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Gericht / Entscheidungsdatum: VGH Hessen, Beschl. v. 25.06.2013 - 2 B 1294/13
Leitsatz: Fahrerlaubnisbehörden können ermessensfehlerfrei davon ausgehen, dass beruflich bedingte zeitliche Belastungen, Zeitmangel aus anderem Grund oder eine finanzielle Belastung des Betroffenen keinen Anlass bieten, die Teilnahme an einem Aufbauseminar nach § 4 Abs. 8 StVG statt des regelmäßig vorgesehenen Gruppenseminars als Einzelseminar gemäß § 4 Abs. 8 Satz 2 StVG zu gestatten.
In dem Verwaltungsstreitverfahren des Herrn A., A-Straße, A-Stadt, Antragstellers und Beschwerdeführers, bevollmächtigt: Rechtsanwalt Michael Winter., Heubergstraße 21, 70806 Kornwestheim, gegen den Wetteraukreis, vertreten durch den Landrat - Fachdienst Recht -, Europaplatz, 61169 Friedberg, Antragsgegner und Beschwerdegegner, wegen Fahrerlaubnis hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 2. Senat - durch Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Dyckmans, Richter am Hess. VGH Pabst, Richter am Hess. VGH Dr. Dieterich am 25. Juni 2013 beschlossen: Tenor: Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 16. Mai 2013 wird zurückgewiesen. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 EUR festgesetzt. Gründe 1 Die gemäß §§ 146, 147 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt abgelehnt, den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller eine Einzelseminarerlaubnis im Rahmen einer Ausnahme von den Bestimmungen des § 4 Abs. 8 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes - StVG - zu erteilen. Auch nach Maßgabe des Beschwerdevorbringens (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) hat der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass der Antragsgegner ermessensfehlerfrei gemäß § 4 Abs. 8 Sätze 1und 2 StVG die Erlaubnis zur Teilnahme an einem Aufbauseminar als Einzelseminar abgelehnt hat. 2 Nach § 4 Abs. 8 Satz 1 StVG stellt es den gesetzlichen Regelfall dar, dass die Teilnehmer an Aufbauseminaren durch Mitwirkung an Gruppengesprächen und an einer Fahrprobe veranlasst werden, Mängel in ihrer Einstellung zum Straßenverkehr und im verkehrssicheren Verhalten zu erkennen und abzubauen. Den Ausführungsvorschriften in §§ 42, 35 der Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV - ist ebenso wie der bereits vom Verwaltungsgericht zitierten Gesetzesbegründung zur entsprechenden Regelung des § 2b StVG (BT-Ds 13/6914, S. 67) zu entnehmen, dass dem Gesetzgeber die Gruppensituation zur Erreichung des Ziels der Verbesserung problematischen Verkehrsverhaltens wichtig ist. Die Gruppensituation zeichnet sich zum einen dadurch aus, dass Gespräche, Verhaltensbeobachtung in der Fahrprobe und Analyse problematischer Verkehrssituationen (§ 35 Abs. 2 Satz 2 FeV) ermöglicht werden, andererseits die Gruppengröße mit sechs bis zwölf Teilnehmern überschaubar bleibt (siehe § 35 Abs. 1 Satz 1 FeV). Deshalb ist es ermessensfehlerfrei, die Teilnahme an einem Einzelseminar nur dann zu gestatten, wenn dem Betroffenen aufgrund seiner persönlichen Lebenssituation ein Gruppenseminar nicht zumutbar ist (z.B. in einer psychischen Krise) oder wenn die besondere persönliche Situation etwa durch Prominenz befürchten lässt, dass die Aufmerksamkeit der Teilnehmer sich in erster Linie auf die prominente Person statt auf das Seminarziel richtet (siehe Dauer in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Auflage, § 4 StVG Rn. 54). 3 Diese Voraussetzungen für die Teilnahme an einem Einzelseminar liegen hier nicht vor. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht die berufliche Stellung des Antragstellers als für Personal- und Infrastrukturleistungen zuständiges Mitglied des Vorstandes der X dahin gewertet, dass der Antragsteller nicht prominent in dem Sinne ist, dass die Aufmerksamkeit der anderen Gruppenmitglieder sich eher auf ihn als auf den Inhalt des Seminars richten würde. Der Senat teilt die Bewertung des Verwaltungsgerichts. Einzelne Vorstandsmitglieder einer Untergesellschaft der Y AG dürften der Öffentlichkeit nicht bekannt sein. 4 Ermessensfehlerfrei können Fahrerlaubnisbehörden demgegenüber davon ausgehen, dass beruflich bedingte zeitliche Belastungen, Zeitmangel aus sonstigem Grund oder eine finanzielle Belastung des Betroffenen keinen Anlass für die Gestattung der Teilnahme an einem Einzelseminar darstellen können (Dauer, a.a.O.). Die Erreichung des Seminarziels und damit letztlich die Verkehrssicherheit erfordern, dass auch beruflich stark eingespannte Verkehrsteilnehmer sich die Zeit nehmen, zur Verbesserung ihres Verkehrsverhaltens in dem vom Gesetzgeber regelmäßig vorgesehenen Umfang Gruppenseminare zu besuchen. 5 Bereits das Verwaltungsgericht hat deshalb zu Recht seinen Beschluss allein tragend damit begründet, dass der Antragsteller sein Begehren nicht auf die geltend gemachte Arbeitsbelastung stützen kann (S. 4 Beschlussabdruck, 2. Absatz). Die Einwände der Beschwerde gegen die weiteren Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu der zeitlichen Beanspruchung des Antragstellers sind deshalb unerheblich. Unerheblich ist auch, dass der Antragsteller meint, durch eine vorgesehene Zusammenführung mehrerer Teilnehmer mit Einzelseminarerlaubnis werde ein Gruppencharakter des Seminars gewährleistet. Rechtlich maßgeblich ist allein, dass der Antragsteller eine Einzelseminarerlaubnis begehrt. 6 Soweit die Beschwerde meint, das Verwaltungsgericht habe die Auffassung vertreten, die Teilnahme an einem Aufbauseminar diene (immer) der Vermeidung einer Fahrerlaubnisentziehung (Beschwerdebegründung S. 2, 4. Absatz), hat sie den Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht genau genug gelesen. Denn das Verwaltungsgericht vergleicht die hier vorliegende besondere Situation (Besuch des Aufbauseminars zur Reduzierung eines Punktestandes nach § 4 Abs. 4 StVG, um die Voraussetzungen des § 48a Abs. 5 Nr. 3 FeV zu erfüllen) gerade mit dem hier nicht vorliegenden "Normalfall" für die Teilnahme an einem Aufbauseminar zur Vermeidung einer Fahrerlaubnisentziehung und stellt zu Recht fest, dass der gesetzgeberische Zweck auch bei der Teilnahme an einem Aufbauseminar im hier vorliegenden Fall der gleiche sei wie bei der Teilnahme an einem Aufbauseminar zur Vermeidung einer Fahrerlaubnisentziehung. 7 Schließlich kann sich der Antragsteller nicht darauf berufen, dass in vergleichbaren Situationen im Bundesland Baden-Württemberg eine Einzelseminarerlaubnis erteilt werde. Der Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) in der Ausprägung als Anspruch auf gleichmäßige Ermessensausübung kann nur innerhalb der Verwaltungen des gleichen Trägers rechtlich wirksam werden. Aus einer bestimmten Ermessensausübung in Baden-Württemberg lässt sich kein Rechtsanspruch auf gleiche Verfahrensweise in Hessen herleiten. 8 Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, weil sein Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 154 Abs. 2 VwGO). 9 Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 1, Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2, 47 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GKG. Ebenso wie das Verwaltungsgericht reduziert der Senat den Regelstreitwert für das Eilverfahren nicht im Hinblick auf die begehrte Vorwegnahme der Hauptsache. 10 Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3 und 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).
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