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Leitsatz: Zu den Anforderungen an die Beweiswürdigung im tatrichterlichen Urteil bei einer Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung.
In pp. hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm am 20.04.2012 beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Lemgo zurückverwiesen. Gründe
I. Das Amtsgericht hat die Betroffene wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit nach den §§ 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2, 49 StVO in Verbindung mit § 24 StVG zu einer Geldbuße von 160 verurteilt sowie ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat angeordnet.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr die Betroffene am 25. August 2010 gegen 16.14 Uhr mit einem Pkw die Ostwestfalenstraße (L 712) zwischen Bad Salzuflen und Lemgo in Fahrtrichtung Lemgo. Im Bereich der außerhalb einer geschlossenen Ortschaft liegenden Kreuzung der Ostwestfalenstraße mit der Sylbacher Straße (L 967) dort ist die zulässige Höchstgeschwindigkeit durch Verkehrszeichen 274 auf 70 km/h begrenzt betrug die Geschwindigkeit des von der Betroffenen gesteuerten Fahrzeugs nach Toleranzabzug 112 km/h.
Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen hat mit der Sachrüge (vorläufig) Erfolg. Auf die Verfahrensrügen braucht deshalb nicht eingegangen zu werden.
II.
Die Darlegungen des Amtsgerichts zur Beweiswürdigung halten sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Die Würdigung der erhobenen Beweise ist nach § 46 Abs. 1 OWiG, § 261 StPO grundsätzlich Sache des Tatrichters (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Auflage [2011], § 337 Rdnr. 26). Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Beweiswürdigung aufgrund der Sachrüge nur auf Rechtsfehler überprüfen (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O.). Ein sachlich-rechtlicher Fehler liegt dann vor, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH, NStZ-RR 2003, 206; OLG Hamm, Beschluss vom 26. September 2011 III-3 RVs 69/11 ).
2. Die Feststellungen des Amtsgerichts beruhen im Wesentlichen auf den Angaben des als Zeugen vernommenen Polizeihauptkommissars I sowie den von diesem im Messprotokoll gemachten Eintragungen. Der Zeuge I hat ausweislich der Urteilsgründe Folgendes ausgesagt:
Er habe die Geschwindigkeitsmessung als Messbeamter mit dem Lasermessgerät Riegl LR90-235/P durchgeführt. Er habe sich bei der Messung am nördlichen Straßenrand hinter einem Busch innerhalb des Streckenbereiches, in dem die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 70 km/h beschränkt sei, befunden. Beim sogenannten Null-Test vor dem Beginn der Messungen habe er das Verkehrszeichen anvisiert, mit dem die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 km/h wieder aufgehoben werde. Dieses Verkehrszeichen habe sich in einer Entfernung von 217 m von seinem Standort befunden. Diesen Wert habe er auch in das Messprotokoll eingetragen. Das Verkehrszeichen, durch das die Geschwindigkeitsbegrenzung angeordnet werde, habe sich schätzungsweise 50 m von ihm entfernt befunden. Bei der Messung der Geschwindigkeit des von der Betroffenen gesteuerten Fahrzeuges habe er eine Messentfernung von 141 m zwischen seinem Standort und dem gemessenen Fahrzeug in das Messprotokoll eingetragen. Diese Messentfernung besage, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Messung etwa mittig auf der Straßenkreuzung gewesen sei.
Die Betroffene und ihr Verteidiger haben in der Hauptverhandlung den Einwand erhoben, die Länge des Streckenbereiches, in dem die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 70 km/h beschränkt sei, betrage im Höchstfalle 200 m. Die Straßenkreuzung befinde sich in der Mitte dieses Streckenbereiches. Die Entfernung zwischen dem Standort des Messbeamten I und der Mitte der Straßenkreuzung könne daher nicht 141 m betragen. Das Geschwindigkeitsmessergebnis könne daher nicht dem von der Betroffenen gesteuerten Fahrzeug, das sich nach der Aussage des Zeugen I mitten auf der Straßenkreuzung befunden habe, zugeordnet werden.
Das Amtsgericht hat hierzu sinngemäß ausgeführt, der Zeuge PHK I habe keine konkrete Erinnerung mehr daran gehabt, wo genau sich das Fahrzeug der Betroffenen zum Zeitpunkt der Messung befunden habe. Er habe lediglich aufgrund der im Messprotokoll eingetragenen Messentfernung von 141 m darauf geschlossen, dass sich das Fahrzeug etwa mittig auf der Straßenkreuzung befunden haben müsse. Auf die Frage, welche Länge der Streckenbereich, in dem die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 70 km/h beschränkt sei, habe, komme es nicht an. Selbst bei einer Länge von nur 200 m habe sich das Fahrzeug der Betroffenen bei einer Messentfernung von 141 m noch innerhalb dieses Streckenbereiches wenn auch vielleicht nicht mitten auf der Straßenkreuzung befunden.
3. Die Darlegungen des Amtsgerichts sind lückenhaft. Das Amtsgericht hat sich mit dem Einwand der Betroffenen zur Länge des Streckenbereiches, in dem die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 70 km/h beschränkt ist, und zur Entfernung zwischen dem Standort des Messbeamten und der Kreuzungsmitte letztlich nur im Hinblick auf die Frage nach der Interpretation der Angaben des Zeugen I zum genauen Standort des Fahrzeuges der Betroffenen zum Messzeitpunkt auseinandergesetzt. Dabei hat das Amtsgericht verkannt, dass der von der Betroffenen erhobene Einwand unter einem anderen Gesichtspunkt von grundsätzlicher Bedeutung für die Beurteilung der Fragen nach der Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung und nach der Zuordnung des Messergebnisses zu einem bestimmten Fahrzeug ist.
Sollte die Behauptung, der Streckenbereich, in dem die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 70 km/h beschränkt ist, sei nicht mehr als 200 m lang, zutreffen, kann die Angabe des Zeugen I, die Entfernung zwischen seinem Standort und dem Verkehrszeichen, das die Geschwindigkeitsbeschränkung wieder aufhebe, habe 217 m betragen, während das die Geschwindigkeitsbeschränkung anordnende Verkehrszeichen ca. 50 m von ihm entfernt gewesen sei, nicht richtig sein. Sofern diese auch im Messprotokoll eingetragene Entfernungsangabe auf dem von der Entfernungsmessfunktion des Lasermessgerätes angezeigten Wert beruhen sollte, bestünden in diesem Falle erhebliche Zweifel an der Funktionsfähigkeit des Gerätes zum Messzeitpunkt. Sollte die Entfernungsmessfunktion hingegen fehlerfrei gearbeitet haben, müsste im Falle der Richtigkeit des Einwandes der Betroffenen davon ausgegangen werden, dass der Zeuge I aus welchem Grunde auch immer einen falschen Wert in das Messprotokoll eingetragen hat. Dann wäre indes der Beweiswert der Zeugenaussage Is und des Messprotokolls auf diesen Beweismitteln beruht mangels einer fotografischen Dokumentation die Zuordnung des Messergebnisses zu dem von der Betroffenen geführten Fahrzeug zumindest erheblich herabgesetzt.
Vor diesem Hintergrund hätte das Amtsgericht Feststellungen zu den Entfernungen an der Messörtlichkeit insbesondere zur Länge des Streckenbereiches, in dem die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 70 km/h beschränkt ist treffen müssen. Eindeutige Feststellungen hierzu lassen sich dem angefochtenen Urteil indes nicht entnehmen. Die Formulierungen in den Urteilsgründen sprechen vielmehr dafür, dass das Amtsgericht die Frage nach der Länge des Streckenbereiches, in dem die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 70 km/h beschränkt ist, ausdrücklich offenlassen wollte.
4. Wegen dieses Mangels ist das angefochtene Urteil nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 353 StPO mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Lemgo zurückzuverweisen.
III. 19 Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Die Fassung der Urteilsformel der angefochtenen Entscheidung wird der gesetzlichen Regelung in §§ 46 Abs. 1, 71 Abs. 1 OWiG, § 260 Abs. 4 Sätze 1 und 2 und Abs. 5 Satz 1 StPO nicht gerecht. Danach ist in der Urteilsformel die rechtliche Bezeichnung der Tat anzugeben. Hat ein Bußgeldtatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. Fehlt eine solche, ist eine anschauliche und allgemein verständliche Wortbezeichnung zu wählen. Die angewendeten Vorschriften sind nicht in die Urteilsformel aufzunehmen, sondern im schriftlichen Urteil nach der Urteilsformel aufzuführen (vgl. BGH, NStZ-RR 1997, 166; BGH, 3 StR 226/00 vom 6. September 2000; 2 StR 280/07 vom 18. Juli 2007 ; Meyer-Goßner, a.a.O., § 260 Rdnr. 23).
2. Im Falle eines erneuten Schuldspruches wird der neue Tatrichter bei der Rechtsfolgenentscheidung namentlich bei der Entscheidung über die Verhängung eines Fahrverbotes Gelegenheit haben, sich mit den offenkundigen Widersprüchen innerhalb des Vorbringens des Verteidigers auseinanderzusetzen. Ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 23. November 2011 (Blatt 78 ff d.A.) hat dieser erklärt, die Betroffene könne nur zwei Wochen Urlaub nehmen. In einem Schriftsatz vom 28. Juli 2011 (Blatt 73 d.A.) hat der Verteidiger zur Begründung eines Terminsverlegungsantrages ausgeführt, die Betroffene befinde sich in der Zeit vom 12. September bis einschließlich 5. Oktober 2011 in ihrem Jahresurlaub.
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