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Entscheidungen

OWi

Fahrverbot, Absehen, verkehrspsychologische Maßnahme, Anhebung, Geldbuße

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Niebüll, Urt. v. 24.07.2013 - 6 OWi 110 Js 7682/13 (23/13)

Leitsatz:


AG Niebüll
6 OWi 110 Js 7682/13 (23/13)

Urteil v. 24. 07. 2013

In pp.

Gegen den Betroffenen wird wegen fahrlässigen Überqueren des Bahnübergangs bei geschlosse-ner Schranke eine Geldbuße von 2.000 € verhängt.

Dem Betroffenen wird gestattet, die Geldbuße in zwei monatlichen Raten von je 1.000,00 €, begin-nend mit dem 3. des auf die Rechtskraft des Urteils folgenden Monats und dann zum 3 des folgen-den Monats zu zahlen. Diese Vergünstigung entfällt sobald eine Rate nicht rechtzeitig gezahlt wird.

Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens.

Angewendete Vorschriften: § 19 Abs. 2 Nr. 3, 49 Abs.. 1 Nr. 19 StVO, § 24 Abs. 1 StVG.

Gründe:

I.
Der Betroffene ist verkehrsrechtlich bisher zweimal in Erscheinung getreten;

Am 03,03.2012 gegen 12,50 Uhr benutzte der Betroffene als Führer eines Kraftfahrzeugs ein Mo-bil- oder Autotelefon, indem er hierfür das Mobiltelefon oder den Hörer des Autotelefons aufnahm oder hielt. Deshalb wurde gegen den Betroffenen unter dem 05.04.2012 eine Geldbuße in Höhe von 40,00 € verhängt

Am 04.03,2012 gegen 12.51 Uhr benutzte der Betroffene als Führer eines Kraftfahrzeugs verbots-widrig ein Mobil- oder Autotelefon, indem er hierfür das Mobiltelefon oder den Hörer des Autotele-fons aufnahm oder hielt. Aus diesem Grund wurde gegen den Betroffenen am15.06.2012 eine Geldbuße in Höhe von 40,00 € verhängt.

Auf weitere Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen wurde im Hinblick auf § 17 Abs. 3 S. 2 OWiG verzichtet.

II.
Am 3110.2012 um 20.25 Uhr überquerte der Betroffene als Führer des Kraftfahrzeugs Pkw 7HC/Multivan mit dem amtlichen Kennzeichen pppp. in Keitum auf Sylt den Bahnübergang K117 ohne rechtfertigenden oder entschuldigenden Anlass trotz geschlossener Schranke.
Hierzu kam es, weil der Betroffene von der Situation, in der er sich zum Tatzeitpunkt befand, emo-tional und psychisch völlig überfordert war. Der Betroffene fuhr unter dem Eindruck des Telefonats mit seiner Tochter völlig „kopflos" auf dem schnellsten Weg nach Hause wo sich seine 12-jährige Tochter mit zwei weiteren Kindern allein befand. Vor Antritt der Fahrt, bei der zu dem oben be-schriebenen Vorfall kam, befand sich der Betroffene mit seiner Ehefrau und Bekannten seit 18.00 Uhr in einem Sylter Restaurant. Die 1 und 4 Jahre alten Kinder des Betroffenen sowie das 14-jährige Enkelkind seiner Bekannten waren in dem Haus des Betroffenen in Wrixum auf Sylt allein. Unmittelbar vor Fahrtantritt erreichte den-Betroffenen ein verzweifelter Telefonanruf seiner 12-jährigen Tochter. Die Tochter des Betroffenen war panisch und schilderte, dass der Nachbar mit einer Halloween-Maske bekleidet um das Haus herumlaufe und an den Türen und Fenstern des Hauses rüttele, die Zunge herausstrecke und Fratzen schneide. Der 4-jährige Sohn des Betroffe-nen und der 14-jährige Sohn des Bekannten hätten sich im Wohnzimmer auf den Boden geworfen und seien völlig verängstigt. Unter dem Eindruck dieses Gesprächs machte sich der Betroffene auf den Weg nach Hause und sprach dabei beruhigend über die Freisprecheinrichtung des Pkw auf das Mädchen ein und gab ihr Anweisungen, wie sie sich zu verhalten habe. Während der gesam-ten Fahrt war die Tochter am Telefon panisch, hysterisch und äußerte Todesangst.

Unter dem Eindruck des vorbeschriebenen Geschehens stehend näherte sich der Betroffene dem Bahnübergang und fuhr über die Bahnlinie, wobei er sich zuvor vergewisserte, dass ein Zug nicht in der Nähe war. Der Betroffene handelte so, weil er selbst von Furcht und Panik getrieben war und die Situation deshalb nicht rational überblickte.

Unter dem Eindruck des Bußgeldverfahrens und der vorangegangenen polizeilichen Ermittlungen wegen des Vorfalls absolvierte der Betroffene vom 26. Juni 2013 bis zum 9. Juli 2013 eine Einzel-beratungsmaßnahme der Unternehmensgruppe TÜV Nord mit der Bezeichnung „avanti - Fahrver-bot". Diese Einzelberatungsmaßnahme absolvierte der Betroffene erfolgreich. Die Einzelbera-tungsmaßnahme umfasste insgesamt drei Einzelberatungsstunden von jeweils 90 bzw. 45 Minuten mit einem erfahrenen verkehrspsychologisch qualifizierten Diplom-Psychologen. Im Rahmen dieser Einzelberatungsmaßnahme wurde der Vorfall aufgearbeitet. Darüber hinaus wurden problemati-sche Verhaltensbereiche und Verhaltensalternativen im Straßenverkehr identifiziert. Zwischen den Einzelsitzungen wurden in einer Praxisphase unter systematischer Beobachtung des eigenen Ver-haltens die angestrebten Veränderungen praktisch umgesetzt. Ziel der Maßnahme ist eine stabile eigenmotivierte und verhaltenswirksame Neuorientierung des Verkehrsverhaltens auf eigenver-antwortlicher Basis in den als kritisch erkannten Verhaltens- und Einstellungsbereichen_ Ausweis-lich des Diplom- Psychologen Dr. L. erreichte der Betroffene diese Ziele. Für den Kurs zahlte der Betroffene an die Unternehmensgruppe TÜV Nord einen Betrag von ca. 460,00 €.

III.
Die unter I. getroffenen Feststellungen beruhen auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen Ver-kehrszentralregisterauszug vom 31,01.2013, dessen Angaben der Betroffene als zutreffend aner-kannt hat.

Die unter II. getroffenen Feststellungen stehen zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund des glaubhaften Geständnisses des Betroffenen in der Hauptverhandlung und der in der Hauptver-handlung verlesenen Bescheinigung über die Teilnahme an einer Maßnahme zur Förderung der Fahreignung „avanti - Fahrverbot" der Unternehmensgruppe TÜV Nord.

Der Betroffene hat in der Hauptverhandlung glaubhaft ausgesagt, da er in einen Kontext gebun-den, detailreich und von Emotionen getragen berichtet hat.

IV.
Der Betroffene hat nach dem festgestellten Sachverhalt verkehrsordnungswidrig gemäß §§ 19 Abs. 2 Nr. 3, 49 Abs. 1 Nr. 19 StVO, § 24 Abs. 1 StVG gehandelt. Dabei ist des Betroffenen von fahrlässiger Begehungsweise auszugehen. Ein Rechtfertigungs- oder Entschuldigungstatbestand nach §§, 15, 16 OWiG liegt nicht vor.

V.
Gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BKatV i.V.m. Nr. 244 BKat ist eine grobe Pflichtverletzung im Sinne des § 25 Abs. 1 StVG indiziert durch das verkehrsordnungswidrige Verhalten des Betroffenen. Nr. 244 BKat sieht als Regelsanktion für einen derartigen Verkehrsverstoß die Verhängung einer Re-gelgeldbuße von 700,00 € und die Anordnung eine dreimonatigen Fahrverbots vor. Zugunsten des Betroffenen ist jedoch davon auszugehen, dass er unter dem Eindruck des Telefonats mit seiner Tochter handelte und daher maßgeblich von Panik getrieben war. Bei dem von dem Betroffenen verübten Verkehrsverstoß handelt es sich objektiv um eine grobe Pflichtenverletzung, da das Überqueren der Bahngleise bei heruntergelassener Bahnschranke immer wieder Ursache schwe-rer Unfälle ist. Allerdings ist das verkehrsordnungswidrige Verhalten des Betroffenen nicht auf be-sonders groben Leichtsinn oder besonders grobe Nachlässigkeit oder gar Gleichgültigkeit zurück-zuführen. Aus diesem Grund handelte der Betroffene subjektiv nicht in besonderem Maße verant-wortungslos.

Da der Betroffene auch lediglich zwei nicht einschlägige Vorahndungen im Verkehrszentralregister aufweist und sich im Rahmen einer verkehrspsychologischen Beratung mit einem Diplom-Psychologen mit dem von ihm verübten Verkehrsverstoß auseinandergesetzt hat, konnte hier von dem dreimonatigen Regelfahrverbot abgesehen werden; gemäß § 4 Abs. 4 BKatV jedoch unter angemessener Erhöhung der Regelgeldbuße von 700,00 €. Unter Berücksichtigung der finanziellen und zeitlichen Aufwendungen, die der Betroffene auf die verkehrspsychologische Schulung tätigte, war es verhältnismäßig, die Regelgeldbuße von 700,00 € auf 2.000,00 € anzuheben. Durch die erfolgreich absolvierte verkehrspsychologische Schulung ist die Denkzettel- und Besinnungs-funktion des Fahrverbots obsolet geworden und das Fahrverbot aus spezialpräventiven Gründen nicht mehr geboten. Der Betroffene hat sich in der Hauptverhandlung einsichtig und pflichtenbe-wusst präsentiert, Er hat sich verkehrspsychologisch mit dem von ihm begangenen Verstoß ausei-nandergesetzt und ist hierdurch auch zu neuen Einsichten gekommen. Dem Gedanken der Gene-ralprävention ist durch die Erhöhung der Regelgeldbuße ausreichend genüge getan.

VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 465 Abs. 1 StPO.

Einsender: RA F. Adler, Leer

Anmerkung:


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