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Entscheidungen

StPO

Beweisantrag, Beweisziel, Beweistatsache

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Naumburg, Beschl. v. 27.02.2012 - 2 Ss 28/12

Fundstellen:

Leitsatz: Der Vortrag, Zeugen hätten sich im Laufe des Verfahrens zum Tatgeschehen in einer bestimmten Weise geäußert, beschreibt kein bloßes Beweisziel (Anschluss an BGH NStZ-RR 2005, S. 177).


BESCHLUSS
2 Ss 28/12 OLG Naumburg
In der Strafsache
gegen pp.

wegen gefährlicher Körperverletzung
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Naumburg
am 27. Februar 2012
nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO
einstimmig

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 11. Oktober 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Halle zurückverwiesen.

Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten im Berufungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer Geldstrafe zur Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr, vier Monaten und zwei Wochen verurteilt. Weiterhin hat es ihn verurteilt, an den Adhäsionskläger dem Grunde nach Schmerzensgeld zu zahlen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Mit der Verfahrensrüge macht er geltend, das Landgericht habe § 244 Abs. 3 S. 2 StPO verletzt, weil es vier Beweisanträge zu Unrecht abgelehnt habe. Mit diesen Anträgen wollte der Angeklagte den Richter am Amtsgericht, der den Angeklagten im ersten Rechtszug freigesprochen hatte, einen Polizeibeamten und einen Justizvollzugsbeamten dazu gehört wissen, dass der Zeuge und Nebenkläger S. sowie der Zeuge W. im Verlauf des Verfahrens bestimmte, in den Anträgen im Einzelnen bezeichnete Aussagen zum Tatgeschehen gemacht hatten, wobei nach den Beweisbehauptungen die Aussagen von W und S stark voneinander abwichen und auch in sich selbst inkonstant waren.

Das Landgericht hat diese Anträge jeweils mit der Begründung abgelehnt, es handele sich nicht um Beweisanträge, weil die Anträge kein Beweisziel enthielten.

II.
Das beanstandet die Revision zu Recht. Das Landgericht hat den Anträgen zu Unrecht die Qualität als Beweisanträge abgesprochen. Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller eine bestimmte Beweistatsache bestimmt behauptet und ein bestimmtes Beweismittel an- gibt. Dass die Benennung der Zeugen ein bestimmtes Beweismittel bezeichnet hat, steht außer Frage. Alle vier Anträge enthielten auch bestimmte Beweisbehauptungen:

Der Vortrag, die Zeugen hätten sich im Laufe des Verfahrens zum Tatgeschehen in einer bestimmten Weise geäußert, beschreibt kein bloßes Beweisziel (BGH NStZ-RR 2005, S. 177). Entgegen der Auffassung des Landgerichts bedarf es bei einem Beweisantrag nicht der Angabe eines Beweiszieles, der Begriff des Beweiszieles ist im Beweisantragsrecht nur insoweit von Bedeutung, als die für den Beweisantrag unabdingbare bestimmte Tatsachenbehauptung nicht durch die Angabe des Beweiszieles ersetzt werden kann (BGH a.a.O.).
Behandelt das Gericht zu Unrecht Beweisanträge als bloße Beweisermittlungsanträge, führt dieser Rechtsfehler in der Regel zur Aufhebung des Urteils (BGH a.a.O., BGH StV 2007, 563 f., Hamm, Die Revision in Strafsachen, 7. Aufl., Rdn. 619).

Der Senat vermag auch nicht auszuschließen, dass das Urteil auf der fehlerhaften Bescheidung der Beweisanträge beruht. Zwar hat sich das Landgericht in den schriftlichen Urteils- gründen ausführlich mit der Genese der Zeugenaussagen von S. und W. befasst und auch nicht verkannt, dass diese sowohl voneinander abweichen als auch in sich Inkonstanzen aufweisen. Auch ist es denkbar, dass die Beweisanträge rechtsfehlerfrei hätten ab- gelehnt werden können. Der Gesetzgeber hat die Ablehnungsgründe jedoch limitiert und die Rechtsprechung verlangt im Falle der Ablehnung von Beweisanträgen in der Regel eingehende Begründungen, die sich nicht auf die Wiederholung des Gesetzeswortlautes beschränken dürfen, weil der Antragsteller in die Lage versetzt werden soll, durch den Ablehnungsbeschluss Informationen zu erhalten, die ihn in die Lage versetzen, durch weitere Anträge oder Erklärungen zu versuchen, die Überzeugungsbildung des Gerichts in seinem Sinne zu beeinflussen (Karlsruher Kommentar zur StPO — Fischer, 6. Aufl., Rdn. 233 zu § 244 m. umfang. Nachw.). Diese Möglichkeit ist dem Angeklagten durch die fehlerhafte Bescheidung der Beweisanträge vorenthalten worden. Die Revisionsbegründung benennt mehrere Beweisanträge und —anregungen, die der Verteidiger gestellt hätte, wenn die Beweisanträge ordnungsgemäß abgelehnt worden wären. Dass die Verteidigung tatsächlich so verfahren wäre, liegt nahe.

Einsender: RA J. Robert, Funck, Braunschweig

Anmerkung:


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