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Entscheidungen

StPO

Durchsuchung, Insolvenzverwalter, Verhältnismäßigkeit, Herausgabeverlangen

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Dresden, Beschl. v. 27.11.2013 - 5 Qs 113 u. 123/13

Leitsatz: Allein der Wunsch nach einem zeitgleichen Vorgehen gegen alle (vermeintlichen) Gewahrsamsinhaber von Beweismitteln rechtfertigt es wegen des bei einer Durchsuchung betroffenen Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 GG nicht, ohne vorheriges Herausgabeverlangen nach § 95 StPO die Durchsuchung der Geschäftsräume eine betroffenen Insolvenzverwalters anzuordnen.


Landgericht Dresden
Strafabteilung
Aktenzeichen: 5 Qs 113/13 und 5 Qs 123/13
BESCHLUSS
In dem Ermittlungsverfahren
gegen pp.
wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt
ergeht am 27. November 2013 durch das Landgericht Dresden - 5. Große Strafkammer als Beschwerdekammer - nachfolgende Entscheidung:
1. Auf die Beschwerden der Beschwerdeführer wird festgestellt, dass die Anordnung der Durchsuchung der Geschäftsräume des Beschwerdeführers zu 1 mit Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 24. Juli 2013 (Az. 272 Gs 2793/13), in Gestalt des Beschlusses vom 12. September 2013, rechtswidrig war.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführer trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Das Hauptzollamt Dresden führt ein Strafverfahren gegen den Beschuldigten als alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer der X., die ein Unternehmen des Baugewerbes ist, wegen des Verdachts der Lohnsteuerhinterziehung, des Betruges hinsichtlich Sozialkassenbeiträgen und des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt. Mit Hilfe von manipulierten Eingangsrechnungen u. a. von der ... soll der Beschuldigte jedenfalls seit dem 1. Januar 2010 in Rechnung gestellte Bauleistungen verschiedener Bauvorhaben als steuerlich erklärte Fremdleistungen geltend gemacht und so die Zahlung von Schwarzlohn an die bei der X. beschäftigten und nicht bzw. nicht richtig zur Sozialversicherung und beim Finanzamt gemeldeten Arbeitnehmer buchhalterisch abgedeckt haben.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Dresden erließ das Amtsgericht Dresden am 24. Juli 2013 wegen des Verdachts der vorgenannten Straftaten - jeweils in einer noch nicht bestimmten Anzahl von Fällen - mehrere Durchsuchungsbeschlüsse, u. a. zur Durchsuchung der Geschäftsräume mit Nebenräumen und der Fahrzeuge des Beschwerdeführers zu 1 als Insolvenzverwalter über das Vermögen der X. (Az. 272 Gs 2793/13, ergänzt durch den Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 12. September 2013) nach Geschäftsunterlagen mit Bezug zur X. Der Beschwerdeführer zu 1 ist Gesellschafter der Beschwerdeführerin zu 2, einer aus Rechtsanwälten bestehenden Sozietät.

In Umsetzung des Durchsuchungsbeschlusses suchten am 9. Oktober 2013 drei Mitarbeiter des Hauptzollamtes Dresden die Kanzleiräume der Beschwerdeführerin zu 2 auf, in denen auch der Beschwerdeführer zu 1 tätig ist. Da der Beschwerdeführer zu 1 nicht anwesend war, legten die Beamten des Hauptzollamtes den Durchsuchungsbeschluss Mitarbeitern der Beschwerdeführerin zu 2 vor, die - da andere Unterlagen nicht vorhanden seien - (lediglich) eine Kopie des Insolvenzgutachtens über die X.. übergaben. Die Beamten des Hauptzollamtes Dresden verließen nach wenigen Minuten die Kanzleiräume der Beschwerdeführer. Mittels des selben anwaltlichen Schriftsatzes vom 9. Oktober 2013 erhoben die Beschwerdeführer gegen den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Dresden Beschwerde, weil die Durchsuchungsanordnung unverhältnismäßig sei. Nach Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Dresden vom 16. Oktober 2013 half das Amtsgericht Dresden der Beschwerde mit Beschluss vom 17. Oktober 2013 nicht ab.

II.
Die statthaften und auch im Übrigen zulässigen Beschwerden sind begründet, weil die Durchsuchungsanordnung vom 24. Juli 2013 gegen das Übermaßverbot verstößt.

1. Der Beschuldigte ist nach den bisherigen Ermittlungen der ihm vorgeworfenen Straftaten verdächtig.

2. a) Die Anordnung der Durchsuchung in den Geschäftsräumen eines - unverdächtigen - Insolvenzverwalters ist grundsätzlich zulässig, weil nach § 103 StPO auch bei einem Unverdächtigen die Durchsuchung angeordnet werden kann, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen zu vermuten ist, dass bestimmte, als Beweismittel dienende Gegenstände sich in dessen Räumen befinden, wovon das Amtsgericht Dresden zutreffend im angegriffenen Beschluss ausgegangen ist.

b) Die Durchsuchung ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil der Beschwerdeführer zu 1 als Rechtsanwalt Angehöriger einer besonders schutzwürdigen Berufsgruppe ist (vgl. §§ 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 97 Abs. 1, 160 a Abs. 2 StPO). Denn § 53 Abs. 1 StPO schützt ein besonderes, vom Hilfe und Sachkunde Suchenden zum Berufsgeheimnisträger freiwillig begründetes Vertrauensverhältnis, während dem Insolvenzverwalter durch das Insolvenzgericht durch hoheitlichen Akt das Amt des (vorläufigen) Insolvenzverwalters verliehen wird (LG Saarbrücken, Beschluss vom 2. Februar 2010, 2 Qs 1/10, zitiert nach juris, m. w. N.). Die angeordnete Durchsuchung zielte daher nicht auf das Auffinden von beschlagnahmefreien Gegenständen (§§ 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 97 Abs. 1 StPO, LG Ulm, Beschluss vom 15. Januar 2007, NJW 2007, 2056, 2057) ab, was rechtswidrig wäre (Meyer-Goßner, StPO, 54 Auflage, § 103 Rn. 7).

c) Allerdings verletzt der angegriffene Beschluss den bei Durchsuchungen stets zu beachtenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Beschwerdeführer zu 1 hätte nach § 95 StPO zur Herausgabe der gesuchten Unterlagen aufgefordert werden können.
Die Durchsuchung muss im Hinblick auf den bei der Anordnung verfolgten gesetzlichen Zweck nicht nur erfolgversprechend, sondern zur Ermittlung und Verfolgung der vorgeworfenen Tat auch erforderlich sein; das ist nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen. Schließlich muss der jeweilige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Tat und der Stärke des Tatverdachts stehen (BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 2011, 2 BvR 1011/10, zitiert nach juris). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet in jedem Verfahrensstadium das jeweils mildeste Mittel anzuwenden. Kann ein Ermittlungserfolg auf unterschiedliche Art und Weise erreicht werden, so muss dasjenige Mittel gewählt werden, welches den Betroffenen unter den Umständen des Einzelfalles bestmöglich schont.

Vorliegend wäre ein auf § 95 StPO gestütztes Herausgabeverlangen ausreichend und gleich erfolgversprechend gewesen. Ein Vorgehen der Ermittlungsbehörden nach § 95 StPO bietet sich immer dann als strafprozessuales Instrument an, wenn anzunehmen ist, dass der Herausgabepflichtige die gesuchten Beweisgegenstände freiwillig herausgibt und weder das Gebot der Verfahrensbeschleunigung entgegensteht noch ein das Ermittlungsverfahren bedrohender Verlust der begehrten Sache oder gar Verdunkelungsmaßnahmen zu besorgen sind (LG Saarbrücken, Beschluss vom 2. Februar 2010, 2 Qs 1/10, zitiert nach juris, m. w. N.).

Ein Insolvenzverwalter - wie der Beschwerdeführer zu 1 - als geschäftskundige, unabhängige Rechtsperson (§ 56 Abs. 1 InsO), die Amtspflichten trifft, ist verpflichtet, mit den Ermittlungsbehörden zu kooperieren. Es waren vorliegend weder ein Verlust der gesuchten Unterlagen noch Verdunkelungsmaßnahmen von Seiten des Beschwerdeführers zu 1 zu befürchten. Allein der Wunsch nach einem zeitgleichen Vorgehen gegen alle (vermeintlichen) Gewahrsamsinhaber von Beweismitteln rechtfertigt es wegen des bei einer Durchsuchung betroffenen Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 GG nicht, ohne vorheriges Herausgabeverlangen nach § 95 StPO die Durchsuchung der Geschäftsräume des betroffenen Insolvenzverwalters anzuordnen. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer zu 1 im Fall eines Herausgabeverlangens den Insolvenzschuldner hierüber - ggfs. entgegen einer ausdrücklichen Aufforderung der Ermittlungsbehörde - informiert hätte oder gar Unterlagen zurückgehalten hätte, liegen nicht vor. Ersterem hätte zudem mit einem Zuwarten bis nach Durchführung der sonstigen Maßnahmen begegnet werden können. Dass eine zeitgleiche Beschaffung aller Unterlagen relevante ermittlungstaktische Vorteile versprach, ist in Bezug auf den Beschwerdeführer zu 1 nicht dargetan. Angesichts der Dauer des Ermittlungsverfahrens hätte selbst ein erfolgloses Herausgabeverlangen zu keiner Verzögerung des Verfahrens geführt.

III.
Die Entscheidung über die Kosten und über die notwendigen Auslagen der Beschwerdeführer beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 467 Abs. 1 StPO.

Einsender: entnommen Beck-online

Anmerkung:


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