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Gericht / Entscheidungsdatum: LG Saarbrücken, Beschl. v. 27.05.2013 - 6 Qs 61/13
Leitsatz: Die (frühzeitige) Belehrung des Fahrzeughalters hat immer schon dann zu erfolgen, wenn zumindest der Verdacht einer Ordnungswidrigkeit in Betracht kommt.
In dem Ermittlungsverfahren gegen pp. wegen vorläufiger Entziehung der Fahrerlaubnis wird auf die Beschwerde des Betroffenen der angegriffene Beschluss des Amtsgerichts - Ermittlungsrichter - Saarbrücken vom 24.04.2013 aufgehoben. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Beschuldigten werden der Landeskasse auferlegt. Gründe: 1. Dem Beschuldigten wird seitens der Staatsanwaltschaft Saarbrücken zur Last gelegt, er habe im Zustand alkoholbedingter absoluter Fahruntüchtigkeit ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt, indem er am 05.04.2013 gegen 5.45 Uhr mit dem Pkw VW T5, amtliches Kennzeichen xxxx unter anderem die A.-straße in St. I. befuhr. Der Blutalkoholgehalt wurde mit 1,98 Promille festgestellt. Dieser Sachverhalt beruht auf dem Ermittlungsbericht der Polizeiinspektion St. I., Sachbearbeiter PK L., auf den Bezug genommen wird und dem Blutalkoholgutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes vom 10.04.2013. Mit Antrag vom 22.04.2013 beantragt die Staatsanwaltschaft beim Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Saarbrücken, dem Beschuldigten gem. § 111 a StPO vorläufig die Fahrerlaubnis zu entziehen und den Führerschein zu beschlagnahmen (Bl. 33 d. A.). Die Staatsanwaltschaft vertrat dabei die Auffassung, den ermittelnden Polizeibeamten habe ein Ermessen dahingehend zugestanden, ab wann der Tatverdacht der Trunkenheitsfahrt sich so verdichtet habe, dass eine Belehrung über das Aussageverweigerungsrecht erforderlich war. Die Polizeibeamten hätten ihr Ermessen nicht überschritten, so dass die Aussage des Beschuldigten im Rahmen der informellen Befragung verwertbar sei. Mit Beschluss vom 24.04.2013, Az. 7 Gs 2397/13 entsprach der Ermittlungsrichter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, ohne auf die Frage der Verwertbarkeit der Angaben des Beschuldigten einzugehen. Gegen den Beschluss wendet sich der Beschuldigte mit seiner Beschwerde vom 29.04.2013. Die Beschwerde wurde mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 10.05.2013 begründet. Es wird ausgeführt, dass die Feststellung der Fahrereigenschaft des Beschuldigten durch die ermittelnden Polizeibeamten im Wege einer informellen Befragung des Beschuldigten erfolgte, obwohl beim erstmaligen Antreffen des Beschuldigten in seiner Wohnung bereits ein Anfangsverdacht einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit bestanden habe. Nach erfolgter Belehrung machte der Beschuldigte keine Angaben mehr. Die Angaben des Beschuldigten in seiner informellen Befragung seien unverwertbar. Der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Saarbrücken half der Beschwerde nicht ab (Beschluss vom 17.05.2013, Bl. 56 d. A.). Die Staatsanwaltschaft wurde gem. § 309 Abs. 1 StPO angehört und beantragte die Verwerfung der Beschwerde, Bl. 55 R d. A. 2. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken vom 24.04.2013, Az. 7 Gs 2397/13 mit dem dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen und sein Führerschein beschlagnahmt wurde, ist nach § 304 Abs. 1, 305 S. 2 StPO zulässig. Nach § 73 Abs. 1 GVG ist die Strafkammer beim Landgericht das zuständige Beschwerdegericht, denn es wird eine Entscheidung des Ermittlungsrichters beim Amtsgericht angegriffen. Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen des § 111 a StPO liegen derzeit nicht vor. Es sind nicht hinreichend dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass der Angeklagten nach § 69 StGB die Fahrerlaubnis entzogen werden wird. Ein dringender Tatverdacht einer Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) und damit einer Anlasstat nach § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB liegen derzeit nicht vor. Beim gegenwärtigen Ermittlungsstand ist nicht davon auszugehen, dass das Gericht im Erkenntnisverfahren dem Beschuldigten mit hoher Wahrscheinlichkeit die Fahrerlaubnis entziehen und den Führerschein einziehen wird. Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand, ist nicht nachzuweisen, dass es der Beschuldigte war, der das Fahrzeug VW, amtliches Kennzeichen xxxx, im fahruntüchtigen Zustand zur Tatzeit im öffentlichen Straßenverkehr nämlich im Bereich der Alleenstraße in St. I. geführt hat. Der Beschuldigte hat dies gegenüber den Polizeibeamten PK L. und PKin Kl.-St. zwar eingeräumt. Diese Angabe ist wegen eines Verstoßes gegen die aus den §§ 136 Abs. 1, 163 a Abs. 4 StPO folgende Belehrungsverpflichtung der Ermittlungspersonen u. a. über das Schweigerecht des Beschuldigten unverwertbar. In der Folge wäre auch eine Vernehmung der Ermittlungsbeamten zu dem Inhalt der gemachten Angaben unverwertbar. Nach § 136 StPO, der über § 163 a Abs. 4 StPO auch für Polizeibeamte im Ermittlungsverfahren gilt, ist einem Beschuldigten bei Beginn der ersten Vernehmung zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird und dass es ihm frei stehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht auszusagen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshof seit dem Beschluss vom 27.02.1992, Az. 5 StR 190/91 = NZV 1992, 242 führt der Verstoß gegen § 136 Abs. 1 ggf. in Verbindung mit § 163 Abs. 4 StPO zu einem Beweisverwertungsverbot. Im Einzelfall ist die Frage der Belehrungsschwelle, also der Situation, in der eine Belehrung spätestens erforderlich wird, nicht immer einfach zu beantworten. Im Zweifel wird einer frühzeitigen Belehrung der Vorzug zu geben sein. Nach einer veröffentlichten Entscheidung des AG Bayreuth (Beschluss vom 17.10.2002, Az. 3 Cs 5 Js 8510/02 - NZV 2003, 202) ist bei der Suche nach einem zuvor unbekannten Fahrer, dem ein Delikt als Führer eines Kraftfahrzeuges zur Last fällt, eine Belehrung des Halters nach § 136 Abs. 1 StPO zwingend, weil aufgrund der Haltereigenschaft die Fahrzeugführereigenschaft nahe liegt und sich daher der Beschuldigtenkreis derart verdichtet, dass der Halter zum Zeitpunkt der Befragung bereits als potentieller Täter in Betracht kommt. Das OLG Zweibrücken führt im Beschluss vom 16.08.2010, Az. 1 SsBs 2/10, aus, dass nicht jeder unbestimmte Tatverdacht bereits die Beschuldigteneigenschaft begründet. Es komme auf die Stärke des Verdachts an, also darauf, ob die Strafverfolgungsbehörde nach pflichtgemäßer Beurteilung von einer ernstlichen Täter- oder Beteiligteneigenschaft des Befragten ausgehen konnten. Vor einer solchen Verdachtsverdichtung sei eine sog. informelle Befragung zulässig und ihre Ergebnisse verwertbar. Zu beachten ist von Grundsatz her, dass eine Belehrungspflicht voraussetzt, dass von einem Anfangsverdacht gegen den Befragten auszugehen ist. Hierbei wird man den Ermittlungspersonen einen gewissen Ermessensspielraum einräumen müssen, wobei dieser vor dem Hintergrund der Bedeutung des Schweigerecht im Strafverfahren, nicht im Lichte ermittlungstaktischer Interessen zu sehen ist. Vorliegend fuhren die Beamten nach einer Meldung durch die bisher nicht vernommene Zeugin N. die per ZEVIS-Halterauskunft ermittelte Anschrift des Halters des Fahrzeugs VW mit dem amtlichen Kennzeichen xxx. an. Dieses Kennzeichen war durch die Zeugin N. durchgegeben worden. Die Zeugin N. hatte auch von Verkehrsverstößen berichtet, u. a. einem Rotlichtverstoß auf Höhe der BMW-Niederlassung in S.-Sch. sowie dem Fahren von Schlangenlinien. Die Polizeibeamten fanden das Fahrzeug an der Halteranschrift mit dem von der Zeugin durchgegebenen Kennzeichen vor. An der Motorhaube und dem Auspuff war keine Wärme feststellbar, wobei die Außentemperatur -1 °C betrug. Nach zweimaligem Klopfen an der Anschrift M.-str. in St. I. öffnete der Beschuldigte und wurde ohne weiteren Hinweis auf den Anlass der Befragung befragt, ob er der Halter des Fahrzeuges VW T5 sei, was er bejahte. Dann wurde er weiter befragt, ob er gerade mit dem Fahrzeug unterwegs gewesen sei. Auch diese Frage bejahte der Beschuldigte. Erst nachdem die Beamten in die Wohnung eingelassen wurden und sodann äußere Hinweise auf eine Alkoholisierung des Beschuldigten wahrnehmen, wurde er gem. § 136 StPO belehrt. In diesem Fall hätte ermessensfehlerfrei eine Belehrung erfolgen müssen, nachdem der Beschuldigte bestätigte, der Halter des Fahrzeugs VW, amtliches Kennzeichen xxxxx., zu sein. Zum Zeitpunkt der Befragung stand für die Beamten aufgrund der ihnen bekannten Schilderungen der Zeugin X. fest, dass zumindest ein Anfangsverdacht einer Ordnungswidrigkeit wegen des in Saarbrücken durch den Fahrer des Fahrzeugs VW T5 begangenen Rotlichtverstoßes vorliegt. Über § 46 Abs. 1 OWiG kommt bereits der § 136 Abs. 1 StPO zur Anwendung. Eine Belehrungspflicht über das Schweigerecht bestand daher bereits bevor die Beamten die Alkoholisierung des Beschuldigten wahrnehmen konnten, denn auch im Ordnungswidrigkeitsverfahren muss sich niemand selbst belasten. Wäre bei dem Anfangsverdacht einer StVO-Ordnungswidrigkeit die Frage danach, ob der in örtlicher und zeitlicher Nähe zum verursachenden Fahrzeug angetroffene Halter das Fahrzeug gefahren hat, ohne Belehrung über das Schweigerecht zulässig, liefe der durch die §§ 46 Abs. 1 OWiG, 136 Abs. 1, 163 Abs. 4 StPO gewollte Schutzzweck leer, denn der Beschuldigte lieferte dann ohne Belehrung regelmäßig den einzigen zu seiner Überführung fehlenden Sachverhaltsbaustein, ohne über seine Rechte belehrt zu sein. Es ist der Ermittlungsakte auch nicht zu entnehmen, dass der Beschuldigte sein Schweigerecht kannte, als er Angaben zu seiner Fahrereigenschaft machte. Hierfür könnten zwar die aus dem Verkehrszentralregister ersichtlichen Eintragungen vom 21.12.2005 und vom 20.12.2006 sprechen. Diese Eintragungen liegen jedoch bereits geraume Zeit zurück. Im Bundeszentralregister ist die Eintragung - Verurteilung wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung - ausweislich des Registerauszuges vom 19.04.2013 bereits gelöscht. Im Zweifel ist dem Beschuldigten die Kenntnis nachzuweisen, was angesichts des bisherigen Ermittlungsergebnisses nicht der Fall ist. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 a StPO.
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