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Leitsatz: Voraussetzungen für die Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung durch Terminsverlegung im Hinblick auf die berufliche Beeinträchtigung von Zeugen wegen langer Anreise zum Termin.
In pp. Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten (§ 473 Abs. 1 StPO) als offensichtlich unbegründet verworfen. Gründe I. Das Amtsgericht Dortmund hat den Angeklagten sowie weitere, nicht revidierende Mitangeklagte wegen gemeinschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Dortmund mit dem angefochtenen Urteil verworfen. Nach den bindend gewordenen amtsgerichtlichen Feststellungen zum Tatgeschehen waren der Angeklagte sowie die früheren Mitangeklagten als Türsteher in einer Discothek tätig. In der Nacht vom 05. auf den 06.09.2009 wurde der Zeuge M der Discothek verwiesen. Als er einen Türsteher fragte, warum dies der Fall sei, schlug dieser auf ihn ein. Schließlich schlugen und traten der Angeklagte sowie die früheren Mitangeklagten auf den am Boden liegenden Zeugen M ein. Als der Zeuge V (ein Bekannter des Zeugen M) "sich einmischen wollte" erhielt er von einem früheren Mitangeklagten Faustschläge ins Gesicht. Ergänzend hat das Landgericht zum Tatgeschehen festgestellt: "Als die Angeklagten T und F auf den am Boden liegenden M einschlugen und eintraten, wollten sie sich jeweils die Tatbeiträge des anderen zu eigen machen. Entsprechendes gilt für die Faustschläge des Angeklagten F gegen den Zeugen V." Gegen das Urteil des Landgerichts wendet sich der Angeklagte mit der Revision und erhebt als Verfahrensrüge u.a. die Rüge der Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK (rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung). Weiter rügt er die Verletzung materiellen Rechts und in deren Rahmen insbesondere, dass das Gericht den langen Zeitraum zwischen Tat und Verurteilung sowie die lange Verfahrensdauer nicht berücksichtigt habe und dass die Strafen der Mittäter nicht in einem gerechten Verhältnis zueinander stünden. Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat die Verwerfung der Revision nach § 349 Abs. 2 StPO beantragt. II. Das zulässige Rechtsmittel hat (abgesehen von der Feststellung, dass es in dem Verfahren zu einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung gekommen ist, s.u.) keinen Erfolg. Die Revision war als offensichtlich unbegründet zu verwerfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). 1. Die den Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO genügende Verfahrensrüge der Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK hat insoweit Erfolg, als hiermit festgestellt wird, dass es in dem gegen den Angeklagten geführten Strafverfahren zu einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung gekommen ist. Eine zu von den Justizbehörden zu verantwortende (vgl. dazu BGH NStZ 2010, 230 [BGH 04.08.2009 - 5 StR 253/09]), nicht völlig unerhebliche Verfahrensverzögerung liegt in folgenden Zeiträumen vor: Die Akten sind nach der Rückkehr vom Polizeipräsidium E2 am 26.11.2009 verfristet und am 13.01.2010 nach Fristablauf wieder vorgelegt worden, ohne dass das Verfahren in der Sache gefördert worden wäre. Am 14.01.2010 wurde lediglich die Zweitakteneinsicht an eine Krankenkasse verfügt und die Akten sodann erneut um einen Monat verfristet. Erst unter dem Datum des 23.02.2010 wurden dann weitere polizeiliche Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft beauftragt. In der Zeit vom 20.07.2010 bis zum 13.09.2010 ist das Verfahren ebenfalls nur unzureichend gefördert worden. Am 20.07.2010 waren die Akten erneut zurück zur Staatsanwaltschaft gelangt. Es wurde dann eine Verfristung von 2 Wochen wegen eines fehlenden Attestes verfügt. In der Folgezeit ging kein Attest ein (die Eingangsstempel der nachgehefteten Atteste weisen Daten aus Mai 2010 auf). Am 05.08.2010 wurde lediglich die Akteneinsicht an den Anwalt eines Geschädigten verfügt. Die Akten gelangten am 16.08.2010 zurück. Am 20.08.2010 wurde dann wiederum eine Verfristung von 2 Wochen verfügt mit dem Zusatz: "erg. AE?". Anklage wurde dann schließlich unter dem Datum des 13.09.2010 erhoben. Auch unter Berücksichtigung der für die Anklageerhebung notwendigen Zeit ist der Senat der Auffassung, dass hier die Anklage mindestens einen knappen Monat früher hätte erhoben werden können, nachdem bis zum 04.08.2010 das erwartete Attest nicht eingegangen war, welches - offenbar - für die Anklageerhebung letztlich auch nicht notwendig war und die Akteneinsicht an den Anwalt des Geschädigten aus den (bereits vorher angelegten) Zweitakten hätte gewährt werden können. Der wesentliche Teil der den Justizbehörden zuzurechnenden Verfahrensverzögerung liegt nach Auffassung des Senats jedoch in der Sachbehandlung in der Berufungsinstanz. Die Akten sind am 26.05.2011 beim Landgericht eingegangen. Zunächst fragte dann der Vorsitzende der kleinen Strafkammer - sachgerecht - nach dem Ziel der Berufungen an. Dieses konnte dann bis Ende August 2011 erklärt werden. Im September 2011 wurden dann - ebenfalls sachgerecht - noch weitere Unterlagen bei der Staatsanwaltschaft angefordert und Ende des Monats von dieser übersandt. In der Folgezeit sind dann zunächst keine verfahrensfördernden Maßnahmen mehr festzustellen. Deswegen kam es am 30.12.2011 zu einer ersten Sachstandsanfrage seitens der Staatsanwaltschaft, die "telefonisch erledigt" wurde. Eine weitere Sachstandsanfrage erfolgte dann am 02.03.2012. Diese wurde dahingehend beantwortet, dass "HVT demnächst bestimmt werden soll". Am 04.05.2012 fragte dann der Anwalt eines der Geschädigten nach dem Sachstand an. Die Anfrage wurde mit der Mitteilung beantwortet, dass "HVT noch nicht bestimmt worden ist". Gleichlautend wurde eine Sachstandsanfrage der Staatsanwaltschaft vom 21.05.2012 beantwortet. Die Berufungshauptverhandlung wurde schließlich erst am 16.07.2012 anberaumt. Auch unter Berücksichtigung der notwendigen Zeit für die Vorbereitung der Hauptverhandlung und des notwendigen Vorlaufs bei einer solchen Sache, in der eine Vielzahl von Zeugen zu vernehmen war bzw. bei weiterer streitiger Durchführung der Hauptverhandlung zu vernehmen gewesen wäre, ist der Senat der Auffassung, dass die Terminierung schon sechs bis sieben Monate früher hätte vorgenommen worden können. (Noch) keine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung sieht der Senat hingegen in dem Umstand, dass in dem Verfahren vor dem Amtsgericht der zunächst auf den 25.11.2010 anberaumte Hauptverhandlungstermin wegen Verhinderung von drei Zeugen auf Anfang April 2011 verlegt worden ist. Ein Zeuge hatte berufliche Probleme als Hinderungsgrund geltend gemacht, zwei andere Zeugen finanzielle Probleme, da sie aus K hätten anreisen müssen. Auch wenn grundsätzlich die Zeugenpflicht beruflichen Pflichten vorgeht (vgl. OLG Jena NStZ 1997, 333), wenn dem Zeugen nicht unzumutbare Nachteile drohen (vgl. OLG Düsseldorf, StraFo 2011, 133 für die ähnlich gelagerte Problematik bei Unzumutbarkeit wegen privater Belange), welche hier aber nicht dargetan waren, so hält der Senat die Verlegung nicht für unvertretbar. Nach der Rechtsprechung des BVerfG hat ein Zeuge Anspruch auf eine angemessen Behandlung seines Anliegens und darf nicht zum Verfahrensobjekt gemacht werden (BVerfG NStZ-RR 2002, 11 [BVerfG 30.09.2001 - 2 BvR 911/00]). Insoweit ist dem Gericht ein gewisser Beurteilungsspielraum einzuräumen. Vor diesem Hintergrund hält der Senat es noch für hinnehmbar, wenn der Tatrichter das Nichterscheinen eines Zeugen akzeptiert und den Termin um einen Zeitraum von etwa vier bis fünf Monaten verlegt, auch wenn der Umstand, dass (unter Berücksichtigung der Anreise) ein "ganzer Arbeitstag drauf gehen würde" und der Zeuge in einem kleinen Betrieb arbeitete, in dem der Lehrling Schule hatte, an sich für eine Entschuldigung i.S.v. § 51 StPO nicht ausreichend gewesen wäre. Da die Terminsverlegung auch im Hinblick auf diesen Zeugen erfolgte, kann dahinstehen, ob eine Terminsverlegung nur wegen der fehlenden Mittel zur Anreise der beiden weiteren Zeugen aus K angemessen gewesen wäre. Dem hätte man durch Gewährung entsprechender Reisekostenvorschüsse an die (anreisewilligen) Zeugen begegnen können. Insgesamt ist es somit im Verfahren zu einer den Justizbehörden zuzurechnenden Verfahrensverzögerung von mindestens neun Monaten gekommen. Die Verfahrensverzögerung führt allerdings noch nicht zu einer Kompensation i.S.d. sog. "Vollstreckungslösung" (BGH NJW 2008, 860 [BGH 17.01.2008 - GSSt 1/07]), indem ein bestimmter Teil der Strafe als vollstreckt gilt. Vielmehr ist hier die Feststellung einer eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zur Kompensation ausreichend. Die Dauer der Verfahrensverzögerung ist zwar nicht völlig unerheblich. Anderseits war der Angeklagte keinen besonderen Belastungen ausgesetzt. Solche wurden nicht dargetan. Auch der Umstand, dass seitens des Angeklagten, bzw. seines Verteidigers, die Anfrage des Vorsitzenden der Berufungskammer vom 31.05.2011 zum Ziel der Berufung erst rund drei Monate später beantwortet wurde, deutet nicht auf ein gesteigertes Interesse des Angeklagten an einer beschleunigten Behandlung seiner Sache. Der Senat kann unter diesen Umständen und unter Berücksichtigung, dass die Strafkammer strafmildernd gewertet hat, dass "die Tat einige Zeit zurückliegt", ausschließen, dass der Tatrichter dem Angeklagten zur Kompensation der eingetretenen Verfahrensverzögerung über die bloße Feststellung des Rechtsverstoßes hinaus eine weitergehende Entschädigung zugebilligt hätte. Die im vorliegenden Fall zur Kompensation ausreichende Feststellung des Vorliegens eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK kann der Senat selbst nachholen (BGH v. 13.06.2008 - 2 StR 200/08 - [...]; OLG Hamm, Beschl. v. 27.11.2008 - 3 Ss 327/08 - [...]), was er hiermit tut. Die ebenfalls unter diesem Gesichtspunkt erhobene Rüge der Verletzung der §§ 244 Abs. 2, 261 StPO kann keinen weitergehenden Erfolg haben. 2. Die auf die Sachrüge hin vorzunehmende Überprüfung des Urteils hat keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Näherer Erörterung bedarf nur Folgendes: a) Soweit der Angeklagte rügt, das Gericht habe den längeren Zeitraum zwischen Tat und Urteil nicht berücksichtigt, ist dies unrichtig (s.o.). b) Es kann dahinstehen, ob der Tatrichter den gesondert (neben des langen Zeitraums zwischen Tat und Urteil sowie einer ggf. vorliegenden rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung) zu berücksichtigenden Strafmilderungsgrund einer langen Verfahrensdauer (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nr. 13) vorliegend aus dem Auge verloren hat. Selbst wenn der Tatrichter dies verkannt hätte, so beruht das Urteil hierauf nicht. Der Senat kann ausschließen, dass der Tatrichter unter Berücksichtigung dieses Strafmilderungsgrundes zu einem dem Angeklagten günstigeren Ergebnis gekommen wäre. Die erkannte Freiheitsstrafe von acht Monaten, also nur knapp über dem Mindeststrafmaß von sechs Monaten, ist unter Berücksichtigung aller strafzumessungsrelevanten Umstände so außerordentlich niedrig und unterschreitet den Rahmen des noch Schuldangemessenen derart, dass auszuschließen ist, dass der Tatrichter auf eine noch mildere Strafe bei ausdrücklicher Erörterung des genannten Umstandes erkannt hätte. c) Soweit erstmals im Berufungsurteil ausdrücklich festgestellt wird, dass die Schläge des Mitangeklagten F z.N. des Zeugen V dem Angeklagten zuzurechnen sind, ohne dass dies im Rahmen der Beweiswürdigung in irgendeiner Form näher belegt wurde, erscheint dies zwar rechtsfehlerhaft, weil die Beweiswürdigung insoweit lückenhaft ist. Ob dies dem Angeklagten strafschärfend angelastet wurde (insoweit ist das Urteil unklar, da dies in der Strafzumessung zwar nicht erwähnt wurde, die genannte Feststellung aber ansonsten überflüssig gewesen wäre und letztlich bei beiden Mitangeklagten auf eine identische Strafe erkannt wurde), kann dahinstehen. Aus den o.g. Gründen kann der Senat ein Beruhen des Urteils aber ausschließen. Auch in Zusammenschau mit dem o.g. Umstand erscheint es ausgeschlossen, dass der Angeklagte noch geringer bestraft worden wäre. d) Das Gebot, dass gegen Mittäter verhängte Strafen in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen müssen (BGH NJW 2011, 2597, 2599 [BGH 28.06.2011 - 1 StR 282/11]) ist nicht verletzt. Selbst wenn die Zurechnung der Schläge des Mitangeklagten Eisenbarth z.N. des Zeugen V zu Unrecht erfolgt sein sollte, so unterscheiden sich die Tatbeiträge der Mitangeklagten noch nicht so sehr voneinander, als dass - auf dem erkannten niedrigen Strafniveau - eine Differenzierung angezeigt gewesen wäre. e) Die vom Angeklagten mit der Revision abstrakt behaupteten, nach der Tat eingetretenen, "stabilisierenden Umstände" sind urteilsfremd und daher für den Senat unbeachtlich.
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