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Gericht / Entscheidungsdatum: LG Magdeburg, Beschl. v. 13.02.2012- 22 Qs 11/12
Fundstellen:
Leitsatz: Hat der Angeschuldigte nicht innerhalb der ihm gem. § 142 Abs. 1 StPO gesetzten Frist einen Verteidiger seiner Wahl benannt und hat deshalb der Vorsitzende einen nicht benannten Rechtsan-walt zum Pflichtverteidiger bestellt, muss die Bestellung wieder aufgehoben werden, wenn der Angeschuldigte noch die Beiordnung eines bestimmten Rechtsanwalts beantragt, bevor der Beschluss des Vorsitzenden Außenwirkung erlangen konnte.
Landgericht Magdeburg 2. Große Strafkammer Jugendkammer - Geschäftsnummer: 22 Qs 372 Js 32173/11 (11/12) Beschluss In der Strafsache gegen pp. Verteidiger: Rechtsanwalt D. Rechtsanwalt Jan-Robert Funck, Schleinitzstraße 14, 38106 Braunschweig, wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung u. a. hat die 2. Große Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts Magdeburg durch die unterzeichnenden Richter am 13. Februar 2012 beschlossen: Auf die Beschwerde des Angeklagten durch Rechtsanwalt Jan-Robert Funck aus Braun-schweig werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Magdeburg vom 24. Januar 2012, mit denen zum Einen der Antrag des Rechtsanwalts Funck auf Beiordnung als Pflichtverteidiger zurückge-wiesen und zum Anderen Rechtsanwalt D. gem. § 140 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 StPO als Verteidiger des Angeklagten beigeordnet wurde, insoweit aufgehoben.
Rechtsanwalt Jan-Robert Funck wird mit Wirkung vom 1. Dezember 2011 als Pflichtverteidi-ger des Angeklagten beigeordnet.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Landeskasse.
Gründe: I. Die Staatsanwaltschaft Magdeburg erhob am 17. November 2011 Anklage zum Amtsgericht - Jugend-schöffengericht - Magdeburg wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit einem fahrlässigen Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz in Tateinheit mit Straßenverkehrsgefähr-dung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung, begangen am 7. August 2011 als Führer des Kraftfahrzeuges Pkw Opel Omega, Kennzeichen: XXXXXXX, auf der Bundesstraße 71 in Richtung Haldensleben.
Zudem klagte die Staatsanwaltschaft Magdeburg den Angeklagten am 10. November 2011 an, in der Zeit vom 2. bis zum 22. August 2011 in vier Fällen eine Leistungserschleichung durch Benutzung von Zügen der Deutschen Bahn AG begangen zu haben, ohne zuvor einen Fahrschein gelöst zu haben, sowie mit Anklage vom 14. November 2011, dies ebenso in der Zeit vom 23. bis 24. Juli 2011 in drei Fällen einer Leistungserschleichung getan zu haben.
Alle drei Verfahren wurden am 29. November 2011 durch das Amtsgericht Magdeburg unter Führung des Verfahrens 22 Ls 360/11 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Am 1. Dezember 2011, eingegangen beim Amtsgericht Magdeburg am selben Tage, zeigte Rechtsanwalt Jan-Robert Funck aus Braunschweig die Verteidigung des Angeklagten an und beantragte, diesem als Pflichtverteidiger gem. § 140 Abs. 1 Nr, 5 StPO beigeordnet zu werden.
Ausweislich des Vollstreckungsblattes in Bd. I, BI. 21 d. A. verbüßt der Angeklagte seit dem 21. September 2011 eine sechsmonatige Jugendstrafe aufgrund des Urteils des Amtsgerichts Magde-burg vom 21. März 2011 (Az.: 24 Ls 364 Js 31455/09 - 291/10). Nach Ablauf von zwei Dritteln der Strafe am 20. März 2012 steht die Vollstreckung einer Restjugendstrafe aus dem Urteil des Amts-gerichts Magdeburg vom 7. September 2010 (Az.: 22 Ls 337 Js 15180/10 - 215/10) nach dem Wi-derruf der Strafaussetzung zur Bewährung an, von der zwei Drittel am 30. März 2012 voll-streckt sein werden. Das Terminende ist auf den 19. August 2012 notiert. Aufgrund dessen befindet sich der Angeklagte gegenwärtig in der Jugendanstalt Raßnitz.
Am 2. Januar 2012 schlug das Amtsgericht Magdeburg Rechtsanwalt Funck drei Termins-blöcke vor - 14. und 23. Februar 2012, 21, Februar und 1. März 2012 sowie 28. Februar und 8. März 2012 - und forderte den Verteidiger auf, innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens mitzuteilen, ob er an einem Termin von jeweils zwei Tagen eines vorgeschlagenen Blockes an der Ver-handlung teilnehmen könne. Sollte dies nicht möglich sein, so das Amtsgericht, werde der Verteidiger gebeten, zusammen mit dem Mandanten einen anderen Verteidiger zu benennen, der seinerseits einen Terminsblock wahrnehmen könne. Für den Fall, dass dies nicht fristgemäß geschehe, werde das Gericht dem Angeklagten einen Verteidiger bestimmen.
Dieses Anschreiben des Gerichts wurde dem Verteidiger - ausweislich der Zustellungsur-kunde im Bd. III, BI. 104 d. A - am 6. Januar 2012 zugestellt, sodass die gesetzte zweiwöchige Frist am 20. Januar 2012 ablief. Am 24, Januar 2012 wies das Amtsgericht Magdeburg, nachdem innerhalb der gesetzten Frist keinerlei Reaktion des Angeklagten oder des Rechtsanwalts Funck erfolgt war, seinen Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger zurück. Zur Begründung wurde auf die Aufforderung des Gerichts vom 2. Januar 2012 sowie die gesetzte Frist, die fruchtlos verstrichen sei, Bezug genommen.
Am. 24. Januar 2012 ließ das Amtsgericht zudem die drei Anklagen der Staatsanwaltschaft Magdeburg zur Hauptverhandlung zu und eröffnete das Hauptverfahren vor dem Jugendschöffengericht. Zugleich ordnete es dem Angeklagten Rechtsanwalt Dr. D aus Magdeburg gem. § 140 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 StPO als Pflichtverteidiger bei. Hauptverhandlungstermine wurden auf den 21 Februar und den 1. März 2012 bestimmt.
Am. 25. Januar 2012 teilte Rechtsanwalt Funck dem Amtsgericht mit, dass er die Termine der am 2. Januar 2012 vorgeschlagenen Blöcke" nicht wahrnehmen könne. Stattdessen bot Rechtsanwalt Funck Termine am 10. und 12. April 2012 an. Zugleich schlug er die Beiordnung des Rechtsanwalts Alexander Funck aus Berlin vor, der die Termine am 28. Februar und 1. März 2012 wahrnehmen könne.
Zugleich führte Rechtsanwalt Funck aus, dass der Angeklagte weiterhin durch ihn als Pflichtverteidi-ger vertreten werden wolle. Nur wenn die Entpflichtung seiner Person zwingend erforderlich sei, möge Rechtsanwalt Alexander Funck aus Berlin beigeordnet werden.
Am 1. Februar 2012 legte Rechtsanwalt Funck für den Angeklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 24. Januar 2012 Beschwerde ein, die damit begründet wird, dass der Beiordnungsbeschluss des Rechtsanwalt Dr. D noch völlig problemlos hätte abgeändert werden können, da dieser keine Außenwirkung erlangt habe. Zur Begründung wird auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 24. November 2011 (BI. 122, Bd. III d. A.) Bezug genommen.
Das Amtsgericht Magdeburg half der Beschwerde des Verteidigers vom 1. Februar 2012 am 3. Februar 2012 nicht ab. Zur Begründung wird ausgeführt, dass sich der Beschwerde nicht entnehmen lasse, weshalb die vorn Gericht gesetzte Erklärungsfrist nicht eingehalten worden sei. Der Beiordnungsbe-schluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 24, Januar 2012 habe bereits deshalb Außenwirkung erlangt, da das Büro des Rechtsanwalts Dr. D. im Rahmen der Terminsabsprache von der Beiordnung mündlich Kenntnis erlangt habe.
II. Die gem. § 304 Abs. 1 StPO zulässige Beschwerde des Angeklagten durch Rechtsanwalt Funck vom 1. Februar 2012 war so auszulegen, dass sie sich sowohl gegen den Beschluss vom 24. Januar 2012 richtet, mit dem der Beiordnungsantrag des Rechtsanwalts Funck vom 1. Dezember 2012 zurückgewiesen wurde, und zugleich gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom selben Tage - dem 24. Januar 2012 - mit dem neben der Eröffnung des Verfahrens auch die Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. D) beschlossen wurde. Denn nur so lässt sich das Ziel des Angeklagten, Rechtsanwalt Funck aus Braunschweig statt Rechtsanwalt Dr. D als Pflichtverteidiger des Angeklagten zu erhalten, erreichen.
Die Beschwerde Ist in der Sache auch begründet.
Zwar ist dem Amtsgericht Magdeburg darin zuzustimmen, dass Rechtsanwalt Funck aus Braunschweig die ihm mit Schreiben des Gerichts vom 2. Januar 2012 gesetzte zweiwöchige Frist nicht eingehalten hat, da diese am 20. Januar 2012 ablief und die Reaktion des Rechtsanwalts Funck im Form des Schriftsatzes vom 25. Januar 2012 erst an diesem Tage bei Gericht einging, Indes erfolgte die Beiordnung des Rechtsanwalts Dr. D im Rahmen des Eröffnungsbeschlusses vom 24. Januar 2012 erst einen Tag vor Eingang des Schriftsatzes von Rechtsanwalt Funck aus Braunschweig und wurde erst am 25. Januar 2012 von der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Magdeburg ausgeführt. Mithin wäre es dem Amtsgericht Magdeburg ohne Weiteres möglich gewesen, die am 24. Januar 2012 erfolgte Zurückweisung des Beiordnungsantrages von Rechtsanwalt Funck und die Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. D. gem. § 143 StPO zurückzunehmen. Denn grundsätzlich ist gem. § 142 Abs. 1 S. 1 StPO der von dem Angeklagten benannte Verteidiger seiner Wahl zu bestellen, sofern dem kein wichtiger Grund entgegensteht.
Zwar könnte als wichtiger Grund im Sinne dieser Vorschrift der Beiordnung von Rechtsanwalt Funck aus Braunschweig der Umstand entgegenstehen, dass Rechtsanwalt Funck an sämtlichen drei Terminsblöcken, die das Amtsgericht am 2. Januar 2012 vorgeschlagen hat, verhindert ist. indes handelt es sich bei dem hiesigen Strafverfahren nicht um eine mit besonderer Beschleunigung zu behandelnde Haftsache, da sich der Angeklagte in anderen Sachen zur Strafvollstreckung in der Jugendanstalt Raßnitz befindet und nicht etwa aufgrund von Untersuchungshaft im hiesigen Verfahren. Des Weiteren handelt es sich um eine relativ einfach gelagerte Strafsache, die lediglich die Vernehmung dreier Zeugen sowie zweier Sachverständiger erforderlich machen wird. Dem entsprechend hat das Amtsgericht auch lediglich zwei Hauptverhandlungstermine vorgesehen. Wie Rechtsanwalt Funck am 25. Januar 2012 mitteilte, stehen ihm als nächste freie Termine der 10. und der 12. April 2012 zur Verfügung. Auch wenn das Amtsgericht nunmehr Termine auf den 21. Februar und 1. März 2012 anberaumt hat, ist es dem Amtsgericht Magdeburg zuzumuten, diese ca. fünf Wochen verstreichen zu lassen und die von dem Verteidiger der Wahl des Angeklagten - Rechtsanwalt Funck - vorgeschlagenen Termine zu nutzen, sofern keine dienstlichen Gründe dem entgegenstehen. Zumal dienstlich bekannt ist, dass der Zeuge Luis wohl nicht vernehmungsfähig Ist. Eine Verzögerung des Verfahrens um lediglich fünf Wochen ist bei einer nicht besonders eilbedürftigen Angelegenheit wie der vorliegenden zumutbar, um dem Interesse des Angeklagten, von dem Verteidiger seiner Wahl vertreten zu werden, gerecht zu werden.
Dem Amtsgericht Magdeburg wäre es ein Leichtes gewesen, die am 24. Januar 2012 erfolgte Bei-ordnung von Rechtsanwalt Dr. D. gem.§ 143 StPO zurückzunehmen, zumal zu diesem Zeitpunkt keinerlei Auslagen oder Gebühren des Rechtsanwalts Dr. D entstanden wären. Auch nunmehr ist lediglich eine Akteneinsichtnahme durch Rechtsanwalt Dr. D. erfolgt.
Zudem steht einem Zuwarten bis zu den von Rechtsanwalt Funck vorgeschlagenen Terminen nicht entgegen, dass zu diesem Zeitpunkt die derzeit zu vollstreckenden Strafen des Amtsgerichts Magdeburg bereits vollzogen sein werden und damit einer Einbeziehung gem.§ 31 Abs. 2 JGG nicht mehr zugänglich sein werden. Dies wird dadurch auszugleichen sein - für den Fall, dass der Angeklagte für schuldig befunden werden sollte -, dass dem Angeklagten ein Härteausgleich wegen der nicht mehr möglichen Bildung einer Einheitsstrafe gewährt wird.
Nach alledem waren die Beschlüsse des Amtsgerichts Magdeburg vom 24. Januar 2012 auf die Beschwerde des Angeklagten durch Rechtsanwalt Funck vom 1. Februar 2012 aufzuheben und Rechtsanwalt Funck mit Wirkung zum 1. Dezember 2011 - dem Zeitpunkt des Eingangs seines Antrages beim Amtsgericht Magdeburg - zum Pflichtverteidiger des Angeklagten zu bestellen.
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