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Entscheidungen

StPO

Ermittlungsverfahren, Dolmetscher, Zuziehung

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Freiburg, Beschl. v. 23.09.2011 - 6 Qs 44/11 Hw.

Fundstellen:

Leitsatz: Ein Dolmetscher kann zur Verständigung zwischen Beschuldigtem und Verteidiger bereits im Ermittlungsverfahren heranzuziehen sein


In pp.
1.Auf die Beschwerde des Verteidigers wird der Beschluss des Amtsgerichts Freiburg vom 29. August 2011 (18 Gs 62/11) aufgehoben.
2.Dem Beschuldigten wird für die Übertragung des Schriftverkehrs mit seinem Verteidiger, soweit dieser zur Vorbereitung der Hauptverhandlung oder damit in Zusammenhang stehender eigener Verfahrenshandlungen erforderlich ist, AAAA , als Übersetzer für die albanische Sprache bestellt.
3.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
I.
Bei der Staatsanwaltschaft Freiburg ist derzeit unter dem Aktenzeichen 641 Js 16249/11 ein Ermittlungsverfahren gegen XXXXX wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz anhängig. Der zwanzig Jahre alte Beschuldigte befindet sich seit dem 19.6.2011 aufgrund Haftbefehls vom gleichen Tage in Untersuchungshaft, die in der Justizvollzugsanstalt XXXXX vollzogen wird. Er steht im Verdacht, am 18.6.2011 gemeinsam mit einem Mittäter in Gewinnerzielungsabsicht 1, 080 kg Kokain und 1,168 kg Heroin zum Preis von insgesamt 60.000,- EUR an einen verdeckten Ermittler der Polizei verkauft und übergeben zu haben und zugleich im Besitz von weiteren 0,548 kg Heroin gewesen zu sein. Darüber hinaus steht der Verdacht der unerlaubten Einfuhr der Betäubungsmittel und der bandenförmiger Begehungsweise im Raum.
Der Beschuldigte ist als albanischer Staatsangehöriger der deutschen Sprache nicht mächtig. Mit Schreiben vom 22.8.2011 beantragte sein Wahlverteidiger daher beim Amtsgericht Freiburg, die Notwendigkeit der Übersetzung der Verteidigerpost des Beschuldigten an den Unterzeichner festzustellen. Mit Beschluss vom 29.8.2011 (AZ 18 Gs 62/11) lehnte der zuständige Ermittlungsrichter die beantragte Feststellung ab unter Hinweis darauf, dass dem Anspruch des Beschuldigten auf ein faires Verfahren durch die jeweils von einem Dolmetscher zu übersetzende mündliche Kommunikation zwischen dem Verteidiger und seinem Mandanten ausreichend Rechnung getragen werde. Am 6.9.2011 legte der Verteidiger gegen diesen Beschluss Beschwerde ein, die damit begründet wurde, dass dem Beschuldigten bei Ablehnung der Tragung der Kosten für die Übersetzung seiner Korrespondenz mit dem Verteidiger entgegen der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht die gleichen prozessualen Rechte zustünden, wie einem Beschuldigten, der der deutschen Sprache mächtig ist. Darüber hinaus verstoße der angefochtene Beschluss gegen die Pflicht zur Kostenminimierung, da durch Fahrten des Verteidigers und des Dolmetschers nach Waldshut-Tiengen höhere Kosten verursacht würden, als durch die Übersetzung der Schreiben. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 6.9.2011 verwiesen.
Nachdem der Ermittlungsrichter mit Beschluss vom 9.9.2011 der Beschwerde nicht abgeholfen hatte, legte er die Sache über die Staatsanwaltschaft, die beantragte, das Rechtsmittel zu verwerfen, der Kammer zur Entscheidung vor.
II.
Das Rechtsmittel des Verteidigers gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 29.8.2011 ist zulässig.
Das Schreiben vom 22.8.2011 ist als Antrag auf Bestellung eines Übersetzers zur Übertragung der Schreiben des Beschuldigten in die deutsche Sprache nach § 187 GVG zu verstehen ( vgl. OLG Celle, B. v. 9.3.2011 - StraFo 2011, 186 ; Hanseatisches OLG, B. v. 27.10.2004 - NJW 2005, 1135 ). Gegen die Ablehnung dieses Antrags durch das Amtsgericht ist das Rechtsmittel der einfachen Beschwerde gegeben (vgl. OLG Celle a.a.O., Rdz. 3; OLG Karlsruhe, B. v. 9.9.2009 - StraFo 2009, 527, Rdz. 3). Ein Antrag auf Feststellung der Erforderlichkeit von Auslagen zur Übersetzung der Korrespondenz zwischen Verteidiger und Beschuldigtem nach § 46 Absatz II S.1 und 3 RVG - gegen eine daraufhin ergangene Entscheidung des Amtsgerichts wäre ein Rechtsmittel nicht zulässig (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl. Rdz. 71 zu § 46; Mayer/Kroiß, RVG, 3. Aufl. Rdz. 163 zu § 46) - kommt hingegen nicht in Betracht, da der Verteidiger nicht gerichtlich bestellt wurde.
§ 187 GVG konkretisiert das - unmittelbar aus dem Diskriminierungsverbot des Art 3 Absatz 3 Satz 1 GG und aus Art. 6 Absatz 3 lit. e MRK folgende Recht des Beschuldigten in einem Strafverfahren die Unterstützung eines Dolmetschers zu erhalten und sich auch außerhalb der eigentlichen Verhandlungen und Vernehmungen, auch bereits im Ermittlungsverfahren, der Dienste eines Dolmetschers und/oder Übersetzers zu bedienen. Die Regelung erfasst dabei insbesondere auch die Kommunikation des Beschuldigten mit seinem Verteidiger, unabhängig davon, ob es sich um einen Pflicht- oder um einen Wahlverteidiger handelt (vgl. BVerfG, B.v. 27.8.2003 - NJW 2004, Rdz. 22; 50 OLG Karlsruhe a.a.O., Rdz.4). Zwar kann der Beschuldigte entsprechende Kosten zunächst selbst verauslagen und später im Rahmen der Kostenerstattung gegenüber der Staatskasse geltend machen, um die Effektivität der Verteidigung aber nicht zu behindern durch die Ungewissheit darüber, ob die entsprechenden Beträge später als ersatzfähig anerkannt werden, kann er stattdessen auch nach § 187 Absatz 1 GVG beantragen, dass ihm durch das Gericht ein Dolmetscher oder Übersetzter bestellt wird, dessen Kosten dann unmittelbar von der Staatskasse getragen werden. Dieser Anspruch geht allerdings nur so weit, wie dies zur Ausübung der strafprozessualen Rechte des Antragstellers erforderlich ist. Das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Absatz 3 Satz 1 GG fordert, dass jeder Ausländer im Verfahren vor deutschen Gerichten dieselben prozessualen Grundrechte und denselben Anspruch auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren hat wie jeder Deutsche. Er muss daher in die Lage versetzt werden, die ihn betreffenden wesentlichen Verfahrensvorgänge zu verstehen und sich im Verfahren verständlich machen zu können (vgl. BVerfG a.a.O.). Es ist jedoch anerkannt, dass der sprachunkundige Beschuldigte dem der Gerichtssprache mächtigen Beschuldigten nicht bedingungslos gleichzustellen ist, wie sich beispielhaft daran zeigt, dass ein Anspruch auf Übersetzung der gesamten Verfahrensakten nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung nicht besteht (vgl. LR-Wickern, 26. Aufl., Rdz. 10 zu § 187 m.w.N.). Er muss jedoch so weit gleichgestellt werden, dass er durch die sprachlichen Schwierigkeiten in seiner Verteidigung nicht behindert wird. Dies kann in Einzelfällen auch dazu führen, dass ein Anspruch des Beschuldigten auf Übertragung der schriftlichen Korrespondenz zwischen ihm und seinem Verteidiger besteht (vgl. OLG Celle a.a.O.). Die Bestimmung von Art und Umfang der zur Wahrnehmung der strafprozessualen Rechte des betreffenden Nebenklageberechtigten jeweils als erforderlich anzunehmenden Dolmetscher-, bzw. Übersetzerleistung bleibt dabei im Einzelnen der Ausfüllung der Rechtsprechung überlassen (vgl. Hanseatisches OLG a.a.O. Rdz. 18). Was zur Ausübung der strafprozessualen Rechte des Berechtigten erforderlich ist, hängt dabei von den Umständen des Einzelfalles ab, wobei beispielsweise Art und Schwere des Tatvorwurfs, Komplexität zu prüfender Beweisfragen und der Umfang der Beherrschung der deutschen Sprache bei der Entscheidung zu berücksichtigen sind (vgl. LR-Wickern, 26. Aufl., Rdz. 7 zu § 187).
Die danach erforderliche Abwägung führt im vorliegenden Fall dazu, dass für die Übersetzung der schriftlichen Kommunikation zwischen dem Beschuldigten und seinem Verteidiger durch das Gericht nach § 187 GVG Sorge zu tragen ist. Dabei ist hier insbesondere das Gewicht des Tatverdachtes von Bedeutung. Bereits die dem Haftbefehl zugrunde gelegten Delikte eröffnen im Falle der Anwendung von Erwachsenenstrafrecht einen Strafrahmen zwischen ein und fünfzehn Jahren, darüber hinaus ist nach dem aktuellen Ermittlungsstand zumindest von einem einfachen Verdacht auszugehen, dass auch Delikte nach § 30 a BtMG, die im Erwachsenenstrafrecht eine Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren nach sich ziehen, begangen wurden. Auch gestaltet sich bereits das Ermittlungsverfahren aufgrund des Auslandsbezugs der Taten und einer Vielzahl von daran beteiligten Personen äußerst komplex. Vor diesem Hintergrund kann ein besonderer Bedarf an der - gegenüber dem gedolmetschten Gespräch für Missverständnisse weniger anfälligen - schriftlichen Fixierung bestimmter verteidigungsrelevanter Gesichtspunkte bestehen. Schließlich ist der Beschuldigte noch sehr jung, der deutschen Sprache nicht im Geringsten mächtig und befindet sich in einer - in einiger Entfernung vom Gerichtsort und dem Sitz seines Verteidigers liegenden - Justizvollzugsanstalt in Untersuchungshaft. Diese Gesichtspunkte führen dazu, dass im vorliegenden Fall - abweichend vom Regelfall, in dem davon auszugehen ist, dass dem Verteidigungsinteresse des Beschuldigten durch Gespräche mit dem Verteidiger unter Beteiligung eines Dolmetschers ausreichend Rechnung getragen wird - ein erhöhter Bedarf an - auch schriftlicher - Kommunikation zwischen dem Beschuldigten und seinem Verteidiger besteht. Der damit erforderlichen Übersetzerbestellung steht auch nicht der Einwand des Amtsgerichts entgegen, dass der genaue Umfang und der Inhalt der Übersetzungsarbeit gerichtlicherseits nicht nachvollzogen werden können. Auch wenn eine Vorlage der betreffenden Schriftstücke an das Gericht selbstverständlich ausscheidet, eröffnen sich dadurch keine weitergehenden Möglichkeiten für fehlerhafte Abrechnungen, als dies auch hinsichtlich gedolmetschter Gespräche zwischen Verteidiger und Beschuldigten der Fall ist, sofern deren Umfang - in der Praxis unüblich - nicht zufällig durch die festgehaltenen Besuchszeiten bei einem inhaftierten Beschuldigten nachvollzogen werden könnte.
Bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Bestellung eines Übersetzers liegt die Auswahl der Person des Sprachmittlers im Ermessen des Gerichts (vgl. LR-Wickern, 26. Aufl., Rdz. 16 zu § 187) - insoweit bot sich hier die Bestellung des auch als Übersetzter tätigen Dolmetschers, der bereits durch den Verteidiger zu einer mündlichen Besprechung mit dem Beschuldigten hinzugezogen worden war, an.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 StPO analog.

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