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Entscheidungen

Haftfragen

Haftfortdauer, Verhältnismäßigkeit, Begründung, Haftfortdauerentscheidung

Gericht / Entscheidungsdatum: VerfGH Sachsen, Beschl. v. 14.08.2012 - Vf. 60-IV-12 (HS)

Leitsatz: 1. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft kommt der Frage des tatsächlich zu erwartenden Freiheitsentzugs entscheidende Bedeutung zu. Bei der Prüfung sind insbesondere eine eventuelle Anrechnung erlittener Untersuchungshaft und die dann noch zu verbüßende Strafhaft zu beachten.
2. Die Feststellung von Verfahrensverzögerungen bedarf einer Prüfung anhand des konkreten Einzelfalls. Verzögerungen müssen nachvollziehbar dargestellt werden. Eine pauschale Bezugnahme auf den besonderen Umfang der Sache und die Komplexität des Verfahrens ist nichtssagend.


In dem Verfahren
über die Verfassungsbeschwerde
und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
des Herrn H.,
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt Stefan Heinemann,
Bautzner Straße 98, 01099 Dresden
hat der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen durch
die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes Birgit Munz,
die Richter Jürgen Rühmann,
Christoph Degenhart,
Matthias Grünberg,
Ulrich Hagenloch,
Hans Dietrich Knoth,
Rainer Lips,
Jochen Rozek und
Hans-Heinrich Trute
am 14. August 2012
beschlossen:
Tenor:
1. 1.
Dem Beschwerdeführer wird wegen der Versäumung der Einlegungs- und Begründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
2. 2.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 4. Juni 2012 (2 Ws 216/12) verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 16 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf. Er wird aufgehoben; die Sache wird an das Oberlandesgericht Dresden zurückverwiesen.
3. 3.
Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde verworfen.
4. 4.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
5. 5.
Der Freistaat Sachsen hat dem Beschwerdeführer die Hälfte seiner notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe
I.
Mit seiner am 6. Juli 2012 bei dem Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen eingegangenen Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen einen Haftfortdauerbeschluss des Landgerichts Dresden vom 15. März 2012 (5 KLs 395 Js 2/10) und gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 4. Juni 2012 (2 Ws 216/12), mit dem seine Beschwerde gegen den Haftfortdauerbeschluss vom 15. März 2012 als unbegründet verworfen wurde. Zugleich beantragt er, im Wege einer einstweiligen Anordnung den Haftbefehl des Amtsgerichts Dresden vom 19. Juli 2010 (270 Gs 2269/10) aufzuheben und seine sofortige Entlassung aus der Untersuchungshaft anzuordnen.
Mit Anklage zum Landgericht Leipzig vom 23. August 2010 legte die Generalstaatsanwaltschaft Dresden dem Beschwerdeführer Bestechlichkeit in drei Fällen, jeweils im besonders schweren Fall (Nr. 1 b und c sowie 2 b der Anklageschrift), in allen drei Fällen in Tateinheit mit Untreue, jeweils im besonders schweren Fall (Nr. 1 a, 2 a und 3 der Anklageschrift), und Bilanzfälschung in drei Fällen (Nr. 4 bis 6 der Anklageschrift) sowie Steuerhinterziehung in vier Fällen (Nr. 7 bis 10 der Anklageschrift) zur Last. Zwei Mitangeschuldigten legte sie gemeinschaftliche Bestechung in drei Fällen, jeweils im besonders schweren Fall, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue, jeweils im besonders schweren Fall, zur Last.
Dem Beschwerdeführer wurde u.a. angelastet, als Geschäftsführer der K. GmbH (K.) einen sog. UK-Leasingvertrag über Teile des Abwassernetzes ohne Information der zuständigen Gremien über Kosten und Risiken geschlossen und dafür gesorgt zu haben, dass der daraus erzielte Ertrag von mehr als 3,4 Mio. GBP nicht an die K., sondern zum Großteil an die Mitangeschuldigten, ihn selbst und weitere Personen geflossen sei (Nr. 1 a der Anklage). Im Zusammenhang mit diesem Vertrag habe der Beschwerdeführer zudem von den Mitangeschuldigten 945.945 EUR für sich (Nr. 1 b der Anklage) sowie mit Blick auf künftige gewinnbringende Transaktionen eine als Spende getarnte Drittzuwendung in Höhe von 150.000 EUR für den Sportverein F. gefordert und erhalten (Nr. 1 c der Anklage). Darüber hinaus habe die durch den Beschwerdeführer vertretene K. auf Vermittlung der Mitangeschuldigten in vier Collateralized Debt Obligations (CDO) Kreditausfallrisiken im dreistelligen Millionenbereich übernommen. In dem Wissen, dass diese Transaktionen nicht mit dem Unternehmenszweck vereinbar und daher nicht genehmigungsfähig seien, habe der Beschwerdeführer diese Verträge ohne vorherige Zustimmung der zuständigen Gremien abgeschlossen. Zudem habe er bewusst CDO-Transaktionen in einem spekulativen Bereich gewählt. Die Gebühren in Höhe von 34,7 Mio. USD und 7,7 Mio. EUR, die der K. aus diesen Geschäften zugestanden hätten, seien nahezu komplett vom Beschwerdeführer und von den Mitangeschuldigten aufgrund einer völlig überhöhten Provisionsvereinbarung vereinnahmt worden. Der der K. verbleibende Überschuss von 7 Mio. USD sei in deren Büchern nie aufgetaucht und später ebenfalls verloren gegangen. Die Provisionen seien auf Konten der W.-Bank in den USA geflossen, für das die Mitangeschuldigten eine - u.a. vom Beschwerdeführer unterzeichnete - Vollmacht besessen hätten, mit der sie unkontrolliert über die Gelder hätten verfügen können (Nr. 2 a der Anklage).
Aus der Provision der Mitangeschuldigten habe der Beschwerdeführer mehr als 3,2 Mio. USD dafür erhalten, dass er diese riskanten Geschäfte ohne Zustimmung der zuständigen Gremien abgeschlossen habe bzw. noch abschließen werde (Nr. 2 b der Anklage).
Bereits mit Haftbefehl vom 22. Februar 2010 (272 Gs 555/10) hatte das Amtsgericht Dresden die Untersuchungshaft gegen den Beschwerdeführer wegen des dringenden Verdachts der Untreue im besonders schweren Fall, der Steuerhinterziehung sowie der Bilanzfälschung angeordnet.
Der Beschwerdeführer war daraufhin am 26. Februar 2010 festgenommen worden und befand sich seitdem in Untersuchungshaft. Am 16. März 2010 hatte das Amtsgericht Dresden diesen Haftbefehl durch einen neuen - nunmehr u.a. auch auf den Tatvorwurf der Bestechlichkeit in besonders schwerem Fall - lautenden Haftbefehl (272 Gs 826/10) ersetzt.
Diesen hatte es mit Beschluss vom 22. Juni 2010 außer Vollzug gesetzt. Nachdem das Landgericht Dresden den Außervollzugsetzungsbeschluss am 2. Juli 2010 aufgehoben und den Haftbefehl vom 16. März 2010 mit Maßgaben wieder in Vollzug gesetzt hatte, war der Beschwerdeführer am 2. Juli 2010 erneut festgenommen worden und befindet sich seitdem - nur unterbrochen durch eintägige Außervollzugsetzungen zur Behandlung eines Augenleidens - in Untersuchungshaft. Letztmalig hatte das Amtsgericht Dresden am 19. Juli 2010 den Haftbefehl vom 16. März 2010 durch einen neuen Haftbefehl (270 Gs 2269/10) ersetzt, in dem es dem Beschwerdeführer Bestechlichkeit in drei Fällen, jeweils im besonders schweren Fall, Untreue in sechs Fällen, jeweils im besonders schweren Fall, Bilanzfälschung in drei Fällen und Steuerhinterziehung in zwei Fällen zur Last legte.
Nach der Anklageerhebung ordnete das Oberlandesgericht Dresden im Rahmen der ersten Haftprüfung gemäß §§ 121, 122 StPO mit Beschluss vom 8. September 2010 die Fortdauer der Untersuchungshaft an.
Mit Beschluss vom 9. November 2010 ließ das Landgericht Leipzig die Anklage gegen den Beschwerdeführer und die Mitangeklagten u.a. mit der Maßgabe zur Hauptverhandlung zu, dass hinsichtlich der in der Anklage unter Nr. 1 und 2 angeklagten Taten nur ein hinreichender Tatverdacht der Bestechlichkeit im besonders schweren Fall bzw. der gemeinschaftlichen Bestechung im besonders schweren Fall in insgesamt drei Fällen bestehe. Für die darüber hinaus insoweit tateinheitlich angeklagte Untreue bzw. Beihilfe zur Untreue bestehe kein hinreichender Tatverdacht. Mit dieser Maßgabe ordnete das Gericht zudem die Haftfortdauer an.
Am 19. Januar 2011 verurteilte das Landgericht Leipzig den Beschwerdeführer wegen Bestechlichkeit in drei Fällen (II.1. bis 3. der Urteilsgründe = Nr. 1 b und c sowie 2 b der Anklageschrift), Untreue (Nr. 3 der Anklageschrift), Bilanzfälschung in drei Fällen (Nr. 4 bis 6 der Anklageschrift) und Steuerhinterziehung in vier Fällen (Nr. 7 bis 10 der Anklageschrift) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und elf Monaten. Zugleich ordnete es nach Maßgabe der Verurteilung Haftfortdauer an. Die Mitangeklagten verurteilte es jeweils wegen Bestechung in drei Fällen. In der Begründung des Urteils führte das Gericht u.a. aus, über die weiteren tateinheitlich angeklagten Untreuevorwürfe habe es nicht zu entscheiden gehabt, da insoweit wegen Verstoßes gegen § 184 GVG keine wirksame Anklage vorgelegen habe. Die wesentlichen Beweismittel, auf die sich die Generalstaatsanwaltschaft zur Begründung des Untreuevorwurfs stütze, seien der Anklage nur zu einem Bruchteil in deutscher Sprache beigefügt gewesen. Ein Teil der Verträge und Vereinbarungen liege ausschließlich in englischer Sprache vor. Das Gericht habe auch nicht darüber befinden müssen, ob es sich bei den Konten der W.-Bank um eine von dem Beschwerdeführer eingerichtete, den Untreuevorwurf begründende schwarze Kasse gehandelt habe. Darauf erstrecke sich der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft nicht; es handele sich um eine andere prozessuale Tat. Diese Konten seien zwar im Anklagesatz erwähnt. Weder aus der Tatumschreibung noch aus dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen lasse sich jedoch ein Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft entnehmen.
Mit Urteil vom 9. November 2011 hob der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts Leipzig jeweils mit den zugrundeliegenden Feststellungen auf die Revisionen der Generalstaatsanwaltschaft im Schuldspruch zu den Taten II. 1. bis 3. des Urteils und im gesamten Rechtsfolgenausspruch auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an eine Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Dresden zurück.
Zur Begründung führte der Bundesgerichtshof u.a. aus, das Rechtsmittel habe bereits mit der Sachrüge Erfolg. Die Anklageschrift leide an keinem zu einem Verfahrenshindernis führenden Mangel. Die Regelung des § 184 GVG betreffe außerhalb des Verfahrens entstandene, ggf. als Beweismittel in Betracht kommende Schriftstücke nicht. Sie zwinge die Staatsanwaltschaft insbesondere nicht dazu, derartige Urkunden bei Erhebung der Anklage in deutscher Übersetzung vorzulegen. Das Landgericht habe auch darüber zu befinden gehabt, ob es sich bei den in der Anklageschrift angesprochenen Konten bei der W.-Bank um eine vom Beschwerdeführer mit Hilfe der beiden Mitangeklagten eingerichtete "schwarze Kasse" handele. Das diese Konten betreffende Geschehen sei vom staatsanwaltschaftlichen Verfolgungswillen umfasst gewesen, da es Eingang in den konkreten Anklagesatz gefunden habe. Unabhängig davon wäre das Landgericht auch schon deshalb verpflichtet gewesen, die Vorgänge um die Provisionszahlungen rechtlich umfassend zu würdigen, weil diese ihm jedenfalls zur Begründung einer Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit bzw. Bestechung zur Beurteilung unterbreitet worden seien.
Bei den zugrundeliegenden Abläufen habe es sich um eine Tat im prozessualen Sinn gehandelt.
Mit Beschluss vom 19. Dezember 2011 setzte das Landgericht Dresden den Haftbefehl für die Dauer eines stationären Krankenhausaufenthalts zur Behandlung einer Augenkrankheit des Beschwerdeführers vom 27. bis zum 28. Dezember 2011 sowie vom 9. bis 10. Januar 2012 außer Vollzug. Am 4. Januar 2012 gingen die Verfahrensakten beim Landgericht Dresden ein.
Am 28. Februar 2012 beantragte der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Haftprüfung. Nach Anhörung des Beschwerdeführers hielt das Landgericht Dresden mit Beschluss vom 15. März 2012 den Haftbefehl vom 19. Juli 2010 aufrecht und in Vollzug. Der Beschwerdeführer sei der darin aufgeführten Taten weiterhin dringend verdächtig. Es bestehe Fluchtgefahr. Der Beschwerdeführer habe eine sehr hohe Gesamtfreiheitsstrafe zu erwarten, die im Fall der Erweislichkeit der Tatvorwürfe eine Größenordnung von acht Jahren erreichen könne. Zu den bislang nicht behandelten Untreuevorwürfen habe er sich nicht geständig eingelassen.
Der Beschwerdeführer stehe vor den Trümmern seiner Existenz und habe mit exorbitanten Schadensersatzforderungen zu rechnen. Dem daraus resultierenden Fluchtanreiz stünden soziale Bindungen nicht in ausreichendem Maße gegenüber. Seine Lebensgefährtin besuche ihn zwar regelmäßig; die Beziehung sei - da erst wenige Wochen vor der Inhaftierung eingegangen - in Freiheit aber nie richtig erprobt worden. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft sei auch verhältnismäßig. Die Haft dauere noch nicht einmal die Hälfte der Zeit an, die das Landgericht als Freiheitsstrafe verhängt und die der Beschwerdeführer akzeptiert habe. Der Beginn der neuen Hauptverhandlung im Juni 2012 rund sechs Monate nach Eingang der Akten in diesem äußerst umfangreichen und vor allem inhaltlich komplexen Verfahren sei auch unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit der Haftfortdauer nicht zu beanstanden, zumal Terminsabstimmungsprobleme einen früheren Termin erheblich erschwert hätten.
Mit Verfügung vom 9. Mai 2012 bestimmte der Vorsitzende Termin zur Hauptverhandlung auf den 2., 5., 6., 9., 12., 13., 16., 20., 23., 26., 27. Juli 2012 und 27. August 2012 sowie auf jeden nachfolgenden Montag und Dienstag pro Woche bis einschließlich Dienstag, den 11. Dezember 2012.
Gegen den Beschluss vom 15. März 2012 legte der Beschwerdeführer am 9. Mai 2012 Beschwerde ein. Dieser half das Landgericht nicht ab.
Mit Beschluss vom 4. Juni 2012 verwarf das Oberlandesgericht Dresden die Beschwerde als unbegründet. Es bestehe Fluchtgefahr. Der Beschwerdeführer habe mit einer das vom Landgericht Leipzig ausgeurteilte Strafmaß möglicherweise deutlich übersteigenden Strafe zu rechnen.
Die derzeitige Beziehung des Beschwerdeführers sei nicht derart stabil, um dem aus der hohen Straferwartung resultierenden Fluchtanreiz zu begegnen. Im Übrigen sehe sich der Beschwerdeführer zivilrechtlichen Ansprüchen in einer Größenordnung ausgesetzt, die die Rückkehr in eine bürgerliche Existenz in absehbarer Zeit unmöglich mache. Dass der Beschwerdeführer während der vorangegangenen Außervollzugsetzungen keinen Fluchtversuch unternommen habe, führe zu keiner anderen Bewertung. Unter dem Druck der bevorstehenden zweiten Hauptverhandlung, in der ein erhöhtes Strafmaß zu erwarten sei, werde der Beschwerdeführer versuchen, sich dem Strafverfahren zu entziehen. Im Übrigen sei nicht anzunehmen, dass er im Zusammenhang mit den Maßnahmen zur Behandlung seines Augenleidens die Gelegenheit gehabt habe, eine etwaige Flucht umfassend vorzubereiten. Mildere Mittel zur Erreichung des Haftzweckes seien nicht zu erkennen. Angesichts der zu erwartenden Strafe sei der weitere Vollzug der Untersuchungshaft auch verhältnismäßig. Dem stehe auch der Umstand nicht entgegen, dass durch die Aufhebung des Urteils des Landgerichts Leipzig möglicherweise eine Verfahrensverzögerung eingetreten sei. Die Abwägung ergebe vorliegend keine überlange Verfahrensdauer, die sich im Hinblick auf die Fortdauer der Haft zugunsten des Beschwerdeführers auswirken müsse. Die zu Unrecht erfolgte Nichteröffnung des Verfahrens durch das Landgericht Leipzig habe nur zur Folge gehabt, dass das Gericht sich nicht genötigt gesehen habe, eine umfangreiche Beweisaufnahme durchzuführen und so in wesentlich kürzerer Zeit eine auf dem Teilgeständnis des Beschwerdeführers beruhende Entscheidung habe treffen können. Hätte das Landgericht eine umfängliche Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen gehabt, hätte es aufgrund der teilweisen Nichtgeständigkeit des Beschwerdeführers hinsichtlich der davon betroffenen Vorwürfe eine umfangreiche Beweisaufnahme in einem komplexen Verfahren durchführen müssen. Damit sei zweifelhaft, ob das erstinstanzliche Verfahren überhaupt schon hätte beendet werden können, so dass sich die mit der Durchführung des Revisionsverfahrens eingetretene Verzögerung relativiere und sich jedenfalls derzeit für die Frage der Fortdauer der Untersuchungshaft nicht erheblich auswirke.
Zudem werde das Landgericht Dresden das Verfahren beschleunigt durchführen können, da der Bundesgerichtshof die erste Entscheidung in wesentlichen Teilen bestätigt habe. Angesichts des geplanten Beginns der Hauptverhandlung im Juli 2012 könne mit einem Verfahrensabschluss in angemessener Zeit gerechnet werden.
Der Beschwerdeführer sieht sich in seinem Freiheitsgrundrecht aus Art. 16 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf i.V.m. Art. 17 Abs. 1 Satz 1 SächsVerf verletzt. Zur Begründung führt er aus, er befinde sich seit mittlerweile 27 Monaten in Untersuchungshaft. Das Oberlandesgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass der Beziehung zu seiner Lebensgefährtin, die er am 29. Juni 2012 geheiratet habe, die Stabilität fehle. Seine Lebensgefährtin habe ihn in den letzten zwei Jahren mehr als 60mal besucht. Seine schwierige wirtschaftliche Situation streite gegen das Vorliegen einer Fluchtgefahr. Sein gesamtes Vermögen und insbesondere alles, was er aus den gestandenen Taten erlangt habe, sei beschlagnahmt bzw. gepfändet. Auch habe er sämtliche Ansprüche hieraus an den Freistaat Sachsen abgetreten. Die anderen beschlagnahmten Vermögenswerte seien mittlerweile verwertet. Er sei komplett mittellos. Die hohe Straferwartung stelle vorliegend für die Annahme von Fluchtgefahr nur ein Indiz von geringer Bedeutung dar.
Das Landgericht Dresden habe bei Erfüllung bestimmter Bedingungen am 8. Juni 2012 für den Beschwerdeführer eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren in Aussicht gestellt. Selbst wenn diese Strafe überschritten werde, bestehe keine Fluchtgefahr. Er sei nicht vorbestraft und verbüße erstmalig eine Freiheitsstrafe. Es sei daher davon auszugehen, dass diese nach Verbüßung der Hälfte, mit Sicherheit aber nach Verbüßung von 2/3 zur Bewährung ausgesetzt werde. Würde eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren, mithin 72 Monaten, verhängt werden, habe er bereits jetzt durch Anrechung der Untersuchungshaft 27 Monate hiervon verbüßt. Bis zum Halbstrafentermin verblieben nur noch neun Monate. Im Übrigen leide er an einer Augenkrankheit, wegen der weitere Operationen erforderlich seien und die sein Sehvermögen erheblich einschränke, was eine Flucht wegen den damit verbundenen Unannehmlichkeiten noch unwahrscheinlicher mache. Darüber hinaus habe das Oberlandesgericht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verkannt. Er habe die bisherigen Außervollzugsetzungen des Haftbefehls nicht zur Flucht genutzt. Gleiches gelte für seine ungefesselt und lediglich im Beisein jeweils eines Mitarbeiters der JVA vorgenommenen regelmäßigen Ausführungen zu seiner Augenärztin sowie einmalig zum Standesamt am 29. Juni 2012. Bei seiner letzten Operation am 16. Juli 2012 sei er von der JVA in der Augenklinik vergessen worden, so dass er für einige Stunden als freier Mann in der Klinik gesessen habe. Soweit das Oberlandesgericht deshalb keine überlange sich zu seinen Gunsten auswirkende Verfahrensdauer angenommen habe, weil angesichts seiner teilweisen Nichtgeständigkeit zweifelhaft sei, ob das erstinstanzliche Verfahren überhaupt schon hätte beendet werden können, lasse es außer Acht, dass das Landgericht die Anklage hinsichtlich der Untreuevorwürfe nicht zur Hauptverhandlung zugelassen gehabt habe. Diese Vorwürfe seien nicht Gegenstand der Hauptverhandlung und somit nicht geständnisfähig gewesen. Im Übrigen seien die Überlegungen des Oberlandesgerichts rein hypothetisch. Aufgrund der fehlerhaften Entscheidung des Landgerichts Leipzig sei es zu einer ausschließlich der Justiz anzulastenden erheblichen Verfahrensverzögerung gekommen.
Wegen der Versäumung der Einlegungs- und Begründungsfrist für die Verfassungsbeschwerde und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt der Beschwerdeführer die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. In diesem Zusammenhang trägt er unter Vorlage zweier eidesstattlicher Versicherungen von Mitarbeiterinnen seines Verfahrensbevollmächtigten mit am 10. Juli 2012 eingegangenen Schriftsätzen vor, sein Verfahrensbevollmächtigter habe eine Postzustellfirma, die schon seit Jahren zuverlässig für ihn tätig sei, mit der Beförderung der Schriftsätze beauftragt. Der Auftrag, die Briefsendung noch am 5. Juli 2012 in den Nachtbriefkasten des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes zu befördern, sei telefonisch angenommen und sodann schriftlich bestätigt worden. Die Zustellfirma habe einen Frachtschein ausgestellt, in dem als Empfängeradresse die des Verfassungsgerichtshofes in der Harkortstraße 9 in Leipzig, als Abholzeit 17.00 Uhr und als Zustellzeit 19.00 Uhr angegeben gewesen sei. Der Bote sei kurz nach 17.00 Uhr gekommen und habe mitgeteilt, dass die Sendung in etwa 20 Minuten nach Leipzig auf den Weg gebracht werde. Der Beauftragte der Zustellfirma habe auf dem Frachtbogen den Einwurf der Sendung beim Verfassungsgerichtshof am 5. Juli 2012 gegen 23.07 Uhr vermerkt. Eine Rückfrage bei diesem habe dann jedoch ergeben, dass er die Sendung am 5. Juli 2012 in den Nachtbriefkasten der Staatsanwaltschaft Leipzig in der Straße des 17. Juni eingeworfen gehabt habe. Damit sei nicht zu rechnen gewesen.
Das Staatsministerium der Justiz und für Europa hat zum Verfahren Stellung genommen.
Hierauf hat der Beschwerdeführer erwidert.
II.
Soweit sie gegen den Beschluss des Landgerichts Dresden vom 15. März 2012 gerichtet ist, ist die Verfassungsbeschwerde bereits deshalb unzulässig, da sie insoweit keine Begründung gemäß § 28 SächsVerfGHG enthält.
Die gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 4. Juni 2012 gerichtete Verfassungsbeschwerde hat Erfolg.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit zulässig.
Dem Beschwerdeführer war wegen der Versäumung der Einlegungs- und Begründungsfrist antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 29 Abs. 1 und 2 SächsVerfGH).
Durch die eidesstattlichen Versicherungen, den Frachtschein und die Sendungsumschläge ist glaubhaft gemacht, dass die Verfassungsbeschwerdeschrift richtig adressiert gewesen, die Schriftstücke am 5. Juli 2012 einem privaten Postdienstleister kurz nach 17.00 Uhr zum Einwurf beim Sächsischen Verfassungsgerichtshof noch am selben Tag übergeben worden sind und dieser die rechtzeitige Übermittlung zugesagt hatte. Unter Berücksichtigung dieser Umstände durfte der Beschwerdeführer auf den fristgerechten Einwurf der Sendung in den Nachtbriefkasten des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes vertrauen.
2. Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie begründet. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 4. Juni 2012 verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 16 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf.
a) Art. 16 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf garantiert die Freiheit der Person. In diesem Freiheitsgrundrecht ist das in Haftsachen geltende verfassungsrechtliche Beschleunigungsgebot angelegt. Daher ist der Freiheitsanspruch des noch nicht rechtskräftig verurteilten Beschuldigten den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlichen und zweckmäßigen Freiheitsbeschränkungen ständig als Korrektiv entgegenzuhalten (SächsVerfGH, Beschluss vom 28. Januar 2010 - Vf. 7-IV-10 [HS]/Vf. 8-IV-10 [e.A.] - [...] Rn. 15, st. Rspr.; BVerfG, Beschluss vom 24. August 2010 - 2 BvR 1113/10 - [...] Rn. 19).
Das Beschleunigungsgebot verliert seine Bedeutung auch nicht durch den Erlass des erstinstanzlichen Urteils. Es gilt für das gesamte Strafverfahren und ist auch im Rechtsmittelverfahren bei der Prüfung der Anordnung der Fortdauer von Untersuchungshaft zu beachten (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 22).
Das Beschleunigungsgebot verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. Kommt es zu von dem Beschuldigten nicht zu vertretenden, sachlich nicht zu rechtfertigenden und vermeidbaren erheblichen Verfahrensverzögerungen, steht dies regelmäßig einer weiteren Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft entgegen (SächsVerfGH, Beschluss vom 29. September 2011 - Vf. 95-IV-11 [HS]/Vf. 96-IV-11 [e.A.] - [...] Rn. 12).
Zwischen dem Freiheitsanspruch des Beschuldigten und dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit muss abgewogen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Haftdauer auch unabhängig von der zu erwartenden Strafe Grenzen setzt (SächsVerfGH, Beschluss vom 25. November 2005 - Vf. 86-IV-05 - [...] Rn. 27). Gleichzeitig ist zu bedenken, dass sich das Gewicht des Freiheitsanspruchs gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft regelmäßig vergrößert (SächsVerfGH, Beschluss vom 28. Januar 2010 - Vf. 7-IV-10 [HS]/Vf. 8-IV-10 [e.A.] - [...] Rn. 15).
Im Rahmen der Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch und dem Strafverfolgungsinteresse kommt es in erster Linie auf die durch objektive Kriterien bestimmte Angemessenheit der Verfahrensdauer an, die etwa von der Komplexität der Rechtssache, der Vielzahl der beteiligten Personen oder dem Verhalten der Verteidigung abhängig sein kann (SächsVerfGH, Beschluss vom 27. Juli 2006 - Vf. 60-IV-06 [HS]/Vf. 61-IV-06 [e.A.] - [...] Rn. 21). Dies macht eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung des Verfahrensablaufs erforderlich. Mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft sind dabei höhere Anforderungen an das Vorliegen eines rechtfertigenden Grundes zu stellen. Entsprechend dem Gewicht der zu ahndenden Straftat können zwar kleinere Verfahrensverzögerungen die Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigen. Jedoch vermag allein die Schwere der Tat und die sich daraus ergebende Straferwartung bei erheblichen, vermeidbaren und dem Staat zuzurechnenden Verfahrensverzögerungen nicht zur Rechtfertigung einer ohnehin schon lang andauernden Untersuchungshaft zu dienen (zu Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2008, StV 2008, 198 [BVerfG 23.01.2008 - 2 BvR 2652/07] [199]).
Aufgrund der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der Freiheit der Person muss das Verfahren der Haftprüfung und Haftbeschwerde so ausgestaltet sein, dass nicht die Gefahr einer Entwertung der materiellen Grundrechtsposition besteht (vgl. zu Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG BVerfG, Beschluss vom 30. August 2008 - 2 BvR 671/08 - [...] Rn. 22). Im Grundsatz haben sich die mit Haftsachen betrauten Gerichte deshalb bei der Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft mit den einzelnen Voraussetzungen eingehend auseinanderzusetzen und diese auf hinreichend gesicherter Tatsachenbasis zu begründen. Dies erfordert aktuelle Ausführungen zu dem weiteren Vorliegen der Voraussetzungen der Untersuchungshaft, zur Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Beschuldigten und dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit sowie zur Frage der Verhältnismäßigkeit (BVerfG, a.a.O.). Zu berücksichtigen sind die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens, die für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehenden Straferwartung und - unter Berücksichtigung der Anrechnung einer Freiheitsentziehung nach § 51 StGB und einer etwaigen Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung gemäß § 57 StGB - das hypothetische Ende einer möglicherweise zu verhängenden Freiheitsstrafe sowie Verzögerungen des Verfahrens (BVerfG, Beschluss vom 4. Juni 2012 - 2 BvR 644/12 - [...] Rn. 35; Beschluss vom 11. Juni 2008, StV 2008, 421 [BVerfG 11.06.2008 - 2 BvR 806/08] [422]; Beschluss vom 22. Februar 2005, BVerfGK 5, 109 [124]). Die Ausführungen müssen in Inhalt und Umfang eine Überprüfung des Abwägungsergebnisses am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern auch für das die Anordnung treffende Fachgericht im Rahmen einer Eigenkontrolle gewährleisten; sie müssen in sich schlüssig und nachvollziehbar sein (SächsVerfGH, Beschluss vom 28. Januar 2010 - Vf. 7-IV-10 [HS]/Vf. 8-IV-10 [e.A.] - [...] Rn. 18).
Wann das bloße Fehlen von Ausführungen zur Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des Beschuldigten und dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit einen Verstoß gegen das Freiheitsgrundrecht zur Folge hat, hängt von der jeweiligen Sachlage im Einzelfall ab. Eine näher begründete Abwägung ist bei Haftfortdauerentscheidungen nach § 122 StPO immer notwendig (vgl. z.B. SächsVerfGH, Beschluss vom 28. Januar 2010 - Vf. 7-IV-10 [HS]/Vf. 8-IV-10 [e.A.] - [...] Rn. 18). Gleiches muss - ungeachtet der Straferwartung - in aller Regel bei einer mehr als sechsmonatigen Untersuchungshaft gelten, wenn Anhaltspunkte für eine erhebliche, vermeidbare und dem Staat zurechenbare Verfahrensverzögerung bestehen.
b) Angesichts der zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung bereits seit mehr als zwei Jahren andauernden Untersuchungshaft und der aufgrund der teilweisen Aufhebung des Urteils des Landgerichts Leipzig durch den Bundesgerichtshof bestehenden Anhaltspunkte für eine Verfahrensverzögerung, wird der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 4. Juni 2012 den Anforderungen an die Begründungstiefe nicht gerecht.
aa) Zwar macht der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der angenommenen Fluchtgefahr erfolglos geltend, dass das Oberlandesgericht wegen der regelmäßigen Besuche in der Haft der Beziehung zu seiner Lebensgefährtin nicht die erforderliche Stabilität habe absprechen dürfen. Gleiches gilt, soweit er ausführt, der Umstand, dass er zivilrechtlichen Ansprüchen in erheblicher Höhe ausgesetzt sei, könne wegen seiner Mittellosigkeit zur Begründung der Fluchtgefahr nicht herangezogen werden; der Annahme einer solchen stünde auch seine Augenleiden und der Umstand entgegen, dass er die Ausführungen zum Arzt und die Außervollzugsetzungen des Haftbefehls nicht zur Flucht genutzt habe. Denn insoweit greift der Beschwerdeführer lediglich die nur begrenzter verfassungsgerichtlicher Überprüfung unterliegende tatrichterliche Würdigung an. Willkür oder die Verkennung von Tragweite und Bedeutung des Freiheitsgrundrechts sind insoweit weder dargetan noch ersichtlich. Im Übrigen können Umstände, die erst nach dem angegriffenen Beschluss eingetreten sind - wie etwa die Hochzeit -, eine in diesem Beschluss liegende Grundrechtsverletzung nicht begründen.
bb) Der Beschluss des Oberlandesgerichts wird den dargestellten Anforderungen jedoch deshalb nicht gerecht, weil er im Zusammenhang mit der prognostizierten Straferwartung nicht das hypothetische Ende und die Ausgestaltung einer möglicherweise zu verhängenden Freiheitsstrafe in den Blick nimmt (vgl. zur Maßgeblichkeit des tatsächlich zu erwartenden Freiheitsentzugs: BVerfG, Beschluss vom 4. Juni 2012 - 2 BvR 644/12 - [...] Rn. 35, 37; KG Berlin, Beschluss vom 3. November 2011, StV 2012, 350 [KG Berlin 03.11.2011 - 4 Ws 96/11] [351]; Krauß in BeckOK, StPO, Stand: 1. Juni 2012, § 112 Rn. 17) und keine hierauf bezogene Verhältnismäßigkeitsprüfung vornimmt.
Denn der Beschluss enthält weder Ausführungen zu der nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB regelmäßig vorzunehmenden Anrechnung der Untersuchungshaft noch geht er auf eine Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes nach § 57 StGB ein, obwohl der Beschwerdeführer nicht vorbestraft ist und nach rechtskräftiger Verurteilung erstmalig eine Freiheitsstrafe verbüßen würde (vgl. BVerfG, a.a.O.).
cc) Darüber hinaus verlangt die Feststellung des Oberlandesgerichts, eine erhebliche Verfahrensverzögerung liege nicht vor, eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung des bisherigen Verfahrensablaufs. Eine solche ist dem angegriffenen Beschluss jedoch nicht zu entnehmen. Dieser beschränkt sich vielmehr auf die Aussage, dass angesichts der nach wie vor bestehenden teilweisen Nichtgeständigkeit des Beschwerdeführers das Landgericht bei rechtmäßigem Vorgehen eine umfangreiche Beweisaufnahme hätte durchführen müssen, weshalb zweifelhaft sei, ob das erstinstanzliche Verfahren überhaupt schon hätte beendet werden können. Dadurch relativiere sich die durch das Revisionsverfahren eingetretene Verfahrensverzögerung.
Unabhängig davon, ob eine solche Betrachtungsweise überhaupt zulässig ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Mai 1995, NStZ 1995, 459 [BVerfG 01.05.1995 - 2 BvR 40/94] [460]), hat das Oberlandesgericht jedoch weder die Dauer der angenommenen Verzögerung - auch im Revisionsverfahren - bestimmt noch im Einzelnen ausgeführt, auf welche Tatsachen diese hypothetische Feststellung gründet. Insbesondere hat sich das Gericht nicht hinreichend damit auseinandergesetzt, dass durch die teilweise Aufhebung des Urteils des Landgerichts Leipzig die erstinstanzliche Hauptverhandlung - zumindest teilweise - durch das Landgericht Dresden wiederholt und zusätzlich nunmehr von diesem die vom Oberlandesgericht angesprochene umfangreiche Beweisaufnahme durchgeführt werden muss. Zwar greift der Einwand des Beschwerdeführers nicht durch, auf das fehlende Geständnis zu den Untreuevorwürfen vor dem Landgericht Leipzig könne deshalb nicht abgestellt werden, weil das Landgericht das Verfahren wegen dieser Vorwürfe nicht eröffnet habe, so dass kein Anlass bestanden habe, sich hierzu geständig einzulassen. Jedenfalls lag auch zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung des Oberlandesgerichts ein Geständnis des Beschwerdeführers zu den streitgegenständlichen Untreuevorwürfen nicht vor. Zu diesem Zeitpunkt war ihm aufgrund des Urteils des Bundesgerichtshofs bekannt, dass diese Gegenstand des neuen erstinstanzlichen Verfahrens sein werden.
Mit dem Verweis auf den besonderen Umfang und die Komplexität des Verfahrens beschränkt sich das Oberlandesgericht jedoch auf eine unzureichende pauschale Argumentation. Ohne eine konkrete Feststellung der Länge der Verfahrensverzögerung kann weder deren Gewicht bewertet werden noch eine Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch und dem Strafverfolgungsinteresse erfolgen. Eine solche Abwägung ist dem angegriffenen Beschluss nicht zu entnehmen.
III.
Mit der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Denn eine solche Anordnung würde weiter reichen als die nach § 31 Abs. 2 SächsVerfGHG in der Hauptsache mögliche Entscheidung (SächsVerfGH, Beschluss vom 11. Juli 2008 - Vf. 113-IV-08; vgl. Berkemann in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Auflage, § 32 Rn. 108 ff.).
IV.
Das Oberlandesgericht hat unter Berücksichtigung der angeführten Gesichtspunkte erneut in der Sache zu entscheiden.
V.
Die Entscheidung ist kostenfrei (§ 16 Abs. 1 Satz 1 SächsVerfGHG). Der Freistaat Sachsen hat dem Beschwerdeführer angesichts des teilweisen Erfolgs der Verfassungsbeschwerde die Hälfte seiner notwendigen Auslagen zu erstatten (§ 16 Abs. 3 SächsVerfGHG).


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