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Entscheidungen

Haftfragen

Untersuchungshaft, Wiederholungsgefahr, erhebliche Straftat

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Bremen, Beschl. v. 27.07.2012 - 41 Qs 275/12

Leitsatz: Als Anlasstaten nach § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO können, da die genannten Katalogtaten von generell schwerwiegender Natur sind, nur Taten überdurchschnittlichen Schweregrades und Unrechtsgehaltes bzw. solche, die mindestens in der oberen Hälfte der mittelschweren Straftaten liegen in Betracht kommen.


Landgericht Bremen
Strafkammer 41 Jugendkammer I
Beschluss
41 Qs 275/12 (350 Js 9657/12)
27.07.2012
In der Strafsache
gegen
z.Zt. JVA Bremen-Oslebshausen - Untersuchungshaft -, Sonnemannstraße 2, 28239 Bremen,
Staatsangehörigkeit:
Verteidiger: RA Burgsmüller, Grasshoffstr. 7 / KAP, 27570 Bremerhaven wegen schweren Bandendiebstahls
hat das Landgericht Bremen — Strafkammer 41 Jugendkammer I — auf die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Haftbefehl des Amtsgerichts Bremen vom 31.05.2012 (Geschäfts-nummer: 101 Gs 83/12) nach Anhörung der Staatsanwaltschaft beschlossen:
Der Haftbefehl wird aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit notwendigen Auslagen des Beschuldigten fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Bremen vom 16.05.2012 hat das Amtsgericht Bremen — Jugendgericht — am 31.05.2012 gegen den Beschuldigten Haftbefehl erlassen. Zur Begründung hat das Amtsgericht angeführt, der Beschuldigte sei der Beteiligung an einem Einbruch in Büroräume in der in Bremerhaven am 06.04.2012 gegen 22.00 Uhr, an einem Einbruch in den Kiosk in der in Bremerhaven am 06.04.2012 und an einem Einbruch in eine Garage in der in Bremerhaven am 05.05.2012 gegen 21.19 Uhr dringend tatverdächtig. Der dringende Tatverdacht ergebe sich aus den bisherigen polizeilichen Ermittlungen, insbesondere bezüglich der Taten vom 06.04.2012 aus den Daten der GPS-Überwachung des vom Beschuldigten geführten Fahrzeuges sowie aus der Telekommunikationsüberwachung
der Mobiltelefone der weiteren Beschuldigten . Bezüglich der Tat vom 05.05.2012 ergebe sich der dringende Tatverdacht aus der Telekommunikationsüberwachung der Mobiltelefone der weiteren Beschuldigten. Diese als schwere Bandendiebstähle zu qualifizierenden Taten beeinträchtigten die Rechtsordnung schwer und es sei wegen der Vorverurteilung des Beschuldigten wegen einschlägiger Taten und der engen zeitlichen Abfolge der ihm vorgeworfenen Taten mit weiteren Taten vor einer Verurteilung zu rechnen.

Gegen diesen Beschluss hat der Beschuldigte mit Schriftsatz vom 11.07.2012 Beschwerde eingelegt. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens hat die Staatsanwaltschaft am 19.07.2012 beantragt, den Haftbefehl auf weitere durch Angabe der Fallakten bezeichnete Taten zu stützen.

II.
1) Der auf den Haftgrund der Wiederholungsgefahr gemäß § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO gestützte Haftbefehl war aufzuheben. Soweit der Beschuldigte der im Haftbefehl genannten Taten überhaupt dringend verdächtig ist, handelt es sich nicht um Taten, die die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigen.
a) Der Beschuldigte ist der unter Nummer 1) des Haftbefehls genannten Tat nicht dringend verdächtig. Der Verdacht einer Beteiligung des Beschuldigten an dem Einbruch in die Büroräume der - in der in Bremerhaven am 06.04.2012 gegen 22.00 Uhr beruht darauf, dass der in einem Telefonat zur Tatzeit sich über die aktuelle Tatausführung mit einem Gesprächspartner austauscht, der laut Polizeivermerk vom 12.04.2012 (BI. 186 Band I der HA) nach Stimmbild als der Beschuldigte identifiziert wurde. Weitere Einzelheiten zur Identifizierung werden in dem von der Staatsanwaltschaft in ihrem Haftantrag in Bezug genommenen Vermerk nicht mitgeteilt. Da auch sonst nicht ersichtlich ist, wer die Identifizierung vorgenommen hat, aufgrund welcher Umstände diese Person die Stimme des Beschuldigten kennt und anhand welcher Merkmale die Identifizierung erfolgte, kann nicht beurteilt werden, ob die Identifizierung der Stimme mit einer für die Verurteilung ausreichenden Sicherheit erfolgte. Eine große Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung des Beschuldigten wegen dieser Tat kann die Kammer daher nicht feststellen.

Die von einem Hinweisgeber gegenüber der Polizei in _. geäußerte Befürchtung, der Beschuldigte könne Teil einer Bande um den Beschuldigten sein, wird nicht durch Tatsachen untermauert und ist daher ebenfalls nicht geeignet einen dringenden Verdacht der Beteiligung des Beschuldigten an den konkreten im Haftbefehl genannten Taten zu begründen.

Die Angaben einer Vertrauensperson der Polizei zu einer Beteiligung des Beschuldigten an einer anderen Diebstahlstat gemeinsam mit weiteren Beschuldigten der im Haftbefehl genannten Taten bilden zwar ein gewisses Indiz für eine Begehung weiterer gemeinsamer Taten, stellen aber keinen konkreten Hinweis auf eine Beteiligung des Beschuldigten an den im Haftantrag genannten Taten dar.

b) Ein dringender Tatverdacht der Beteiligung des Beschuldigten an dem Einbruch in den Kiosk des Geschädigten in Bremerhaven am 06.04.2012
besteht nicht. Soweit der Beschuldigte als der Gesprächspartner des tatverdächtigen in dem Gespräch vom 06.04.2012 um 22:48 Uhr identifiziert wurde, sind auch hier die Umstände der Identifizierung in dem von der Staatsanwaltschaft in Bezug genommenen Vermerk nicht näher dargelegt. Soweit der in einem Gespräch am 06.04.2012 um 00:03 Uhr erwähnt, er sei mit dem " und weiteren Jungs unterwegs, ergibt sich daraus allein kein Verdacht einer Beteiligung des Beschuldigten an der Tat. Denn der gibt weiter an, er wolle die Jungs in Grünhöfe absetzen und dann zu seinem Gesprächspartner kommen. Die Tat wurde ausweislich der Aufzeichnungen der Kamera in dem Tatobjekt erst gegen 2:00 Uhr begangen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beschuldigte entgegen der Angabe des - in dem Gespräch bis 2:00 Uhr weiter in dessen Begleitung war. Dies ergibt sich auch nicht allein daraus, dass der sich um 4.53 Uhr in der Nähe der Wohnanschrift des Beschuldigten aufgehalten hat.

c) Die am 05.05.2012 ab 21.19 Uhr in der in Bremerhaven begangene Tat zu Lasten des Geschädigter pp, derer der Beschuldigte dringend tatverdächtig ist, ist keine die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Tat gemäß § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO. Da die Katalogtaten nach § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO von generell schwerwiegender Natur sind, können nur Taten überdurchschnittlichen Schweregrades und Unrechtsgehaltes bzw. solche, die mindestens in der oberen Hälfte der mittelschweren Straftaten liegen, als Anlasstaten in Betracht kommen (OLG Jena StV 2009, 251). Maßgeblich für die Beurteilung sind insbesondere Art und Umfang des jeweiligen angerichteten Schadens (BVerfG, NJW 1973, 1363). Dabei ist jede der wiederholt begangenen Taten separat zu betrachten (OLG Hamm StV 2011, 291 m.w.N.). Ein Schaden von bis zu 1.000,- wird dabei noch nicht als überdurchschnittlich schwer eingestuft (OLG Jena StV 2009, 251; OLG Hamm StV 2011, 291; OLG Frankfurt StV 2010, 583). Bei der Tat wurde keine Beute erlangt, der durch die Sachbeschädigungen eingetretene Schaden erreicht 1.000,- realistischerweise nicht. Mangels überdurchschnittlichen Schadens ist eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechtsordnung nicht gegeben. Daran ändert sich auch nicht dadurch etwas, dass die Tat von einer Bande begangen wurde, die in Verdacht steht, in und um Bremerhaven vergleichbare Taten begangen zu haben.

2) Der Haftbefehl ist auch nicht wegen der im Antrag der Staatsanwaltschaft an das Beschwerdegericht vom 19.07.2012 genannten Taten aufrecht zu erhalten. Die Staatsanwaltschaft hat zur Konkretisierung der Taten und des dringenden Verdachts der Beteiligung des Beschuldigten auf die von ihr bezeichneten Fallakten verwiesen. Soweit sich aus diesen Akten überhaupt ein dringender Verdacht der Beteiligung des Beschuldigten an den Taten ergibt, fehlt es ebenfalls an einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechtsordnung gemäß § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO.
Ein dringender Tatverdacht lässt sich aus den Fallakten für die Einbrüche vom 12.05.2012 zu lasten der Pizzeria „ in Oldenburg und des Imbiss in Brake sowie für den Einbruch vom 04.06.2012 zu Lasten der Bäckerei in Wiesmoor ermitteln. Diese Taten sind aber auch unter Berücksichtigung der eingetretenen Sachbeschädigungen jeweils nicht mit Schäden von mehr als 1.000,- € verbunden und sind auch aufgrund der übrigen bekannten Tatumstände nicht als schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechtsordnung gemäß § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO einzuordnen. Soweit ein dringender Verdacht des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln am 30.03.2012 in der Diskothek Kühlhaus besteht, beeinträchtigt die nur in groben Zügen ermittelte Tat ebenfalls die Rechtsordnung nicht schwerwiegend.

3) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465, 467 StPO.

Das Landgericht Bremen - Strafkammer 41 Jugendkammer I —

Einsender: RA F. Burgsmöller, Bremerhaven

Anmerkung:


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