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Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.06.2012 - 2 (6) SsRs 279/12 AK 73/12
Leitsatz: Ist für den Betroffenen die Erklärung abgegeben worden, der Betroffene sei der Fahrzeugführer gewesen, und wird mitgeteilt, der Betroffene werde weiter nichts sagen, ist unmissverständlich klargestellt, dass von der persönlichen Anwesenheit des Betroffenen im Hauptverhandlungstermin keinerlei weitergehende Aufklärung zu erwarten ist, so dass der Betroffener auf seinen Antrag von der Anwesenheitspflicht in der Hauptverhandlung zu entbinden ist.
Beschluss vom 5. Juni 2012 Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 14.03.2012 wird zugelassen. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 14.03.2012 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Heidelberg zurückverwiesen.
Gründe: Das Amtsgericht Heidelberg hat mit dem angefochtenen Urteil gemäß den Einspruch des Betroffe-nen gegen den Bußgeldbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 03.11.2011 gemäß § 74 Abs. 2 OWG verworfen, durch den er wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwin-digkeit außerorts um 38 km/h mit einer Geldbuße von 120- Euro belegt worden war, weil der Be-troffene nicht zur Hauptverhandlung erschienen war. Sein vom Verteidiger am 15.03.2012 gestell-ter und in der Hauptverhandlung wiederholter Antrag, ihn von der Pflicht zum Er- scheinen zu ent-binden, wurde vom Amtsgericht mit der Begründung zurückgewiesen, seine Anwesenheit sei zur Aufklärung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse erforderlich, obwohl der Betroffene seine Fahrerei-genschaft eingeräumt und im Übrigen angekündigt hatte, von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch zu machen, und außerdem darauf hingewiesen hatte, dass sein Verteidiger ermächtigt sei, für ihn Erklärungen abzugeben.
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist nach § 80 Abs.1 Nr.2 OWiG zuzulassen, da es geboten ist, das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs (Art. 102 Abs.1 GG) aufzuheben. Die ent-sprechende Verfahrensrüge ist zulässig erhoben. Sie enthält insbesondere auch den Vortrag, dass der Verteidiger für den Betroffenen gegen den Tatvorwurf mit der Behauptung verteidigt hätte, die Geschwindigkeitsmessung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt, wenn zur Sache verhandelt worden wäre.
Die Rüge ist auch begründet, denn das Amtsgericht hätte den Einspruch nicht durch Prozessurteil gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verwerfen dürfen, sondern hätte zur Sache verhandeln und das Vorbrin-gen des Betroffenen berücksichtigen müssen. Den Antrag, den Betroffenen von der Pflicht zum Erscheinen zu entbinden, durfte das Amtsgericht nicht ablehnen. Gemäß § 73 Abs. 2 01MG befreit das Gericht den Betroffenen auf dessen Antrag, wenn er sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werde, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist.
Der vertretungsbefugte Verteidiger des Betroffener hat für diesen die Erklärung abgegeben, der Betroffene sei der Fahrzeugführer gewesen, und hat mitgeteilt, der Betroffene werde weiter nichts sagen. Damit war unmissverständlich klargestellt, dass von der persönlichen Anwesenheit des Be-troffenen im Hauptverhandlungstermin keinerlei weitergehende Aufklärung zu erwarten war, so dass die Spekulationen des Amtsgerichts, der Betroffene werde in der Hauptverhandlung vielleicht doch Angaben machen, jeder Substanz entbehren und keineswegs ge- eignet sind, das Erschei-nen des Betroffenen zu erzwingen bzw. ein Urteil gemäß § 74 Abs. 2 OWiG zu rechtfertigen. Da somit die Voraussetzungen für eine Entbindung des Betroffenen von seiner Anwesenheitspflicht vorgelegen haben, war die Zurückweisung des dahingehenden Antrags und auch die darauf basie-rende Verwerfung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid gemäß § 74 Abs. 2 OWiG rechts-fehlerhaft.
Ergänzend bemerkt der Senat, dass sich das Gericht bei einer Verwerfung des Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG in den Urteilsgründen mit Einwendungen und Bedenken gegen eine Verwerfung auseinandersetzen muss, insbesondere auch mit der Zulässigkeit des Antrags und dessen Be-gründung, den Betroffenen von der Verpflichtung zum Erscheinen zu entbinden, sowie den Erwä-gungen zur Ablehnung des Antrags (OLG Stuttgart NStZ-RR 2003, 273; Göhler, OWiG, 15. Aufl., § 74 Rdnr. 34, 35 m. w. N.).
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