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Gericht / Entscheidungsdatum: AG Tiergarten, Beschl. v. 06.09.2012 - (283 Ds) 1 OP Js 1265/10 (246/10)
Leitsatz: Der Ausschlusstatbestand der Vorbemerkung 7 Abs. 3 Satz 2 VV-RVG ist auf den Auslagenersatzanspruch eines Pflichtverteidigers unanwendbar. Die Regelung kann auch nicht analog angewendet werden.
In der Strafsache pp. hier nur gegen Verteidiger: Rechtsanwalt Daniel Wölky Gercke/Wollschläger, Hohenstauffenring 62, 50674 Köln, wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz pp. Auf die Erinnerung des Pflichtverteidigers vom 27.06.2012 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des AG Tiergarten vom 21.06.2012 wird zusätzlich zu den bereits angewiesenen 1395,51 ein weiterer Betrag von 360,-- zuzüglich 19 % USt und ein weiterer Betrag von 1736,59 (ohne zusätzliche USt.) festgesetzt
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Im übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
Gründe: Mit dem Kostenfestsetzungsantrag vom 13. 05.2011 beantragte der Pflichtverteidiger die Festsetzung von insgesamt 3890,45 (incl. USt) für sein Tätigwerden. In diesem Betrag waren insgesamt 1736,59 netto für Fahrt-, Taxi- Park,- Reise- und Hotelkosten und insgesamt 360,-- netto Abwesenheitsgelder enthalten.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 21.06.2012 wurden Erstattungsfähigkeit der beiden letztgenannten Beträge mit der Begründung verneint, diese seien gem. Vorbemerkung 7 Abs. 3 Satz 2 VV-RVG nicht ersatzfähig, da der Pflichtverteidiger seinen Kanzleisitz zum Zeitpunkt der Beiordnung in Berlin hatte und diesen während des Verfahrens nach Köln verlegte.
Hiergegen wendet sich der Pflichtverteidiger mit seiner sofortigen Beschwerde vom 27.06.2012. Diese ist als fristgerecht eingelegte Erinnerung zu behandeln (§ 56 RVG) und hat im wesentlichen Erfolg, da der Ausschlusstatbestand der Vorbemerkung 7 Abs. 3 Satz 2 VV-RVG auf den Auslagenersatzanspruch eines Pflichtverteidigers unanwendbar ist. Die Auslegung der Vorbemerkung 7 VV-RVG belegt eindeutig, dass diese von einem zivilrechtlichen Auftragsverhältnis zwischen Anwalt und Auftraggeber ausgeht. Dies zeigt Absatz 1 der Vorbemerkung in dem auf die Aufwendungsersatzvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches Bezug genommen wird. Das Verhältnis des Staates zum Pflichtverteidiger ist jedoch kein zivilrechtliches Auftragsverhältnis sonder ein öffentlich-rechtliches Pflichtverhältnis.
Auch eine analoge Anwendung des Vorbemerkung 7 VV-RVG auf das Pflichtverteidigerverhältnis kommt nicht in Betracht. Die vom Pflichtverteidiger geltend gemachten Auslagen für Reisekosten etc. sind nach dem RVG grundsätzlich erstattungsfähig . Der Ausschlusstatbestand der Vorbemerkung 7 Abs. 3 VV-RVG stellt damit eine Ausnahmeregel dar. Zwar können auch Ausnahmeregeln grundsätzlich analogiefähig sein. Voraussetzung hierfür ist aber, dass die Analogie sich in den Grenzen der Wertung des Grundtatbestandes bewegt und dass mit ihr die Ausnahme nicht zur Regel erhoben wird. Das zivilrechtliche Auftragsverhältnis Mandant Rechtsanwalt unterscheidet sich aber grundlegend vom öffentlich rechtlichen Pflichtverhältnis Staat Pflichtverteidiger. Dies zeigt sich bereit bei Begründung und Beendigung beider Verhältnisse. Während der Mandant in der Wahl seines Vertragspartners völlig frei ist und sowohl Anwalt wie auch Mandant das Verhältnis grundsätzlich jederzeit durch Kündigung beenden können verhält es sich bei der Pflichtverteidigung anders. Schon bei deren Begründung können dem Auswahlermessen des beiordnenden Richters durch die Benennung eines Anwaltes durch den Angeschuldigten enge Grenzen gesetzt werden. Auch die Beendigung einer Pflichtverteidigung ist nur in Ausnahmefällen zulässig. Auch die Höhe der Vergütung des Anwaltes fällt in beiden Konstellationen unterschiedlich aus. Insgesamt unterscheiden sich beide Verhältnisse daher derart, dass keine Möglichkeit einer analogen Anwendung der Vorbemerkung 7 VV-RVG auf das Pflichtverteidigerverhältnis möglich ist.
Die Erinnerung dringt damit im wesentlichen durch. Zurückzuweisen war sie allerdings, soweit der Pflichtverteidiger auch auf Auslagen, in denen bereits Umsatzsteuer enthalten war, nochmals zusätzlich die Erstattung von Umsatzsteuer beantragte (Hotel, Reise, Übemachtungs-, Taxi- und Parkkosten). Denn hier geht es nur um den Ersatz notwendiger Auslagen. Eine nochmalige Hinzurechnung der Umsatzsteuer würde zu dem Ergebnis führen, dass der Pflichtverteidiger im Rahmen der Auslagenerstattung Gewinn macht. Dies ist unzulässig. Die Umsatzsteuer war daher lediglich hinsichtlich der Abwesenheitsgelder festzusetzen.
Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zulässig.(§§ 56 iVm 33 Abs. 3 RVG). Die Entscheidung über die Kosten und Auslagen beruht auf 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.
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