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Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Bamberg, Beschl. v. 23.11.2012 - 3 Ss OWi 1567/12
Leitsatz: 1. Bei der Bewertung eines mit einem Fahrverbot außerhalb eines Regelfalls zu ahndenden Pflichtenverstoßes als beharrlich iSv. § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG kommt dem Zeitmoment entscheidende Bedeutung zu (Festhaltung u.a. an OLG Bamberg NJW 2007 3655 f. = zfs 2007, 707 f. = OLGSt StVG § 25 Nr. 36 = VRR 2007, 318 f.; OLG Bamberg DAR 2010, 98 f. = OLGSt StVG § 25 Nr. 47; DAR 2011, 399 f. und OLG Bamberg DAR 2012, 152 ff.). 2. Zwar kann auch eine wiederholte verbotswidrige Benutzungen eines Mobil- oder Autotelefons im Einzelfall die Anordnung eines Fahrverbots wegen einer beharrlichen Pflichtenverletzung rechtfertigen, jedoch darf auch hierbei das Zeit-moment nicht aus den Augen verloren werden (Festhaltung u.a. an OLG Bamberg NJW 2007, 3655 f. = NZV 2008, 48 f. = zfs 2007, 707 f. = VRR 2008, 36 f.).
Zum Sachverhalt: Das AG hat den Betr. am 23.08.2012 wegen einer als Führer eines Pkw mit Anhänger am 22.05.2012 fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit des unzulässigen Überholens (§§ 5 III Nr. 2, 49 I Nr. 5 StVO i.V.m. Zeichen 276 mit Zusatzzeichen) zu einer Geldbuße von 140 Euro verurteilt sowie gegen den Betr. ein mit der Anordnung nach § 25 IIa StVG verbundenes Fahrver-bot für die Dauer eines Monats verhängt. Mit seiner aufgrund der wirksamen, nämlich schon mit Einlegung des Einspruchs erklärten Einspruchsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch nur noch diesen betreffenden Rechtsbeschwerde rügt der Betr. die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führte zum Wegfall des Fahrverbots. Aus den Gründen: I. Die gemäß § 79 I 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechts-beschwerde erweist sich als erfolgreich, weil das AG zum Nachteil des Betr. zu Unrecht einen wertungsmäßig dem Regelfall eines beharrlichen Pflichtenverstoßes iSd. §§ 24, 25 I 1 [2. Alt.], 26 a StVG i.V.m. § 4 II Satz 2 BKatV gleichzusetzenden beharrlichen Pflichtenverstoß angenommen hat. 1. Von Beharrlichkeit iSd. § 25 I 1 StVG ist auszugehen bei Verkehrsverstößen, die zwar objektiv (noch) nicht zu den groben Zuwiderhandlungen zählen (Erfolgsunwert), die aber durch ihre zeit- und sachnahe wiederholte Begehung erkennen lassen, dass es dem Täter subjektiv an der für die Straßenverkehrsteilnahme notwendigen rechtstreuen Gesinnung und Einsicht in zuvor begangenes Unrecht fehlt, so dass er Verkehrsvor-schriften unter Missachtung einer oder mehrerer Vorwarnungen wiederholt verletzt (Handlungsunwert). Auch eine Häufung nur leicht fahrlässiger Verstöße kann unter die-sen Umständen mangelnde Rechtstreue offenbaren (BGHSt 38, 231/234 f; BayObLGSt 2003, 132/133 sowie st.Rspr. des Senats; zu den Voraussetzungen im Einzelnen rechtsgrundsätzlich OLG Bamberg NJW 2007 3655 f. = zfs 2007, 707 f. sowie OLGSt StVG § 25 Nr. 36 = VRR 2007, 318 f. [Deutscher]; vgl. auch OLG Bamberg DAR 2010, 98 f. = OLGSt StVG § 25 Nr. 47; DAR 2011, 399 f. und zuletzt DAR 2012, 152 ff., je-weils m.w.N.). a) Die Anordnung eines Fahrverbots wegen eines hier allein in Betracht kommenden beharrlichen Pflichtenverstoßes außerhalb eines Regelfalls iSv. § 4 II 2 BKatV ist wegen der Vorahndungslage des Betr. angezeigt, wenn der (neuerliche) Verkehrsverstoß zwar die Voraussetzungen des Regelfalls nicht erfüllt, jedoch wertungsmäßig dem Regelfall eines beharrlichen Pflichtenverstoßes im Sinne von § 25 I 1 StVG i.V.m. § 4 II 2 BKatV gleichzusetzen ist. Ungeachtet der schon angesichts des vom Betr. (allein) verfolgten Einspruchsziels denkbar knappen Ausführungen scheint auch das AG von diesem Maßstab jedenfalls zutreffend ausgegangen zu sein. b) Insbesondere kommt dem Zeitmoment, wie sich § 4 II 2 BKatV entnehmen lässt, Be-deutung für das Vorliegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes insoweit zu, als der Zeitablauf zwischen den jeweiligen Tatzeiten (Rückfallgeschwindigkeit) und des jeweili-gen Eintritts der Rechtskraft zu berücksichtigen ist. Daneben sind insbesondere Anzahl, Tatschwere und Rechtsfolgen früherer und noch verwertbarer Verkehrsverstöße im Einzelfall zu gewichten (OLG Bamberg a.a.O.). c) Der Begriff der Beharrlichkeit ist prinzipiell nicht nur losgelöst von der konkreten Schuldform zu bestimmen. Das Vorliegen der Anordnungsvoraussetzung eines Fahr-verbots, darunter die Wertung eines Pflichtenverstoßes als beharrlich im Sinne des § 25 I 1 StVG, ist auch unabhängig von dem gegebenenfalls auf einer späteren Stufe zu erörternden Eingreifen des Übermaßverbotes mit der Folge eines ausnahmsweisen Wegfalls des Fahrverbots zu beurteilen (OLG Bamberg a.a.O.). 2. Nach diesen Maßstäben kann hier anhand der seitens des AG seiner Rechtsfolgen-bemessung zugrunde gelegten Vorahndungen des Betr. noch nicht von einem wer-tungsmäßig dem Regelfall eines beharrlichen Pflichtenverstoßes im Sinne von § 25 I 1 StVG i.V.m. § 4 II 2 BKatV gleichzusetzenden Pflichtenverstoß ausgegangen werden: a) Gegen den Betr. wurde zuletzt wegen einer am 15.09.2010 begangenen Geschwin-digkeitsüberschreitung innerhalb geschlossener Ortschaften um 22 km/h eine Geldbuße von 160 Euro verhängt; Rechtskraft trat am 15.10.2010 ein. Jeweils wegen unerlaubter Benutzung eines Mobil- oder Autotelefons (Tatzeiten: 13.09.2010, 16.04.2009 und 16.12.2008) waren gegen den Betr. ferner jeweils Geldbußen von 40 Euro verhängt worden; Rechtskraft trat insoweit am 14.10.2010, 23.05.2009 bzw. am 20.01.2009 ein. Wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 32 km/h (Tatzeit: 29.12.2008), eines (einfachen) Rotlichtverstoßes (Tatzeit: 17.03.2008) sowie weiteren außerörtlichen Geschwindigkeitsüberschreitung um 21 km/h (Tatzeit: 07.12.2007) wurden überdies gegen den Betr. weitere Geldbußen über 150 Euro, 50 Euro und 40 Euro festgesetzt; Rechtskraft trat wegen dieser Taten am 13.02.2009, 12.04.2008 bzw. 26.02.2008 ein. b) Zwar ergibt sich hieraus, dass der Betr. in einem Zeitraum von knapp 4 ½ Jahren in 7 Fällen verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten ist und deshalb jeweils mit Geldbußen geahndet wurde. Andererseits war im verfahrensgegenständlichen Tatzeitpunkt am 22.05.2012 seit Rechtskraft der letzten Vorahndung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb geschlossener Ortschaften um 22 km/h immerhin schon ein Zeitraum von gut 1 Jahr und 7 Monaten vergangen, wobei der Richtwert von 26 km/h (vgl. § 4 II 2 BKatV) bislang nur in einem Fall überschritten wurde und zwischen dem Rechtskrafteintritt dieser Vorahndung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften um 32 km/h und dem verfahrensgegenständlichen Tatzeitpunkt ein Zeitraum von schon deutlich über 3 Jahren liegt. Für den ersten Geschwindigkeitsverstoß und den Rotlichtverstoß beträgt dieser Zeitraum sogar jeweils mehr als 4 Jahre. c) Diese Vorahndungssituation des Betr. rechtfertigt bei der gebotenen Gesamtbetrach-tung noch nicht den Schluss, das Gewicht des verfahrensgegenständlichen Überholver-stoßes entspreche wertungsmäßig demjenigen eines Regelfalls iSv. § 4 II 2 BKatV. Da sonstige Feststellungen für einen beharrlichen Pflichtenverstoß iSv. § 25 I 1 StVG, etwa für die Annahme eines auch subjektiv auf Gleichgültigkeit beruhenden besonders ver-antwortungslosen Verkehrsverhaltens des Betr., nicht getroffen wurden, kann die Fahr-verbotsanordnung keinen Bestand haben. d) Hieran vermögen schließlich auch die 1 Jahr und 8 Monate, gut 3 Jahre und fast 3 ½ Jahre zurückliegenden und vom AG für die Anordnung des Fahrverbots als ausschlag-gebend gewerteten [insbesondere] verbotswidrigen vorsätzlichen Benutzungen eines Mobil- oder Autotelefons und ihre jeweilige Regelahndung mit einem Bußgeld über 40 Euro nichts zu ändern, zumal insoweit regelmäßig von vorsätzlicher Tatbestands-verwirklichung auszugehen ist (treffend: OLG Hamm, Beschluss vom 20.04.2007 2 Ss OWi 227/07 [bei juris] = VRS 113, 75 ff. = VerkMitt 2007, Nr. 98; vgl. auch Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Aufl., Rn. 1988 m.w.N.). Zwar kann ein wiederholter Verstoß gegen § 23 Ia StVO im Einzelfall die Anordnung eines Fahrverbots wegen einer beharrlichen Pflichtenverletzung im Sinne von § 25 I StVG rechtfertigen (OLG Thüringen DAR 2007, 157 f. = VRS 111, 205 ff. sowie eingehend OLG Bamberg NJW 2007, 3655 f. = NZV 2008, 48 f. = zfs 2007, 707 f. = VRR 2008, 36 f. [Gieg]; Burhoff Rn. 1991), jedoch darf hierbei wie auch sonst das schon oben angesprochene Zeitmoment nicht aus den Augen verloren werden. 3. Demgegenüber besteht für den Senat keine Veranlassung, die festgesetzte Geld-buße zu reduzieren. Das AG durfte aufgrund der Vorahndungen des Betr. die Verhän-gung lediglich der Regelbuße als offensichtlich unzureichende Rechtsfolge ansehen und deshalb die Regelgeldbuße verdoppeln. II. Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 III StPO im. § 46 I OWiG. Wegen der Wechselwirkung von Fahrverbot und Geldbuße kam eine weitergehende Einspruchsbeschränkung nur auf die Frage der Fahrverbotsanordnung aus Rechts-gründen nicht in Betracht (vgl. hierzu eingehend Burhoff/Gieg Rn. 694 m.w.N.). Da der Betr. sein von vornherein ausdrücklich erklärtes Rechtsschutzziel, nämlich den Wegfall des Fahrverbots, erreicht hat, erweist sich die Rechtsbeschwerde als in vollem Umfang erfolgreich, so dass der Staatskasse die Kosten und notwendigen Auslagen des Betr. aufzuerlegen waren (KK/Gieg StPO 6. Aufl. § 473 Rn. 6 m.w.N.).
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