Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.
Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Braunschweig, Beschl. v. 12.07.2012 - Ss (OWi) 113/12
Leitsatz: 1. Nach § 26a StPO darf nur vorgegangen werden, wenn es sich um eine reine Formal-entscheidung handelt, die keine Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Einzelfalles erfordert. 2. Der Betroffene kann darauf vertrauen. dass über einen frühzeitig gestellten Terminsverlegungsantrag so rechtzeitig entschieden wird, dass ein Wechsel des Verteidigers bis zum Termin noch möglich ist.
Geschäftsnummer: Ss (OWi) 113/12 Beschluss In der Bußgeldsache gegen - Verteidiger: Rechtsanwalt Andre Geske, Bahnhofstraße 59, 33758 Schloß Holte-Stukenbrock hat der Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Braunschweig durch den Vorsitzenden als Einzelrichter am 12. Juli 2012 beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Goslar vom 30. April 2012 wird das genannte Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Goslar zu-rückverwiesen. Gründe: I. Der Landkreis Goslar erließ gegen den Betroffenen am 16. September 2011 einen Bußgeldbescheid. Nach Einspruch des Betroffenen bestimmte das Gericht bereits am 06.01.2012 Termin zur Hauptverhandlung auf den 30. April 2012. Mit Schriftsatz vom 26.03.2012 beantragte der Verteidiger, das Verfahren einzustellen und stellte zugleich den Antrag. andernfalls den Termin zur Hauptverhandlung wegen seines vom 27.04.2012 bis zum 01.05.2012 dauernden Kurzurlaubs zu verlegen. Mit am 19.04.2012 eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers vom 18. April 2012 gab der Betroffene zu, der Fahrer gewesen zu sein, und beantragte, ihn vom persönlichen Erscheinen zu entbinden. Zugleich suchte der Verteidiger ein weiteres Mal im Hinblick auf den Kurzurlaub um die Verlegung des Verhandlungstermins nach. Das Gericht befreite den Betroffenen am 24. April 2012 von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen, lehnte jedoch die begehrte Verlegung des Termins mit der Begründung ab. dass bereits am 10.01,2012 geladen worden sei und teilte dies dem Verteidiger des Betroffenen per Telefax mit. Daraufhin lehnte der Betroffene mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 25. April 2012 den zuständigen Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Wegen der Einzelheiten des Schriftsatzes, der in der Rechtsbeschwerdebegründung wörtlich wiedergegeben wird, wird auf BI. 50 - 54 d. A. verwiesen. Das Amtsgericht Goslar führte dennoch in Abwesenheit des Betroffenen und seines verhinderten Verteidigers die Hauptverhandlung durch. Drei Tage zuvor (am 27. April 2012) hatte das Gericht - durch den abgelehnten Richter selbst - das Befangenheits-gesuch als unzulässig mit der Begründung verworfen, dass durch den Antrag nur erreicht werden solle, dass der Hauptverhandlungstermin (doch noch) aufgehoben wird. Als weitere Begründung verwies der Beschluss auf die Verfügung des Vorsitzenden vom 24. April 2012. mit der der Antrag auf Verlegung des Termins - wegen der schon lange zurück liegenden Ladung - zurückgewiesen worden war. Sodann verurteilte das Amtsgericht den Betroffenen durch das angefochtene Urteil wegen eines fahrlässigen Verkehrsverstoßes (fahrlässiges Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts um 32 Km/h) zu einer Geldbuße von 120,- und verhängte zugleich ein Fahrverbot von 1 Monat. Gegen das am 09. Mai 2012 zugestellte Urteil hat der Betroffene mit einem am 14. Mai 2012 eingegangenen Schriftsatz Rechtsbeschwerde eingelegt und diese in einem weiteren, am 06. Juni 2012 eingegangenen Schriftsatz mit der Verfahrensrüge begründet. Er beantragt. das Urteil des Amtsgerichts Goslar aufzuheben und hat dazu auch vorgebracht. dass die Ordnungswidrigkeit wegen Verjährung nicht weiter verfolgt werden könne. Die Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig, die das Rechtsmittel unterstützt. hat beantragt wie erkannt. II. Die Rechtsbeschwerde hat mit der auf Verletzung des § 338 Nr. 3 StPO i. V. m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG gestützten, den Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO entsprechenden Verfahrensrüge Erfolg. Das Amtsgericht Goslar hat einen durch die Rechtsbeschwerde in zulässiger Weise aufgezeigten und zur Aufhebung des Urteils führenden Verfahrensverstoß dadurch begangen. dass es - durch den abgelehnten Richter selbst - das Befangenheitsgesuch ohne die gebotene Auseinandersetzung mit dem Inhalt dieses Gesuchs gemäß § 26a StPO als unzulässig verworfen und sodann in Abwesenheit des Verteidigers die Hauptverhandlung durchgeführt hat. Diese Vorgehensweise war rechtswidrig, weil im Befangenheitsgesuch Verfahrensverstöße aufgezeigt wurden und deshalb das Regelverfahren nach § 27 StPO - ohne den abgelehnten Richter - hätte gewählt werden müssen. Nach § 26a StPO darf nur vorgegangen werden, wenn es sich um eine reine Formal-entscheidung handelt, die keine Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Einzelfalles erfordert (BVerfG, Beschluss vom 02.06.2005, 2 BvR 625/01. 2 BvR 638101, juris, Rn. 57: BVerfG, Beschluss vom 27.04.2007. 2 BvR 1674706. juris, Rn. 53 ff.. 56). Herzu hat die Generalstaatsanwaltschaft ausgeführt (Auszug): ..Seit der Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 02.06.2005 (StV 2005, 473f.) und der hierauf fußenden höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGHSt 50. 216f.; BGH NStZ 2006, 51f.) ist ein Ablehnungs-gesuch im Sinne von § 338 Nr. 3 StPO "mit Unrecht verworfen", wenn die Verwerfung als unzulässig gemäß § 26a StPO durch den abgelehnten Richter auf einer willkürlichen oder die Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG grundlegend verkennenden Rechtsanwendung beruht; auf die sachliche Berechtigung des Ablehnungsgesuches kommt es dann - anders als in der vorangegangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung - nicht an (vgl. auch OLG Celle. 2. Senat für Bußgeldsachen. Beschluss vom 28.02.2007 - 323 Ss 21/07, juris, Rdnr. 7f. m. w. N.). Vorliegend hat der erkennende Richter der sich aus Art. 103 GG ergebenden Pflicht, auf den wesentlichen Vortrag des Betroffenen einzugehen und sich inhaltlich hiermit auseinanderzusetzen (BVerfG NZV 2005, 51: OLG Braunschweig. Beschluss vom 20.01.2012 - Ss (OwiZ) 206/11 m. w. N.), nicht entsprochen Der das Befangenheitsgesuch gemäß § 26a StPO" zurückweisende Beschluss enthält keine inhaltliche Begründung, sondern lediglich die Feststellung, dass durch den Antrag nur die Aufhebung des Hauptverhandlungstermins erreicht werden soll. Die in Bezug genommene. in den Urteilsgründen nicht wiedergegebene, sich jedoch aus der Rechtsmittelbegründungsschrift erschließende Verfügung vom 24.04.2012 vermag bereits deshalb keine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Befangenheitsantrages dar-zustellen, weil sie dem Gesuch vorangegangen ist. Hätte der erkennende Richter, wie es gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geboten gewesen wäre, sich mit dem inhaltlichen Vorbringen des Betroffenen auseinandergesetzt, hätte er erkannt, dass wegen Art. 101 S. 2 GG eine Entscheidung im Regelverfahren gemäß § 27 StPO herbeizuführen ist, weil nicht nur eine formale Entscheidung zu treffen ist. sondern sein vorangegangenes Verhalten im Zusammenhang mit den Anträgen auf Terminsverlegung vom 26.03. und 18.04.2012 und dem Telefonat vorn 18.04.2012 zu beurteilen ist. Ob dem in dem Befangenheitsantrag genannten Verfahrensfehler das erforderliche Gewicht zukommt, um im Regelverfahren Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen, ist dagegen für sich allein nicht beachtlich. Hierauf kommt es dann nicht an, wenn der abgelehnte Richter wie vorliegend unter grundlegendem Verstoß gegen Art. 101 GG selbst entscheidet, obgleich die Voraussetzungen des § 26a StPO (vgl. hierzu Meyer-Goßner, a. a. 0., § 26 Rdnr. 5ff.) offenkundig nicht gegeben sind (vgl. OLG Braunschweig. Beschluss vom 20.01.2012 Ss (OwiZ) 206/11 m. w. N.). Dem schließt sich der Senat auf der Grundlage seiner früheren Rechtsprechung (wie vor sowie Beschluss vom 12.03.2012. Ss (OWiZ) 39/12) an und fügt im Hinblick auf die vorn Betroffenen aufgeworfene Frage der Verjährung nur noch an, dass der Inhalt des Bußgeldbescheids die gesetzlichen Anforderungen (vgl. § 66 OWiG) erfüllt. Soweit die Rechtsbeschwerde rügt. dass der Bußgeldbescheid keinen ausformulierten Hinweis (Textzusatz) auf die dem Fahrverbot zugrunde liegende beharrliche Pflichtverletzung" enthält. würde dies allenfalls die Informationsfunktion des Bescheids berühren, aber nicht in Frage stellen. dass der Betroffene den gegen ihn erhobenen Vorwurf nach Art, Ort und Zeit erkennen und sich dagegen verteidigen kann. Der im Bußgeldbescheid zum Fahrverbot enthaltene Textzusatz. Fahrverbot gern § 4 Abs. 2 BKatV i.V.m. § 25 StVG" ist insoweit, weil der Bußgeldkatalog allgemein zugänglich ist, völlig ausreichend. um dem Betroffenen klar zu machen, was im konkreten Fall Anlass zum Fahrverbot gegeben hat. III. Abweichend vom Antrag der Generalstaatsanwaltschaft hat der Senat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht. die Sache in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 2 StPO an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen (vgl. Karlsruher Kommentar/Senge. 3.Aufl., § 79 OWiG An. 161), weil hierdurch vermieden wird, dass das Amtsgericht über das Befangenheitsgesuch nochmals - nunmehr im Regel- verfahren - entscheiden muss. Abschließend weist der Senat darauf hin, dass die abgelehnte Verlegung des Termins grundsätzlich nur dann nicht zu beanstanden gewesen wäre, wenn das Amtsgericht den Antrag rechtzeitig und unter Würdigung aller dafür und dagegen sprechenden Umstände beschieden hätte. Dass eine Terminsverlegung bei der Verhinderung eines Verteidigers in einfach ge-lagerten Fällen (und gerade in einfachen Bußgeldverfahren) mit einer rein individuellen Begründung ggf. trotz des Recht auf Verteidigung durch den Wahlverteidiger (siehe dazu OLG Braunschweig, Beschluss vom 20.01.2012 Ss (OwiZ) 206/1) abgelehnt werden kann, ist einhellige Rechtsprechung (vgl. hierzu: OLG Hamm, Beschluss vom 03.08.1999. 2 Ss OWi 590/99, juris. Rn. 15; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.01.2006, 1 Ss 165/05. juris, Rn. 7; OLG Koblenz, Beschluss vom 10.09.2009, 2 SsRs 54/09, juris, Rn. 7). Der abgelehnte Amtsrichter hat angesichts des erst am 27.03.2012 eingegangenen Verlegungsantrags daher grundsätzlich zu Recht darauf hingewiesen. dass der Verteidiger schon am 10.01.2012 (und damit bereits 2 und 1/2 Monate vor dem Verlegungsantrag) zur Hauptverhandlung geladen worden ist; und dass der in Aussicht genommene Verhandlungstag ein (zwischen dem Wochenende und dem nachfolgenden Maifeiertag liegender) sog. ,,Brückentag" sein würde. war bei Zugang der Ladung ebenfalls unschwer im Kalender zu erkennen. Daher wäre es Sache des Verteidigers gewesen, entweder (falls der Kurzurlaub bereits gebucht war) frühzeitig auf Verlegung des Termins anzutragen oder aber (falls der Kurzurlaub trotz des Verhandlungstermins erst später gebucht wurde) dem Betroffenen so recht-zeitig über seine Verhinderung zu informieren, dass dieser einen anderen Verteidiger beauftragen kann. Die Besorgnis einer Befangenheit hätte daher daraus nicht hergeleitet werden können, weil eine vom Verteidiger sehenden Auges herbeigeführte Terminkollision eine Verlegung des Termins nicht hätte rechtfertigen können. Andererseits konnte der Betroffene aber darauf vertrauen. dass über den bereits am 26.03.2012 erstmals gestellten Verlegungsantrag so rechtzeitig entschieden wird, dass ein Wechsel des Verteidigers bis zum Termin noch möglich ist. Hier hat das Amtsgericht den Antrag aber annährend einen Monat unbearbeitet gelassen und erst so kurz vor der Hauptverhandlung beschieden. dass dem Betroffenen die rechtzeitige Wahl eines anderen Verteidigers angesichts des enormen Zeitdrucks dadurch nahezu unmöglich gemacht wurde (vgl. dazu - für den Fall einer Entscheidung nach § 329 Abs. 1 StPO - OLG Koblenz. Beschluss vom 27.07.2009, 1 Ss 102/09, Juris, Rn. 27). Das Gericht hätte bei der in seinem Ermessen liegenden Entscheidung über den Verlegungsantrag daher diesen durch eigene Untätigkeit selbst herbeigeführten Umstand in ganz besondere Weise berücksichtigen, d. h. im Ergebnis durch Verlegung des Termins sicherstellen müssen, dass der von der Pflicht zum Erscheinen befreite Betroffene in der Hauptverhandlung verteidigt wird. IV. Die Entscheidung über die Kosten der Zulassungsbeschwerde ist dem Amtsgericht vorbehalten, da derzeit der endgültige Erfolg des Rechtsmittels nicht absehbar ist.
Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.
Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".