlage und ggf. auch der Frage, ob dem Angeklagten im Wege des § 147 Abs. 7 StPO die für seine Verteidigung erforderliche Kenntnis des Akteninhalts verschafft werden kann, von Bedeutung sein kann.
c) Jedenfalls jedoch weist das Revisionsverfahren, auf das allein eine Pflichtverteidi-gerbestellung sich noch auswirken kann, vorliegend Schwierigkeiten auf, die nun-mehr eine Bestellung nach § 140 Abs. 2 Satz 1 StPO geboten erscheinen lassen und der Beschwerde zum Erfolg verhelfen. Denn es bedarf rechtskundiger Prüfung und Erörterung, ob durch die Ablehnung der Verteidigerbestellung oder das Vorgehen der Kammervorsitzenden bei der Entscheidung über den Antrag des Angeklagten, ihm einen Pflichtverteidiger zu bestellen, dessen Verfahrensrechte in entscheidungser-heblicher Weise verletzt wurden. Insoweit ist von folgendem Verfahrensgang auszu-gehen: Der Antrag des Angeklagten vom 20. Februar 2014 ist am selben Tag bei dem Landgericht eingegangen. Die Kammervorsitzende hat am Folgetag verfügt, dem bisherigen Verteidiger den Antrag zur Stellungnahme zu übersenden, obwohl der Angeklagte in seinem Antrag ausdrücklich mitgeteilt hatte, seinen Wahlverteidi-ger nicht für die Berufungsinstanz beauftragt zu haben, sodass dessen Anhörung nicht erforderlich war. Das unter Sofort verfügte Schreiben wurde durch die Kanzlei bedingt durch das dazwischen liegende Wochenende erst am 24. Februar 2014 ge-fertigt und die Akte (erst) sodann wie am 21. Februar 2014 gleichfalls verfügt der Staatsanwaltschaft zur Stellungnahme zu dem Antrag übersandt. Am 25. Februar 2014 ging bei dem Landgericht die Antwort des Verteidigers ein, mit der er die Nie-derlegung seines Mandats erklärte. Einen Tag später erreichte die Kammer der An-trag der Staatsanwaltschaft, die Bestellung eines Pflichtverteidigers abzulehnen. Obwohl die Sache damit entscheidungsreif war, wartete die Strafkammervorsitzende bis zur Hauptverhandlung am 3. März 2014 mit der Entscheidung zu, um den Antrag sodann in der Hauptverhandlung nach Beratung abzulehnen. Dem Angeklagten war hierdurch die Möglichkeit genommen, seinerseits erneut einen Wahlverteidiger zu beauftragen.
d) Da der Angeklagte keinen Rechtsanwalt benannt und damit die Auswahl des Pflichtverteidigers dem Gericht überlassen hat, bestellt der Senat ihm seinen mit der Sache vertrauten früheren Wahlverteidiger Rechtsanwalt St zum Verteidiger. Nach dem Vorbringen des Angeklagten in seinem Antrag vom 20. Februar 2014 beruht seine Entscheidung, sich von Rechtsanwalt St nicht in der Berufungsinstanz (als Wahlverteidiger) vertreten zu lassen, auf der unzutreffenden Ansicht, ihm sei vor dem Landgericht auf jeden Fall ein Verteidiger zu bestellen, und nicht auf mangeln-dem Vertrauen zu Rechtsanwalt St, dessen erstinstanzlich gestellte Anträge er sei-nem Bestellungsantrag sogar noch beigefügt hatte.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 467 Abs. 1 StPO.
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