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Leitsatz: Der Besitz von offenkundig Gewalt verherrlichenden und Sympathie zur radikalen rechten Szene bekundenden Kleidungsstücken ist fraglos geeignet, die Sicherheit und Ordnung einer Justizvollzugsanstalt zu beeinträchtigen, und kann daher untersagt werden.
Beschluss In der Strafvollzugssache des pp. zurzeit in der JVA R. - Antragstellers - gegen die Justizvollzugsanstalt R., vertreten durch die Anstaltsleiterin - Antragsgegnerin -
wegen Herausgabe von Gegenständen (Kleidungsstücken)
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen vom 27. Februar 2013 nach Beteiligung des Zentralen juristischen Dienstes für den niedersächsischen Justizvollzug durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht am3. Mai 2013 beschlossen:
Der Beschluss des Landgerichts Göttingen wird aufgehoben, soweit hiermit die Antragsgegnerin verpflichtet wurde, die im Tenor unter Nr. 1 bis 8 bezeichneten, sichergestellten Gegenstände (Bekleidung) dem Antragsteller auszuhändigen.
Der auf Herausgabe dieser Gegenstände gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Antragstellers wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtlichen Verfahrens sowie jene des Rechtsbeschwerdeverfahrens. Jedoch werden die Kosten des gerichtlichen Verfahrens um die Hälfte reduziert. In demselben Umfang fallen auch etwaige notwendige Auslagen des Antragstellers der Landeskasse zur Last.
Der Streitwert wird für das gerichtliche Verfahren wird auf bis zu 500,- Euro und für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf bis zu 300,- Euro festgesetzt.
Gründe: I. Der Antragsteller, der sich offen zur radikalen rechten Szene bekennt, verbüßt derzeit eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren u.a. wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz sowie wegen Beleidigung; da-neben ist er zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten verurteilt worden wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Am 2. August 2012 fand eine Kontrolle seines Haftraums statt, in deren Folge eine Reihe von Gegenständen sichergestellt und zur Habe genommen wurde, deren Besitz dem Antragsteller zuvor gestattet gewesen war. Hierbei handelte es sich zum einen um szenetypische Bekleidungsstücke mit offensichtlich gewaltverherrlichendem und rechtsradikalen Gepräge, u.a. ein T-Shirt mit dem Aufdruck: A.C.A.B. wir können auch anders, mit der Abbildung von 2 Schlagringen, ein T-Shirt mit dem Aufdruck: Nationalist Deutschland sowie eine Sporthose mit dem auch von der SS genutzten Symbol der schwarzen Sonne. Soweit daneben eine Reihe von Gegenständen (Fotos, Schilder und dergl.) sichergestellt wurde, die offensichtlich Bezug zur na-tionalsozialistischen Gewaltherrschaft haben, ist dies nicht Gegenstand der Rechtsbeschwerde. Hintergrund der im Rahmen der Haftraumkontrolle erfolgten Sicherstellung der Gegenstände war ein Erlass des Niedersächsischen Justizministeriums vom 10. Juli 2012, demzufolge der Besitz einschlägiger, im Erlass näher beschriebener typischer Bekleidung der rechten Szene in Vollzugseinrichtungen des Landes Niedersachsen nicht zulässig ist.
Der Antragsteller meint, die Sicherstellung sei willkürlich gewesen, zumal er die Gegenstände zuvor bereits in Besitz gehabt habe. Dem ist die Antragstellerin ent-gegen getreten und hat hierzu neben dem benannten Erlass sowie den hieraus gewonnenen Erkenntnissen auf die Person des Antragstellers sowie auf die be-sondere Situation in ihrer Anstalt abgestellt; der Besitz der Gegenstände bedeute eine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt, weshalb die Gestattung des Besitzes der Gegenstände habe zurückgenommen werden können. Überdies sei die Übersichtlichkeit des Haftraums beeinträchtigt gewesen.
Mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen vom 27. Februar 2013 ist die Antragsgegnerin verpflichtet worden, dem Antragsteller die im Rahmen einer Haftraumkontrolle sichergestellten Gegenstände (Kleidungs-stücke) wieder auszuhändigen. Insoweit lägen die Voraussetzungen zum Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsaktes im Sinne von § 100 NJVoIlzG, 49 VwVfG nicht vor, da im Hinblick auf den Besitz der Kleidung weder neue Tatsachen vorlägen noch schwer wiegende Nachteile für das Allgemeinwohl zu befürchten seien; dessen ungeachtet lasse die Entscheidung keine rechtsfeh-lerfreie Entscheidung der Antragsgegnerin erkennen. Im Übrigen (hinsichtlich der weiteren sichergestellten Gegenstände) wurde die Antragsgegnerin verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung der Strafvollstreckungskammer erneut über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu befinden.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer auf die Ver-letzung sachlichen Rechts gestützten Rechtsbeschwerde, soweit sie verpflichtet wurde, die sichergestellten Kleidungsstücke dem Antragsteller auszuhändigen. Der Zentrale Juristische Dienst für den Niedersächsischen Justizvollzug vertritt das Rechtsmittel. Der Senat hat auf Antrag der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 18. April 2013 den Vollzug der angefochtenen Entscheidung nach Maßgabe von §§ 116 Abs. 3 Satz 2, 114 Abs. 2 Satz 1 StVollzG bis zu einer Entscheidung des Senats ausgesetzt und hat dem Antragsteller zu der Rechtsbeschwerde rechtliches Gehör gewährt. Er hält an seinem Antrag fest.
II.
Die auch im Übrigen nach § 118 StVollzG formal zulässig erhobene Rechtsbe-schwerde der Antragsgegnerin ist nach Maßgabe von § 116 Abs. 1 StVollzG zu-lässig, denn es ist geboten, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts sowie zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu ermöglichen.
III.
Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin hat auch in der Sache Erfolg und führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung mit der Folge, dass der auf Herausgabe der Kleidungstücke gerichtete Antrag des Antragstellers abzulehnen war.
1. Die Antragsgegnerin war berechtigt, die zuvor bereits erteilte Gestattung zum Besitz der Kleidungsstücke zurückzunehmen, denn hierbei handelte es sich nicht um eine rechtmäßige, sondern um eine rechtswidrige begünstigende Maß-nahme. Denn der Besitz der sichergestellten Kleidungsstücke ist - und war - ge-eignet, die Sicherheit und Ordnung der Anstalt zu beeinträchtigen. Im Einzelnen:
a) Nach Maßgabe der §§ 100 NJVollzG, 48 VwVfG kann eine begünstigende Vollzugsmaßnahme zurückgenommen werden, wenn diese rechtswidrig war. Zwar berechtigt die Vorschrift des § 22 Abs. 1 NJVollzG Strafgefangene grundsätzlich, im Vollzug eigene Kleidung zu tragen, soweit nicht nach Abs. 2 der Vorschrift all-gemein oder im Einzelfall aus Gründen der Sicherheit und Ordnung der Anstalt das Tragen von Anstaltskleidung angeordnet wird. Einschränkungen im Hinblick auf die Art der privaten Kleidung sieht diese Vorschrift selbst zunächst aber nicht vor. Indessen steht die Regelung unter dem in § 3 Satz 2 NJVollzG normierten Vorbehalt, dass hierdurch die Sicherheit und Ordnung der Anstalt nicht beeinträchtigt wird (vgl. Senat vom 9.2.2011, NStZ 2011, 704). Dies unterliegt grundsätzlich voller gerichtlicher Nachprüfung (vgl. nur Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 115 Rn. 16). Ist eine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung zu besorgen, können den Gefangenen insoweit aber Beschränkungen auferlegt werden, was diesbezüglich Ermessen der Anstaltsleitung eröffnet.
b) Die Antragsgegnerin hat im Rahmen ihrer Rechtsbeschwerde zutreffend darauf hingewiesen, dass die frühere Gestattung zum Besitz der fraglichen Ge-genstände nicht hätte erteilt werden dürfen. Denn der Besitz der beim Antragstel-ler im Rahmen der Haftraumkontrolle sichergestellten Kleidungsstücke war von vornherein rechtswidrig. Der Besitz von offenkundig Gewalt verherrlichenden und Sympathie zur radikalen rechten Szene bekundenden Kleidungsstücken ist fraglos geeignet, die Sicherheit und Ordnung einer Justizvollzugsanstalt zu beeinträchti-gen. Hierbei kommt es entgegen der angefochtenen Entscheidung weniger darauf an, dass Gleichgesinnte sich durch das Tragen der szenetypischen Kleidung un-tereinander erkennen und finden können. Maßgeblich ist insoweit vielmehr, dass das Tragen entsprechender Kleidung zumindest auch dazu dient, sich von übrigen Strafgefangenen abzugrenzen und diese - als auch Vollzugsbedienstete - zu pro-vozieren, was namentlich im Hinblick auf Strafgefangene - und Vollzugsbedienste-te - mit Migrationshintergrund zutrifft (vgl. LG Dortmund vom 6.6.2012, 64 StVK 37/12). Dies gilt insbesondere dann, wenn die entsprechende Kleidung dazu dient, als Erkennungsmerkmal gewaltbereiter Gruppen oder politischer Extremisten ge-tragen zu werden, die hierdurch ihre radikale Gesinnung oder Gewaltbereitschaft zum Ausdruck bringen. Dies aber ist mit dem auf den Abbau von Aggressionen ausgerichteten Strafvollzug grundsätzlich nicht vereinbar (KG NStZ 2006, 308).
So liegen die Dinge fraglos auch hier. Ob die Antragsgegnerin dies auch ohne Vorliegen des Erlasses vom 10. Juli 2012 mit den hierin enthaltenen Hinweisen zu den szenetypischen Merkmalen der entsprechenden Kleidung hätte erkennen können, kann hierbei dahinstehen. Unerheblich ist hierbei auch, ob die Gewaltbe-reitschaft oder die Zugehörigkeit zu einer entsprechenden politischen Gesinnung auf den Kleidungstücken offen oder lediglich durch Kürzel oder Kennzeichen zum Ausdruck gebracht wird, denn die grundsätzliche Eignung zur Provokation oder zur Einschüchterung wird hierdurch nicht beseitigt. Dass die Kleidungsstücke frei erworben werden können und auch vom Schutzbereich des § 86 StGB nicht er-fasst werden, steht dem nicht entgegen.
c) Liegt hiernach eine Beeinträchtigung der Sicherheit und Ordnung vor, kön-nen den Gefangenen seitens der Anstaltsleitung Beschränkungen auferlegt wer-den, die geeignet sind, der Beeinträchtigung entgegen zu wirken. Dies gilt auch für den Besitz von privater Kleidung. Insoweit ist höchstrichterlich bereits auch ent-schieden, dass es Strafgefangene im Interesse der Sicherheit und Ordnung hin-zunehmen haben, innerhalb einer Anstalt nicht beliebige Kleidung tragen zu dürfen und dass die Justizvollzugsanstalt organisatorische Bedingungen an deren Gestaltung knüpfen darf (BVerfG NStZ 2000, 166; KG a.a.O. sowie Beschluss vom 11.5.2001, 5 Ws 195/01). Insoweit ist der Anstaltsleitung auf der Rechtsfol-genseite Ermessen eröffnet.
Die vom Senat im Rahmen der Rechtsbeschwerde nach § 115 Abs. 5 StVollzG vorzunehmende Rechtsprüfung ergibt, dass die von der Antragsgegnerin getroffe-ne Anordnung des Einbehalts der sichergestellten Kleidungsstücke nicht zu bean-standen ist. Sie ist auf der Grundlage einer zutreffend und vollständig ermittelten Tatsachengrundlage getroffen worden und lässt jedenfalls durchgreifende Ermes-sensfehler nicht erkennen. Zwar war Hintergrund der vom Antragsteller angefoch-tenen Maßnahme der Erlass vom 12. Juli 2012, der für sich genommen grundsätzlich nicht geeignet ist, das von der Antragsgegnerin auszuübende Ermessen im Einzelfall zu ersetzen (vgl. Senat vom 12.1.2005, StV 2005, 339). Die Antragsgegnerin hat ihre Entscheidung aber nicht allein auf die - sie als Vollzugsbehörde grundsätzlich bindende - Erlasslage gestützt. Sie hat vielmehr die aus dem Erlass sich ergebenden Erkenntnisse im Hinblick auf das Erkennen der fraglichen Kleidungsstücke ebenso in ihre Abwägung einbezogen wie ihre Erkenntnisse zur Person des Antragstellers, die seiner Verurteilung zugrunde liegenden Taten, seine auch hierin zum Ausdruck kommende Missachtung und Gewaltbereitschaft anderen Bevölkerungsgruppen und staatlichen Bediensteten gegenüber sowie den Umstand, dass in der Anstalt der Antragsgegnerin zahlreiche Migranten untergebracht sind.
Zwar liegt im Hinblick auf die sich hieran anknüpfende Rechtsfolge, das Untersa-gen des Besitzes von szenetypischer Kleidung, nicht sogleich eine Ermessensre-duzierung auf null vor; der Spielraum des der Anstalt insoweit eröffneten Ermes-sens ist angesichts der Offensichtlichkeit der Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung indessen schon nicht weit. Der Einwand der Strafvoll-streckungskammer, die Antragsgegnerin habe das Recht des Antragstellers auf freie Meinungsäußerung und freie Entfaltung seiner Persönlichkeit in ihre Ent-scheidung nicht einbezogen, greift daher zumindest im Ergebnis nicht durch. Der Senat kann jedenfalls ausschließen, dass die angefochtene Entscheidung der An-tragsgegnerin hierauf beruht. Der Eingriff in das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit infolge der angefochtenen Maßnahme wiegt nicht schwer. Entspre-chendes gilt für das Recht der freien Meinungsäußerung, das im Hinblick auf Ge-walt verherrlichendes und rechtsextremistisches Gedankengut ohnehin Grenzen unterliegt. Hierbei war auch zu berücksichtigen, dass bei einer wie vorliegend nur für die Zukunft wirkenden Rücknahme einer begünstigenden Maßnahme das öf-fentliche Interesse an der Gesetzmäßigkeit von Verwaltungshandeln regelmäßig individuelle Rechte übersteigt.
Dass die Antragsgegnerin wesentliche Teile zur Begründung für die angefochtene Maßnahme erst im Rahmen ihrer im gerichtlichen Verfahren eingeholten Stellung-nahme vorgebracht hat, ist unschädlich. Insoweit liegt kein unzulässiges Nach-schieben oder Austauschen von Gründen vor. Denn die maßgeblichen, die ange-fochtene Entscheidung tragenden Gesichtspunkte waren bereits in der schriftli-chen Begründung zu der Sicherstellung enthalten und diese sind im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens nicht in ihrem Wesensgehalt geändert worden.
2. Aus alledem folgt zugleich, dass der Antrag des Antragstellers, ihm die in seinem Haftraum sichergestellten Gegenstände (vorliegend Kleidungsstücke) wie-der auszuhändigen, ohne Erfolg bleiben musste und somit abzulehnen war. Ein Anspruch auf die beantragte Herausgabe besteht nicht. Schutzwürdige Rechte des Antragstellers werden durch das Einbehalten der in seinem Haftraum sicher-gestellten Kleidungsstücke nicht verletzt. Die Sache ist im Sinne von § 119 Abs. 4 Satz 2 StVollzG spruchreif, so dass der Senat insoweit eine eigene Sachentschei-dung treffen konnte.
Hiervon nicht erfasst wird indessen die Entscheidung der Strafvollstreckungs-kammer, soweit die Antragsgegnerin hiermit verpflichtet wurde, im Hinblick auf die übrigen einbehaltenen Gegenstände eine neue Entscheidung zu treffen. Denn insoweit ist die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer nicht angefochten. Hierüber wird die Antragsgegnerin gesondert zu entscheiden haben.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 StVollzG. Im Hinblick auf die Kosten für das gerichtliche Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer kam hierbei zum Tragen, dass der Antragsteller insoweit mit seinem Begehren anteilig jedenfalls einstweilen Erfolg hatte.
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