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Entscheidungen

StPO

Zustellung, Wohnheim, Asylant

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 29.10.2013 – 2 Ws 481/13

Leitsatz: Die zulässige Ersatzzustellung an einen zum Empfang ermächtigten Vertreter eines Wohnheims für Asylbewerber hat zur Folge, dass die Entscheidung dem Adressaten am Tag der Ersatzzustellung wirksam zugegangen ist, auch wenn er von dem Schriftstück nicht oder erst später Kenntnis erlangt.
2. Eine Wiedereinsetzung kommt nur in Betracht, wenn die Aushändigung des zugestellten Schriftstücks aus nicht vom Adressaten zu vertretenden Gründen nach Ablauf der Rechtsmittelfrist oder so spät erfolgt ist, dass die Wahrung der (verkürzten) Frist nicht mehr möglich war.


KAMMERGERICHT
Beschluss
Geschäftsnummer:
2 Ws 481/13141 AR 526/13

In der Strafsache
gegen pp.
wegen Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

hat der 2. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 29. Oktober 2013 beschlossen:

Der Antrag des Verurteilten auf Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom
16. August 2013 wird als unzulässig verworfen.

Die sofortige Beschwerde gegen den genannten Beschluss wird als
unzulässig verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.


G r ü n d e :

Das Landgericht Berlin hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 16. August 2013 die dem Verurteilten durch Urteil der Kammer vom 16. Mai 2011 gewährte Strafaus-setzung zur Bewährung widerrufen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Verurteilten und sein zugleich gestellter Antrag auf Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist haben keinen Erfolg.

1. Die nach § 453 Abs. 2 Satz 3 StPO statthafte sofortige Beschwerde ist verspätet eingelegt worden und daher unzulässig.

Der angefochtene Beschluss ist dem in einem Heim für Asylbewerber wohnenden Beschwerdeführer ausweislich der Zustellungsurkunde vom 5. September 2013 an diesem Tag durch Übergabe an einen zum Empfang ermächtigten Vertreter des Wohnheims zugestellt worden (§ 37 Abs. 1 StPO, §§ 166, 176, 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zustellung an einen Vertreter lagen vor, da der Zusteller den Verurteilten ausweislich des hierüber aufgenommenen Vermerks in der Gemeinschaftseinrichtung nicht erreicht hatte (dazu vgl. OLG Nürn-berg NStZ-RR 2010, 286; VGH Baden-Württemberg Justiz 2006, 411; Maul in Karls-ruher Kommentar, StPO 7. Aufl., § 37 Rdn. 15; Meyer-Goßner, StPO 56. Aufl., § 37 Rdn. 13a). Die danach zulässige Ersatzzustellung hat zur Folge, dass die Entschei-dung dem Adressaten am Tag der Ersatzzustellung – also mit der Übergabe an die empfangsberechtigte Person – wirksam zugegangen ist, auch wenn er von dem Schriftstück nicht oder – wie hier – erst zu einem späteren Zeitpunkt Kenntnis erlangt (vgl. BGHSt 27, 85; OLG Stuttgart JurBüro 2012, 380; OVG NRW, Beschluss vom 19. Dezember 2007 – 18 B 1899/07 – juris; VG Osnabrück, Urteil vom 21. Oktober 2009 – 5 B 101/09 – juris; VG Ansbach, Urteil vom 3. März 2011 – AN 11 K 10.30479 – juris Rdn. 18; Maul a.a.O., § 37 Rdn. 11; Meyer-Goßner, § 37 StPO Rdn. 17).

Die Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO wurde daher mit der Bekanntmachung des Beschlusses (§ 35 Abs. 2 Satz 1 StPO) am 5. September 2013 in Lauf gesetzt (vgl. Meyer-Goßner a.a.O.) und endete mit Ablauf des 12. September 2013 (§ 43 Abs. 1 StPO). Die Beschwerdeschrift ist jedoch erst am 13. September 2013 und damit ver-
spätet bei dem Landgericht Berlin eingegangen.

2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unzulässig. Zu den Zu-lässigkeitsvoraussetzungen eines Wiedereinsetzungsantrags nach §§ 44 ff. StPO gehört, dass der Antragsteller einen Sachverhalt darlegt, der ein der Wiedereinset-zung entgegenstehendes (eigenes) Verschulden an der Fristversäumung ausschließt (dazu vgl. OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996, 169; OLG Karlsruhe NStZ-RR 1997, 157; KG NZV 2002, 47, 48; 2002, 51; Senat, Beschluss vom 21. Februar 2012 – (2) 121 Ss 20/12 (5/12) –), und die Tatsachen zur Antragsbegründung glaubhaft gemacht (§ 45 Abs. 2 Satz 1 StPO). An dem danach erforderlichen Tatsachenvortrag fehlt es hier.

Soweit der Antragsteller vorträgt, dass ihm der angefochtene Beschluss erst am 6. September 2013 ausgehändigt worden sei und er daher erst zu diesem Zeitpunkt hiervon Kenntnis erlangt habe, liegt hierin kein Wiedereinsetzungsgrund. Ein solcher wäre nur dann gegeben, wenn die Aushändigung des zugestellten Schriftstücks aus nicht vom Adressaten zu vertretenden Gründen nach Ablauf der Rechtsmittelfrist
oder so spät erfolgt wäre, dass die Wahrung der (verkürzten) Frist nicht mehr mög-lich gewesen wäre (vgl. OLG Stuttgart JurBüro 2012, 380), wenn also die verspätete Weiterleitung allein ursächlich für die Säumnis wäre (vgl. VG Osnabrück, Urteil vom 21. Oktober 2009 – 5 B 101/09 – juris). Dies ist hier erkennbar nicht der Fall, da die einwöchige Beschwerdefrist gerade erst einen Tag vor der Übergabe des Schrift-stücks in Lauf gesetzt worden war. Dass die Einlegung des Rechtsmittels innerhalb der verbleibenden sechs Tage nicht möglich gewesen wäre, trägt der Verurteilte selbst nicht vor. Daher kann auch dahinstehen, aus welchen Gründen ihm das Schriftstück erst am Tag nach der Zustellung ausgehändigt wurde, insbesondere ob diese außerhalb seines Verantwortungsbereichs liegen.

Auch aus dem weiteren Tatsachenvortrag ergibt sich nicht, dass der Verurteilte ohne eigenes Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war. Der beigefügten ei-desstattlichen Versicherung, deren Inhalt der Antragsteller in seinem Wiedereinset-zungsgesuch durch „vollinhaltliche" Bezugnahme in zulässiger Weise zum Bestand-teil seines Tatsachenvortrags gemacht hat (dazu vgl. OLG Düsseldorf OLGSt StPO § 44 Nr. 31), ist lediglich zu entnehmen, dass der Zeuge N. den Beschluss nach sei-ner Aushändigung am 6. September 2013 für den Verurteilten übersetzte und diesem mitteilte, dass er nunmehr – ab Empfang des Schriftstücks – noch eine Woche Zeit habe, „sich an einen Rechtsanwalt zu wenden". Der weitere Geschehensablauf bleibt offen. Soweit die Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs nahe legt, dass der Verurteilte sich auf die ihm erteilte – unrichtige – Auskunft verließ, auch in den Folgetagen keine zutreffende Kenntnis von der Rechtslage erlangte und unter zulässiger Ausschöpfung der Rechtsmittelfrist tatsächlich erst am 13. September 2013 – dem letzten Tag der vermeintlich ab dem 6. September 2013 laufenden Wochenfrist – seine Verteidigerin aufsuchte, die sodann unverzüglich die sofortige Beschwerde einlegte, folgt hieraus nicht, dass ihn an der Säumnis kein Verschulden trifft. Denn es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass und aus welchen Gründen sich der Beschwerdeführer auf die Rechtsauskunft des Zeugen verlassen durfte. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem Zeugen um eine dem Justizbereich im weiteren Sinne zuzuordnende Person handelte (dazu vgl. BGH bei Kusch NStZ 1993, 27 [Justizvollzugsbeamter]; OLG Zweibrücken NStZ-RR 2000, 111 [Geschäftsstellenbeamter]; BayObLGSt NStZ-RR 2003, 85 [Verteidiger]; Meyer-Goßner, § 44 StPO Rdn. 17).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Einsender: RiKG Klaus-Peter Hanschke, Berlin

Anmerkung:


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