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Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Oldenburg, Beschl. v. 04.11.2011 - 5 W 58/11
Leitsatz: Stellt ein Versicherungsnehmer einem anderen Menschen im Sinne von § 238 StGB nach (Stalking), so handelt es sich dabei um eine ´ungewöhnliche und gefährliche Betätigung´. Eine hieraus resultierende Haftpflicht ist daher nicht versichert.
In pp. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 6. Juli 2011 wird zurückgewiesen.
Gründe I. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässig, in der Sache jedoch unbegründet. Dem Landgericht ist im Ergebnis darin beizupflichten, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Ob der Versicherungsschutz deshalb ausgeschlossen ist, weil der Antragsteller den Schaden, derentwegen er von der Wehrbereichsverwaltung und der mutmaßlich Geschädigten S... R... in Anspruch genommen wird, nach Aktenlage vorsätzlich herbeigeführt hat (Ziff. 7.1 AHB), kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls beruft die Antragsgegnerin sich nach dem derzeitigen Sach und Streitstand und einer - im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren in bestimmten Grenzen zulässigen - Beweisantizipation zu Recht auf Punkt A II 1 der Besonderen Bedingungen zur PrivatHaftplichtversicherung (BesBedPHV).
1. Gemäß Punkt A II 1 BesBedPHV ist die Haftpflicht aus einer ungewöhnlichen und gefährlichen Betätigung nicht versichert. Damit sollen Tätigkeiten vom Versicherungsschutz ausgenommen werden, hinsichtlich derer ein redlicher Versicherungsnehmer von vornherein in der Privathaftpflichtversicherung keinen Deckungsschutz erwarten kann (vgl. OLG Karlsruhe, NJWRR 1995, S. 1433. OLG Oldenburg, Beschluss vom 15.12.1995, Az.: 2 W 141/95, Rn. 2 m. w. N., zitiert nach juris). Die schadenstiftende Handlung muss im Rahmen einer allgemeinen Betätigung erfolgt sein, die ihrerseits sowohl ungewöhnlich als auch gefährlich ist und deshalb in erhöhtem Maße die Gefahr der Vornahme schadenstiftender Handlungen in sich birgt. Gefährlich im Sinne der Klausel ist eine Beschäftigung dann, wenn aus ihr eine Risikoerhöhung für einen in der Haftpflichtversicherung allein relevanten Fremdschaden resultiert. Ob der handelnde Versicherungsnehmer durch die Beschäftigung sein Eigentum und/oder seine Gesundheit gefährdet, ist unerheblich. Seine Beschäftigung muss die erhöhte Gefahr der Schädigung fremder Rechtsgüter und der daraus resultierenden gesetzlichen Haftpflicht in sich bergen (vgl. BGH, NJWRR 2004, S. 831, 832 m. w. N.).
2. In der vorliegenden Sache ist bei wertender Betrachtung aller bislang bekannten Umstände davon auszugehen, dass das Verhalten des Antragstellers, auf das die gegen ihn gerichteten Schadensersatzansprüche gestützt werden, als ungewöhnliche und gefährliche Betätigung in dem soeben beschriebenen Sinne einzuordnen ist.
a) Nach dem aktuellen Stand des Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren und den in der beigezogenen Strafakte (533 Js 6082/09, StA Verden - 7 Ds 471/09, AG Rotenburg/Wümme) niedergelegten Ermittlungsergebnissen, insbesondere nach den Aussagen der im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren zu den einzelnen Vorwürfen vernommenen Zeugen, und nach dem Verlauf der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter des Amtsgerichts Rotenburg (Wümme) erscheint es in hohem Maße wahrscheinlich, dass eine eventuelle Beweisaufnahme auch in dem vorliegenden Zivilverfahren zu der Feststellung führen würde, dass der Antragsteller der Frau S...R... über Jahre nachgestellt und vollstreckbaren Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz zuwidergehandelt hat.
b) Dieses Handeln stellt schon ungeachtet seiner Strafbarkeit eine ungewöhnliche Betätigung im Sinne der unter Punkt A II 1 BesBedPHV enthaltenen Ausschlussklausel dar. Es war von erheblicher Dauer und fällt seiner Art nach auch bei Anlegung eines großzügigen Maßstabs deutlich aus dem Rahmen der allgemein üblichen Aktivitäten heraus (zu dieser Definition Lücke, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., Nr. 1 BesBed PHV, Rn. 17 f. mit w. N.). Erst recht ist es als ungewöhnliche Betätigung einzuordnen, wenn man seine Qualität als Straftat mit berücksichtigt (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 15.12.1995, Az.: 2 W 141/95, Rn. 2 m. w. N., zitiert nach juris).
c) Ebenso war das vom Antragsteller an den Tag gelegte Verhalten gefährlich. Es hat das Risiko einer Schädigung fremder Rechtsgüter und der daraus resultierenden gesetzlichen Haftpflicht in erheblichem Maße erhöht. Dass das Nachstellen (Stalking) zu erheblichen psychischen und physischen Beeinträchtigungen der jeweiligen Opfer führen kann, ist allgemein bekannt und wird dadurch untermauert, dass das Gesetz derartige Handlungen mit Strafe bedroht (§ 238 StGB, § 4 Satz 1 GewSchG). Dem Antragsteller wurde die Gefährlichkeit seines Tuns in dem konkreten Fall zusätzlich durch die eidesstattliche Versicherung der S... B... vom 5. Dezember 2006 in dem einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Amtsgericht Rotenburg (Wümme), Az.: 8 C 885/06, vor Augen geführt. Bereits damals hatte S... B... erklärt, dass sie sich bedroht und belästigt fühle, deshalb an Schlafstörungen und Angstzuständen leide und sich in psychologische Behandlung begeben habe.
d) Vor diesem Hintergrund erstreckt sich die bei der Beklagten abgeschlossene Haftpflichtversicherung - nach der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung und einer hier prinzipiell zulässigen Beweisantizipation - in keinem Fall auf die unter Berufung auf das Stalking erhobenen Forderungen, unabhängig davon, ob der Antragsteller Frau S... B... tatsächlich bewusst und gewollt in dem von ihr und der Wehrbereichsverwaltung behaupteten Umfang an der Gesundheit geschädigt hat oder nicht. Für ein Nachstellen und die Missachtung von vollziehbaren Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz kann ein redlicher Versicherungsnehmer von vornherein in der Privathaftpflichtversicherung keinen Deckungsschutz erwarten.
II. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 127 Abs. 4 ZPO.
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Quelle [Zivilgerichte (OLGe, LGe, AGe)]
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Datum/Zeit Dienstag, 31 Januar 2012, 08:17
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