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Gericht / Entscheidungsdatum: AG Heidelberg, Beschl. v. 28.012.2013 - 3 OWi 779/12
Leitsatz: Der Verteidiger hat ein Einsichtsrecht in die gültige Bedienungsanleitung des bei einer Messung verwendeten Messgerätes. Diese ist durch Beifügung einer elektronischen- Kopie derselben zur Akte zu bringen und diese dem Verteidiger zur Einsicht zu überlassen. Dem Verteidiger ist ebenfalls der vollständigen Messfilm der Messung in Kopie auf einem ggf. durch den Verteidiger zur Verfügung zu stellenden Datenträger zu übermitteln. Der Verteidiger hat keinen Anspruch auf die Übersendung konkreter schriftlicher Angaben des Herstellers über die geräteinterne Funktionsweise des Messgeräts.
3 OWi 779/12 Heidelberg, den 28.01.2013 Bußgeldverfahren gegen wegen Verkehrs-OWi hier: Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die teilweise Versagung der Akteneinsicht durch das Regierungspräsidium Karlsruhe Zentrale Bußgeldstelle Beschluss 1. Auf Antrag des Verteidigers vom 03.12.2012 wird der Verwaltungsbehörde aufgegeben, a. die für die Softwareversion 3.2.4. gültige Bedienungsanleitung des verwendeten Messgeräts Poliscan Speed der Firma Vitronic Bildverarbeitungssysteme GmbH durch Beifügung einer -elektronischen- Kopie derselben zur Akte zu bringen und diese dem Verteidiger zur Einsicht zu überlassen; b. dem Verteidiger, RA Koch, Marktplatz 12, 88471 Laupheim den vollständigen Messfilm der verfahrensgegenständlichen Messung in Kopie - bei Wahrung der Persönlichkeitsrechte dritter Personen durch Übersendung zu dessen Aktenzeichen 2012/1907 auf einem gegebenenfalls durch den Verteidiger zur Verfügung zu stellenden Datenträger zu übermitteln. 2. Soweit der Betroffene die Übersendung konkreter schriftlicher Angaben des Herstellers über die geräteinterne Funktionsweise des Messgeräts Poliscan Speed begehrt, wird der Antrag vom 03.12.2012 abgelehnt Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse zu zwei Dritteln, der Betroffene zu einem Drittel.
Gründe: Mit Schreiben vom 03.12.2012 beantragte der Verteidiger die gerichtliche Entscheidung über die teilweise Versagung der Akteneinsicht durch die Verwaltungsbehörde vom 29.11.2012. Dem vorausgegangen war ein mit dem Einspruch gegen den am 17.11.2012 zugestellten Bußgeldbescheid vorn 14.11.2012 verbundenes Akteneinsichtsgesuch des Verteidigers vom 19.11.2012, dem die Verwaltungsbehörde durch Übersendung einer Aktenkopie am 20.11.2012 nachgekommen ist. Mit Schreiben vom 28.11.2012 beantragte der Verteidiger u.a., die Bedienungsanleitung des Geschwindigkeitsmessgerätes Poliscan Speed mit der Softwareversion 3.2.4, den Messfilm sowie schriftliche Angaben des Herstellers Vitronic des Gerätes Poliscan Speed über die geräteinterne Funktionsweise zur Einsicht in sein Büro zu übersenden. Dies wurde ihm seitens der Verwaltungsbehörde am 29.11.2012 mit der Begründung versagt, dass die Bedienungsanleitung für sich genommen kein taugliches Beweismittel sein könne, eine Einsichtnahme jedoch in den Räumen der Zentralen Bußgeldstelle nach vorheriger Terminsvereinbarung möglich sei. Eine Übersendung des kompletten Tatfilms könne ebenso wenig erfolgen, da dieser als Beweismittel auch gegen andere Verkehrsteilnehmer diene und nicht lediglich einem einzigen Bußgeldverfahren zugeordnet werden könne. Eine Übersendung verbiete sich schon aus der damit verbundenen Gefahr, dass das Beweismittel in Verlust gerate. Hierauf beantragte der Verteidiger die gerichtliche Entscheidung. Der Antrag gern § 62 OWiG ist gern. §§ 147 StPO, 46 Abs. 1 OWiG zulässig und begründet. Zwar besteht ein förmlicher Rechtsbehelf gegen die Versagung der Akteneinsicht durch die Verwaltungsbehörde gern. § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO i.V.m. 46 Abs. 1 OWiG nur bei Ablehnung der Akteneinsicht, nachdem die Verwaltungsbehörde den Abschluss der Ermittlungen in den Akten vermerkt hat (vgl. KK Ordnungswidrigkeitengesetz, 3. Auflage 2006, § 60 Rn. 103). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Mit Erlass des Bußgeldbescheides am 14.11.2012 hat die Verwaltungsbehörde jedoch zum Ausdruck gebracht, dass aus ihrer Sicht die Ermittlungen abgeschlossen sind, so dass der Antrag des Verteidigers zulässig ist. Der Antrag ist auch gern. § 147 StPO, 46 OWiG begründet. Danach ist der Verteidiger befugt, die dem Gericht vorzulegenden Akten einzusehen sowie die amtlich verwahrten Beweisstücke zu besichtigen. Das Akteneinsichtsrecht des Rechtsanwalts umfasst die Akte, die dem Gericht gern. § 199 Abs. 2 S. 2 StPO vorzulegen ist. Die Bedienungsanleitung und der vollständige Messfilm gehören dazu. Dies gilt zumindest dann, wenn der Betroffene wie hier Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Messung geltend macht. Die Bedienungsanleitung ist notwendig, um den gegebenenfalls als Zeugen zu befragenden Messbeamten sachgerecht zur ordnungsgemäßen Durchführung der Messung befragen zu können. Das Urheberrecht steht der Beifügung einer Kopie der Bedienungsanleitung - ggfalls als Computerdatei - nicht entgegen. Die Bedienungsanleitung für ein Geschwindigkeitsmessgerät beschreibt lediglich vorgegebene technische Zusammenhänge auf eine handwerklich definierbare Weise und ist deshalb keine eigenständige geistige Schöpfung des Autors (vgl. LG Ellwangen, VRR 2011, 117/ AG Ellwangen NZV 2011, 362). Als Bestandteil der Akte ist auch offensichtlich, dass die überlassenen Unterlagen nur für das vorliegende Verfahren verwandt und insbesondere nicht anderweitig veröffentlicht werden dürfen. Auch unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit kann die Einsicht in die Bedienungsanleitung des Messgeräts nicht versagt werden. Zum einen kommt es für die Erfüllung des Akteneinsichtsrechts als Konkretisierung des aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Rechts auf ein faires Verfahren nicht auf die Frage der Zumutbarkeit für die Verwaltungsbehörde an, zum anderen dürfte die Bedienungsanleitung als Computerdatei vorliegen und deshalb problemlos der Akte beigefügt werden können (vgl. auch Burhoff VRR 7/2011). Auch die gewünschten Dateien sind in Kopie und anonymisiert - zur Verfügung zu stellen, damit gegebenenfalls von Seiten des Betroffenen ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben werden kann bzw. generell die Erfolgsaussichten des Einspruchs beurteilt werden können, Soweit der Betroffene die Übersendung konkreter schriftlicher Angaben des Herstellers über die geräteinterne Funktionsweise des Messgeräts Poliscan Speed begehrt, war der Antrag vom 03.12.2012 abzulehnen. Die geräteinterne Funktionsweise ist ein Betriebsgeheimnis des Herstellers und wird von diesem nicht herausgegeben. Das Fehlen der diesbezüglichen Überprüfbarkeit verletzt auch nicht den Anspruch des Betroffenen auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör. Das Messgerät Poliscan Speed wurde durch die PTB geprüft und zugelassen. im Zulassungsverfahren muss die interne Funktionsweise des Geräts gegenüber der PTB offengelegt werden und wird von dieser geprüft. Das ist ausreichend. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 OWiG i.V.m. § 473 IV, 464d StPO. Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar.
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