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Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Celle, Beschl. v. 17.05.2011 - 32 Ss 47/11
Fundstellen:
Leitsatz: 1. Ein eigenmächtiges Sich-Entfernen des Angeklagten liegt nicht vor, wenn das Gericht dem Angeklagten im Anschluss an eine Unterbrechung der Hauptver-handlung mitteilt, er brauche zu dem Fortsetzungstermin nicht zu erscheinen.
2. Bleibt der Angeklagte aufgrund dieser Mitteilung im Fortsetzungstermin, in dem das Urteil verkündet wird, aus, darf nicht ohne den Angeklagten verhan-delt werden. Wird dennoch das Urteil verkündet, greift der absolute Revi-sionsgrund nach § 338 Nr. 5 StPO ein.
Beschluss
In der Strafsache gegen pp. wegen Trunkenheit im Verkehr u.a.
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf Antrag der Generalstaats-anwaltschaft durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesge-richt am 17. Mai 2011 einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Langen vom 3. Januar 2011 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisions-verfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Langen zurückver-wiesen.
Gründe: I. 1. Der Angeklagte ist durch das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Langen we-gen (fahrlässiger) Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrer-laubnis zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt worden. Die Vollstre-ckung der Strafe ist zur Bewährung ausgesetzt worden. Darüber hinaus hat das Amtsgericht die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von 2 Jahren nach Rechtskraft des Urteils keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
2. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts führte der Angeklagte in der Tat-nacht einen Lkw im öffentlichen Straßenverkehr im Zustand der absoluten Fahrun-tüchtigkeit. Die Untersuchung einer Blutprobe des Angeklagten, die diesem kurz nach dem Fahrtende entnommen worden war, ergab eine BAK von 1,47 g Promil-le.
3. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Sprungrevision (§ 335 StPO), mit der er sowohl eine Verfahrensrüge als auch die näher ausgeführte Sachrüge erhebt. Er macht eine Verletzung von § 230 i.V.m. § 338 Nr. 5 StPO und § 232 StPO geltend und führt dazu aus, der Tatrichter habe in der Hauptverhandlung am 23. Dezember 2010 einen Beschluss verkündet, mit dem die Hauptverhandlung unterbrochen und ein Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 3. Januar 2011 anberaumt worden sei. Auf Nachfrage der Verteidigerin, wie die Anberaumung eines Verkündungstermins zu verstehen sei, habe der Vorsitzende geantwortet, der Angeklagte brauche nicht zu erscheinen, das gelte auch für die Verteidigerin. An dem Hauptverhandlungstermin am 3. Januar 2011, in dem das Urteil verkündet worden sei, seien der Angeklagte und seine Verteidigerin nicht anwesend gewesen. Die Revision sieht in der Verkündung des Urteils in Abwesenheit des Angeklagten einen zum absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO führenden Verstoß gegen § 230 StPO. Die Voraussetzungen für eine Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten nach § 231 Abs. 2 StPO hätten nicht vorgelegen. Es fehle an der dafür erforderlichen Eigenmächtigkeit der Abwesenheit, weil das Gericht dem Angeklagten das Erscheinen freigestellt habe. Auch die übrigen gesetzlichen Gründe für eine Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten lägen nicht vor.
II.
Die Revision des Angeklagten hat zumindest vorläufig Erfolg.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat ausgeführt:
Das Rechtsmittel hat bereits mit der Verfahrensrüge nach § 338 Nr. 5 StPO in Verbindung mit §§ 230 Abs. 1, 231 Abs. 2 StPO Erfolg. Des Eingehens auf die zugleich erhobene Sachrüge bedarf es daher nicht.
Der Angeklagte stützt die in zulässiger Weise ausgeführte Rüge seiner vor-schriftswidrigen Abwesenheit im Hauptverhandlungstermin vom 03.01.2011 darauf, seine Abwesenheit sei nicht eigenmächtig gewesen, weil ihm der Vorsitzende im Termin vom 23.12.2010 auf Nachfrage seiner Verteidigerin erklärt habe, dass er zu dem Verkündungstermin am 03.01.2011 nicht zu er-scheinen bräuchte.
Die Fortsetzung der Hauptverhandlung am 03.01.2011 ohne den Angeklag-ten war rechtsfehlerhaft. Eine unterbrochene Hauptverhandlung darf nur dann ohne den Angeklagten fortgesetzt werden, wenn dieser ihr eigenmäch-tig ferngeblieben ist, also ohne Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe wissentlich seiner Anwesenheitspflicht nicht genügt hat (BGHSt 37, 249, 251; 46, 81 ff.).
Eigenmächtiges Handeln liegt unter anderem dann nicht vor, wenn dem An-geklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt wird, bei seinem Nichter-scheinen werde ohne ihn verhandelt (vgl. OLG Köln StV 1985, 50; OLG Bremen StV 1992, 558), wenn das Gericht ihm freigestellt hatte, ob er zu Fortsetzungsverhandlung erscheine (vgl. BGH StV 1987, 189; OLG Stuttgart NJW 1970, 343) oder wenn sich aus dem Verhalten des Gerichts ein Einver-ständnis mit dem Ausbleiben des Angeklagten entnehmen lässt (vgl. BGH NStZ 1989, 283).
Dabei obliegt es nicht dem Angeklagten, glaubhaft zu machen, dass sein Ausbleiben nicht auf Eigenmächtigkeit beruht, diese ist ihm vielmehr nach-zuweisen (BGHSt 10, 304, 305; 16, 178, 180). Es kommt auch nicht darauf an, ob das Gericht Grund zur Annahme hatte, der Angeklagte habe den Termin zur Fortsetzung der Hauptverhandlung vorsätzlich nicht wahrgenom-men, sondern allein darauf, ob eine solche Eigenmächtigkeit im Sinne von § 231 Abs. 2 StPO tatsächlich vorlag (BGH StV 1981, 393, 394).
Der Senat hat dabei selbständig, gegebenenfalls im Wege des Freibeweises, zu prüfen, ob die Eigenmächtigkeit auch noch im Zeitpunkt des Revisionsver-fahrens nachgewiesen werden kann, ohne an die Feststellungen des Tatrich-ters gebunden zu sein (BGH NStZ 1999, 418; NStZ-RR 2001, 333).
Ein solcher Nachweis für ein eigenmächtiges Fernbleiben des Angeklagten ist nicht zu führen.
Ausweislich der eingeholten dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden Richters kann sich dieser an die Inhalte eines Gesprächs mit der Verteidige-rin nicht mehr konkret erinnern; er vermag demzufolge die ihm zugeschrie-bene Äußerung nicht auszuschließen (Bl. 137 d.A.).
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Soweit der neue Tatrichter im Rahmen der Strafzumessung eine Verurteilung des Angeklagten durch das Amtsgericht Bremerhaven vom 1. Oktober 2009 we-gen fahrlässiger Trunkenheit zu dessen Lasten berücksichtigen möchte, bedarf es entsprechender Feststellungen über die der Verurteilung zugrunde liegende Tat. Das gilt auch im Hinblick auf die Voraussetzungen für die Verhängung einer kur-zen Freiheitsstrafe gemäß § 47 Abs. 1 StGB. Sollte eine solche auf eine spezial-präventive Notwendigkeit gestützt werden, muss der Tatrichter die der Bewertung zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände zuvor festgestellt haben.
2. Wie der Senat dem amtsgerichtlichen Aktenzeichen entnehmen kann, ist gegen den Angeklagten zunächst ein Strafbefehl erlassen worden. Sollte der Strafbefehl auch bereits eine Sperrfrist von zwei Jahren nach Rechtskraft vorgesehen haben, wird der neue Tatrichter bei der neuen Bestimmung der Länge einer isolierten Sperrfrist den mittlerweile seit dem Erlass des Strafbefehls verstrichenen Zeitraum zu bedenken haben.
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