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Entscheidungen

Gebühren

Abtretungsanzeige, Aufrechnung, Kostenerstattung

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Würzburg, Beschl. v. 08.11.2012 - 1 Qs 193/12

Leitsatz: Es ist i.S. des § 43 Satz. 2 RVG ausreichend wenn der Rechtsanwalt eine von dem Beschuldigten/Betroffenen unterschriebene Erklärung zu den Akten gibt, dass Ansprüche auf Erstattung an den Rechtsanwalt abgetreten sind. Der Beschuldigte muss diese Anzeige nicht selbst zur Akte geben.


1 Qs 193/12
Beschluss
In pp.
Das Landgericht Würzburg - 1. Strafkammer als Beschwerdekammer – erlässt in dem Strafverfahren gegen pp
am 08:11.2012 ohne mündliche Verhandlung folgenden
BESCHLUSS:
Der Beschluss des Amtsgerichts Kitzingen vom 05.09.2012, mit dem die Erinnerung gegen die Aufrechnungserklärung der Staatsanwaltschaft Würzburg vom 11.06.2012 als unbegründet zurückgewiesen wurde, wird aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass die Aufrechnungserklärung der Staatsanwaltschaft Würzburg vom 11.06.2012 unwirksam ist.

Gründe
In dem Verfahren 972 VRs 9071/05 besteht seitens des Freistaats Bayern gegen den rechtskräftig verurteilten Kostenschuldner X. ein Anspruch auf Zahlung der Verfahrenskosten in Höhe von 421,46, EUR.

In dem Verfahren Ds 125 Js 8422/09 des Amtsgerichts Obernburg - Zweigstelle Miltenberg - besteht ein Auszahlungsanspruch von X. gegen die Staatskasse in Höhe von 417,69 EUR. Dieser Betrag wurde bereits zur Auszahlung angeordnet.

In dem erstgenannten Verfahren ist die Staatsanwaltschaft Würzburg Vollstreckungs-behörde. Diese hat am 11.06.2012 die Aufrechnung der Kostenforderung aus dem Verfahren 972 VRs 9071/05 mit dem Erstattungsanspruch des X. aus dem Verfahren Ds 125 Js 8422/09 erklärt (BI. 216 d.A.).

Mit Schriftsatz vom 05.07.2012 (BI. 227 d.A.), gerichtet an die Staatsanwaltschaft Würzburg, wandte sich .der Beschwerdeführer, Herr Rechtsanwalt M. als Verteidige des X. gegen die Aufrechnung der Staatsanwaltschaft Würzburg. Er führte hierzu aus, dass sein Mandant ihm seinen Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse abgetreten habe und er am 11.04 2012 zusammen mit seinem Vergütungsantrag bei dem Amtsgericht Obernburg — Zweigstelle Miltenberg — eine entsprechende Abtretungsanzeige zur Akte gegeben habe, weshalb eine Abtretung gem. § 43 Satz 2 RVG nicht möglich sei.

Auf. Anforderung der Staatsanwaltschaft Würzburg übersandte Rechtsanwalt M. mit Schriftsatz vom 20.06.2012 (BI. 221 d..) die Kopie einer Abtretungserklärung folgenden Inhalts (BI. 202 d.A.):•
„In dem Strafverfahren gegen X Aktenzeichen des Amtsgerichts Miltenberg 1 Ds 125 Js 8422/09, des Landgerichts Aschaffenburg 3 Ns Ds 125 JS 8422/09 trete ich hiermit meine Ansprüche gegen die Staatskasse auf Erstattung der notwendigen Auslagen umfassend an meinen Verteidiger Herrn Rechtsanwalt M., Würzburg ab.
Ort, Datum: Mannheim 28.03.2012.

Das Schreiben trägt nur die Unterschrift X. nicht auch die von Herrn Rechtsanwalt M.

Mit Schriftsatz vom 05.07.2012 (BI. 227 d.A.) legte der Verteidiger Erinnerung, hilfsweise das zulässige Rechtsmittel, gegen die Aufrechnungserklärung der Staatsanwaltschaft Würzburg vom 11.06,2012 ein und legte dar, dass die Aufrechnung seiner Auffassung nach gem. § 43 Satz 2 RVG unwirksam sei. Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf den Schriftsatz Bezug genommen.

Die Bezirksrevisorin des Landgerichts Würzburg beantragte am 03.08.2012 namens der von ihr vertretenen Staatskasse die Erinnerung als unbegründet zurückz4veisen und festzustellen, dass die Aufrechnung der Staatsanwaltschaft Würzburg wirksam sei (BI. 234 d.A.).

Das Amtsgericht Kitzingen wies die Erinnerung gegen die Aufrechnungserklärung der Staatsanwaltschaft Würzburg vom 11.06.2012 mit Beschluss vorn 05.9.2012 als unbegründet zurück (BI. 238 f. d.A.,), da die Voraussetzungen des § 43 Satz 2 RVG nicht gegeben seien. Auf die Einzelheiten der Begrünung des Beschlusses wird Bezug genommen.'

Gegen diesen, ihm formlos mitgeteilten Beschluss legte Herr Rechtsanwalt M. mit Schriftsatz vom 02.10.2012, bei Gericht eingegangen am 04.10.2012, das Rechtsmittel der Beschwerde ein.

Die Staatsanwaltschaft Würzburg und die Bezirksrevisorin als Vertreterin der Staatskasse beantragten übereinstimmend, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen und , festzustellen, dass die Aufrechnung durch die Staatsanwaltschaft Würzburg wirksam sei.


II.

(1.) Gegen eine Entscheidung über die Erinnerung ist die (einfache) Beschwerde gem. § 66 Abs. 2 GKG das statthafte Rechtsmittel. Die Beschwerdesumme ist erreicht, die Beschwerde auch ansonsten zulässig.

(2.)
Das Rechtsmittel ist im Ergebnis auch begründet.

Nach § 43 Satz 1 RVG ist, wenn der Beschuldigte/Betroffene seinen Anspruch gegen die Staatskasse auf Erstattung von Anwaltskosten als notwendige Auslagen an den Rechtsanwalt abritt, eine von der Staatsanwaltschaft gegenüber dem Beschuldigten/Betroffenen erklärte Aufrechnung insoweit unwirksam, als sie den Anspruch des Rechtsanwalts vereiteln oder beeinträchtigen würde. Gemäß § 43 Satz 2 RVG dieser Vorschrift gilt dies jedoch nur, wenn zu dem Zeitpunkt der Aufrechnung entweder (a) eine Urkunde über die Abtretung oder (b) eine Anzeige des Beschuldigten/Betroffenen über die Abtretung in den Akten vorliegt.

(a) Die Kammer teilt die rechtliche Auffassung des Amtsgerichts Kitzingen und der von der Bezirksrevisorin .vertretenen Staatskasse insoweit, dass die von Herrn Rechtsanwalt M. zur Akte gegebenen „Abtretungserklärung“ keine Urkunde über die Abtretung im Sinne des § 43 Satz 2 RVG darstellt, da sie nur die Erklärung und Unterschrift des Zedenten, nicht aber auch die des Zessionars enthält und für die Wirksamkeit erforderlich wäre, dass beide auf der Urkunde unterschreiben. Da eine wirksame Abtretung zivilrechtlich zwei Willenserklärungen voraussetzt, die von dem Zedenten abgegebene Abtretungserklärung von dem Zessionar angenommen werden muss, bedarf eine Urkunde über die erfolgte Abtretung folglich der Unterschrift beider Beteiligter.

(b) Wenn die einseitige schriftliche „Abtretungserklärung" des Herrn X. aus den dargestellten
Gründen auch keine Urkunde über die Abtretung ist, so erfüllt .sie jedoch die Voraussetzungen einer Anzeige des Beschuldigten über die Abtretung. Dass diese als „Abtretungserklärung", nicht "Abtretungsanzeige" bezeichnet ist, schadet nicht,

Die Kammer vermag — anders als das Amtsgericht Kitzingen und die Bezirksrevisorin — dem Gesetzestext nicht zu entnehmen, dass die Anzeige über die Abtretung durch den Beschuldigten zur Akte gelangen muss. Vielmehr verlangt das Gesetz nur, dass die Abtretungsanzeige „des Beschuldigten", nicht „durch den Beschuldigten" zur Akte gelangen muss, die Abtretungsanzeige also von dem Beschuldigten stammen und sie in der Akte vorliegen muss.

Die gegenteilige Auffassung, der Beschuldigte selbst müsse die Anzeige zur Akte geben, findet weder in dem Gesetzestext noch in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 15/1971, S. 199) einen Anhaltspunkt, findet auch — soweit ersichtlich — in der einschlägigen Kommentarliteratur keinen Vertreter.

Der gesetzliche Zweck der Regelung des § 43 Satz 2 RVG ist laut Gesetzesbegründung (a.a.O.) der Ausschluss von Zweifeln an der Wirksamkeit einer Aufrechnungserklärung. Aus diesem Grunde „soll darauf abgestellt werden, ob die Abtretungsurkunde oder eine Abtretungsanzeige des Beschuldigten oder Betroffenen bei dem Gericht öder bei der Verwaltungsbehörde eingegangen ist" (BT-Drucks, 15/1971, S. 199). Auch bei teleologischer Auslegung der Vorschrift ist es daher nicht von Bedeutung, ob die Abtretungsanzeige von dem Beschuldigten selbst bei Gericht eingereicht wird, oder von dessen anwaltlichem Vertreter.

Insoweit' bedarf es auch der von dem Verteidiger angedachten rechtlichen Konstruktion, dass er die Anzeige als Vertreter oder Bote seines Mandanten bei Gericht eingereicht habe, nicht.

Da die Aufrechnung der Staatsanwaltschaft den an den Beschwerdeführer abgetretenen Anspruch im Sinne des § 43 Satz 1 RVG beeinträchtigt und die Voraussetzungen des § 43 Satz 2 RVG vorliegen, war der Beschwerde vollumfänglich stattzugeben.

(3.)
Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).

Einsender: RA Mulzer, Mannheim

Anmerkung:


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