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Gericht / Entscheidungsdatum: LG Saarbrücken, Beschl. v. 18.03.2014 - IV StVK 1366/13
Leitsatz: Der Ausschluss eines Gefangenen von einer zugewiesenen Arbeit gegen dessen Willen ( Ablösung ) ist als Widerruf eines begünstigten Verwaltungsakts aufzufassen, wobei in diesem Rahmen nicht nur eine personenbedingte Ungeeignetheit des Gefangen und betriebsbedingte Gründe wie Arbeitsmangel zu berücksichtigen sind, sondern auch verhaltensbedingte Gründe wie z. B. Arbeitsverweigerung, nachhaltige Störung des Betriebsfriedens oder sicherheitsgefährdendes Verhalten, die die Eignung des Gefangenen für die Arbeit aufheben oder so beeinträchtigen, dass andere Gefangene als besser geeignet anzusehen sind. Bei in diesem Ausmaß gravierendem Fehlverhalten des Gefangenen steht dem Anstaltsleiter ein Ermessen zu, ob er zu einer Disziplinarmaßnahme, zur Ablösung oder gar beidem greift.
LG Saarbücken IV StVK 1366/13 Beschl. v. 18.03.2014 In der Strafvollzugssache des pp. wegen Ablösung von der Arbeit
I. Auf den Antrag des Antragstellers vom 29.10.2013 wird die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller seine vorige Arbeit als Hausarbeiter/Ausspeiser zuzuweisen soweit dies rechtlich möglich ist.
II. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der dem Antragsteller entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Antragsgegnerin.
III. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
IV. Der Geschäftswert wird auf 250,-- (§ 65 GKG) festgesetzt.
Gründe: X. Der Antragsteller befindet sich seit dem 21.07.2012 in der Justizvollzugsanstalt Saarbrücken. Er verbüßt zurzeit eine zweijährige Freiheitsstrafe wegen versuchten Diebstahls mit Waffen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung [Urteil des Amtsgerichts Neunkirchen vom 14.11.2012, Az.: 10 Ls 25 Js 904/12 (567/12)]. Endstrafenzeitpunkt ist in der Vollstreckungsübersicht auf den 18.10.2014 notiert.
Der Antragsteller wendet sich gegen seine Ablösung als Hausarbeiter und führt in seiner Antragschrift vom 29.10.2013 aus, dass eine solche Ablösung nur in Betracht komme, wenn sich nachträglich seine fehlende Eignung herausgestellt habe.
Sein Vollzugsverhalten sei jedoch beanstandungslos gewesen, er werde als freundlicher und ruhiger Gefangener bezeichnet, der bisher keinerlei Probleme bereitet habe. Er sei nach wie vor motiviert und auch geeignet der Tätigkeit als Hausarbeiter und Ausspeiser nachzugehen. Hier sei nicht ersichtlich, auf welche Tatsachen ein Verdacht einer Bedrohung gestützt werde. Die Antragsgegnerin hätte zumindest ausführen müssen, um welchen Sachverhalt es sich hierbei handele. Ohne erforschten Sachverhalt sei die Ausübung eines Ermessens nicht ersichtlich.
Insoweit die Antragsgegnerin vortrage, der Antragsteller sei erst am 10.09.2013 von der Arbeit abgelöst werden, mache dies den Antrag nicht unzulässig, da der Antrag auf Zuweisung der Arbeit am 31.08.2013 gestellt worden sei. Wieso die Antragsgegnerin hierauf erst mit Schreiben vom 05.10.2013 geantwortet und hierin mitgeteilt habe, dass die Ablösung erst nach dem Antrag auf Zuweisung tatsächlich erfolgt sei, sei nicht nachvollziehbar. Es sei ersichtlich gewesen, was mit dem Antrag vom 31.08.2013 gemeint gewesen sei. Der Antragsteller, der zudem französischer Staatsbürger sei, habe bereits die Sperre dahingehend verstanden, dass hier eine Ablösung erfolgt sei, weshalb er die erneute Zuweisung beantragt habe. Vielmehr erscheine die nach dem Antrag auf Zuweisung erfolgte Ablösung als willkürlich und daher rechtswidrig.
Der Antragsteller beantragt 1. die gerichtliche Entscheidung gemäß § 109 StVollzG; 2. die Antragsgegnerin zu verpflichten dem Antragsteller seine vorherige Arbeit als Hausarbeiter und Ausspeiser zuzuweisen; 3. hilfsweise die Sperre von der Ausübung seiner Tätigkeit als Hausarbeiter und die Ablösung von der Tätigkeit als Hausarbeiter aufzuheben; 4. dem Antragsteller unter Beiordnung von Rechtsanwältin Juharos, Trier, Prozesskostenhilfe zu gewähren; 5. den Streitwert auf 500,-- festzusetzen. Die Antragsgegnerin beantragt den Antrag zu 1. bis 3. als unbegründet zurückzuweisen.
Sie führt in ihrem Schreiben vom 04.12.2013 aus, dass der Antrag zu 2. und 3. zwar zulässig, aber nicht begründet sei.
Am 05.08.2013 habe sich der Gefangene A an den Sozialdienst der Vollzugsabteilung 2 gewandt und angegeben, er werde von den Mitgefangenen M, G und D bedroht. Diese hätten dann in den folgenden Anhörungen den Vorwurf bestritten. Vielmehr habe der Gefangene A eine Bedrohung oder einen Angriff auf seine Person provozieren wollen um eine Verlegung in sein Heimatland zu erzwingen.
Weitere Recherchen und Zeugenvernehmungen hätten den Vorwurf nicht bestätigen, aber auch nicht ausräumen können.
Der Antragsteller habe sich als einziger der in Rede stehenden Gefangenen im Arbeitseinsatz befunden. Er sei vom 05.12.2012 als Ausspeiser und in der Folge als Hausreiniger eingesetzt. Nach der Erhebung des Vorwurfs sei er bis zur Klärung zunächst von der Ausübung seiner Tätigkeit gesperrt gewesen. Die ihm zugeteilte Tätigkeit stelle eine Vertrauensposition dar. Oftmals arbeite er unbeaufsichtigt und habe vielfältige Möglichkeiten zur unkontrollierten Kontaktaufnahme mit anderen Gefangenen. Da letztlich Aussage gegen Aussage gestanden habe, reiche die Verdachtslage aus den Antragsteller von seiner Tätigkeit abzulösen. Diese Ablösung sei dann am 10.09.2013 erfolgt, nachdem eine abschließende Bewertung des Vorgangs erfolgt gewesen sei. Eine Weiterbeschäftigung in einer solchen Vertrauensposition erscheine im Rahmen des zur Verfügung stehenden Ermessens nicht mehr vertretbar. Eine Disziplinierung des Antragstellers sei nicht erfolgt.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe sei deshalb zurückzuweisen, weil die beabsichtigte Rechts-verfolgung nach alledem keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.
Mit Schreiben vom 14.01.2014 macht der Antragsteller geltend, dass der Gefangene Maden Antragsteller wiederholt beleidigt habe und gegen ihn aggressiv geworden sei was von dem Bediensteten Kam bezeugt werden könne.
Es sei zu vermuten, dass der Gefangene A eine Bedrohungssituation inszenieren wolle um seine Verlegung zu erreichen.
Des Weiteren liege keine "Aussage-gegen-Aussage-Situation" vor, da zwei weitere Mitgefangene unabhängig voneinander die Version des Gefangenen AM bestritten hätten. Auch seien neutrale Zeugen wie der Beamte, der über das höchst aggressive Verhalten des Mitgefangenen A. hätte berichten können nicht gehört worden.
Es bestehe zudem jedenfalls keine erhebliche Verdachtslage und die Interessenabwägung sei rechtswidrig.
Hierauf hat die Antragsgegnerin u. a. mit Schreiben vom 25.02.2014 ausgeführt, dass das allgemeine Arbeitsrecht bei der Beschäftigung der Gefangenen im Strafvollzug keine Anwendung finde.
Bezüglich der Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Schriftsätze des Antragstellers vom 29.10.2013 und vom 14.01.2014 sowie diejenigen der Antragsgegnerin vom 04.12.2013 nebst und vom 25.02.2014 Anlage verwiesen.
II. Der Antrag zu 2. ist begründet.
Der Ausschluss eines Gefangenen von einer zugewiesenen Arbeit gegen dessen Willen ("Ablösung") ist als Widerruf eines begünstigten Verwaltungsakts aufzufassen, wobei in diesem Rahmen nicht nur eine personenbedingte Ungeeignetheit des Gefangen und betriebsbedingte Gründe wie Arbeitsmangel zu berücksichtigen sind, sondern auch verhaltensbedingte Gründe wie z. B. Arbeitsverweigerung, nachhaltige Störung des Betriebsfriedens oder sicherheitsgefährdendes Verhalten, die die Eignung des Gefangenen für die Arbeit aufheben oder so beeinträchtigen, dass andere Gefangene als besser geeignet anzusehen sind. Bei in diesem Ausmaß gravierendem Fehlverhalten des Gefangenen steht dem Anstaltsleiter ein Ermessen zu, ob er zu einer Disziplinarmaßnahme, zur Ablösung oder gar beidem greift.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Antragsgegnerin zu Unrecht die Ablösung des Antragstellers als Ausspeiser bzw. Hausreiniger veranlasst.
Die Antragsgegnerin hat zu Unrecht die von ihr ermittelte Verdachtslage als ausreichend für die erfolgte Ablösung von der Arbeit gehalten.
Besteht nur der Verdacht einer Verfehlung, so muss er seiner Intensität nach ebenso gravierend wie in jenen Fällen sein, in denen die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung ihn als Kündigungsgrund genügen lässt (OLG Frankfurt, NStZ-RR 2005, 158; Feest-Lesting, StVollzG, 6. Auflage, § 37 Rdnr. 17).
Grundsätzlich kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber dem verdächtigen Arbeitnehmer sein. Eine Verdachtskündigung liegt dann vor, wenn und sobald der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört (ständige Rsp. des BAG; vgl. nur BAG vorn 26.09.2002 2 SZR 424/02 = AP Nr. 37 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; BAG vom 05.04.2011 2 AZR 217/00 = AP Nr. 34 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; BAG vorn 20.08.1997 2 AZR 620/96 = AP Nr. 27 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; BAG vom 14.09.1994 2 AZR 164/94AP Nr. 24 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung). Der Verdacht einer strafbaren Handlung stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Bei der Verdachtskündigung sind objektive Tatsachen, die für den Verlust des zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendigen Vertrauens ursächlich sind, der Kündigungsgrund. § 626 Abs. 1 BGB lässt im Fall des Verdachts einer Straftat eine außerordentliche Kündigung dann zu, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen; wenn die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geforderte Vertrauen zu zerstören und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat, insbesondere dein Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (vgl. BAG AP Nr. 23, 24 und 25 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung). Der Verdacht muss objektiv durch bestimmte, im Zeitpunkt der Kündigung vorliegende (Indiz-)Tatsachen begründet sein. Der Verdacht muss sich aus Umständen ergeben, die so beschaffen sind, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können. Er muss darüber hinaus schwerwiegend sein. Es ist zu prüfen, ob eine große Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der gekündigte Arbeitnehmer eine Straftat begangen hat (LAG Schleswig-Holstein vom 25.02.2004 3 Sa 491/03; KR-Fischermeier, Gemeinschaftskommentar zum KSchG, 6. Auflage, Rdnr. 212 und 214 zu § 626 BGB; KR-Etzel, Rdnr. 508 zu § 1 KSchG, jeweils m. w. N.).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund war die Ablösung des Antragstellers unwirksam.
Die von der Antragsgegnerin vorgetragenen Umstände begründen nicht den hinreichend dringenden Tatverdacht bzw. eine hinreichend große Wahrscheinlichkeit dafür, dass von dem Antragsteller tatsächlich eine Drohung ausgegangen ist zumal eine Substantiierung des Vorwurfs nicht vorgenommen worden ist.
Die bloße Behauptung eines Mitgefangenen die im Übrigen von zwei weiteren Gefangenen bestritten wird kann ohne das Hinzutreten weiterer Umstände (z. B. neutrale Zeugen, Motivlage, objektive Beweisindizien) nicht genügend, eine dringende Verdachtslage zu begründen. Ansonsten wäre es jedem Gefangenen möglich durch die bloße Behauptung einer Verfehlung eine Schlechterstellung eines Mitgefangenen zu erreichen.
Die Antragsgegnerin hat deshalb auch zu Recht eine Disziplinierung des Antragstellers nicht vorgenommen.
Gegen die Ablösung von der Arbeit steht dem Antragsteller grundsätzlich ein Verpflichtungsantrag auf Weiterbeschäftigung am bisherigen Arbeitsplatz zu. Allerdings kann die Wiederbesetzung des Arbeitsplatzes im Widerspruch zum geltenden Recht stehen, da ein eventuell nunmehr dort tätiger Gefangener unschwer abgelöst werden kann. In diesem Fall sollte eine Weiterbeschäftigung an einem vergleichbaren Arbeitsplatz erfolgen.
Trotz Ankündigung hat der Antragsteller die Formulare zur Prozesskostenhilfe (Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers) nicht eingereicht.
Prozesskostenhilfe konnte deshalb nicht bewilligt werden.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 65 GKG, wobei bei der Festsetzung insbesondere auch Berücksichtigung gefunden hat, dass ein kostengünstiger Zugang zum Gericht eröffnet werden soll.
Gegen diese Entscheidung ist die Rechtsbeschwerde statthaft. Sie ist einzulegen binnen eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses, entweder mit einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder vom Antragsteller persönlich zur Niederschrift der Geschäftsstelle, zu deren Zweck der Antragsteller sich vorführen lassen kann.
In dieser Frist ist auch die Erklärung abzugeben, inwieweit die Entscheidung angefochten und ihre Aufhebung beantragt wird.
Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht.
Saarbrücken, den 18.03.2013 Landgericht Strafvollstreckungskammer IV
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