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Entscheidungen

OWi

Akteneinsicht, Bedienungsanleitung, Ort der Einsichtnahme

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Nauen, Beschl. v. 09.01.2012 - 34 OWiE 138/11

Fundstellen:

Leitsatz: Dem Verteidiger wird Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung eines Messgerätes dort gewährt, wo die Bedienungsanleitung aufbewahrt wird.


34 OWiE 138/11
Amtsgericht Nauen
Beschluss
In der Erzwingungshaftsache
gegen pp.
Verteidiger: wegen Ordnungswidrigkeit
wird der Antrag des Betroffenen vom 15.11.2011 auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Betroffene.
Gründe
I.
Die Zentrale Bußgeldbehörde des Landes Brandenburg hörte den Betroffenen mit Schreiben vom 17.08.2011 wegen einer vermeintlichen Geschwindigkeitsüberschreitung an. Nach erfolgter Akteneinsicht durch den Verteidiger des Betroffenen beantragte der Betroffene durch seinen Verteidiger mit Schreiben vom 20.09.2011 (BI. 17 f. d Vw.A.) zusätzlich Einsichtnahme 'in die Lebensakte des Geschwindigkeitsmessgeräts „Polisean speed" und dessen Bedienungsanleitung. Er begründete das Erfordernis der Einsichtnahme in die Bedienungsanleitung unter anderem damit, den Zeugen zu der ordnungsgemäßen Durchführung der Messung nur mit Kenntnis der Bedienungsanleitung des Gerätes befragen zu können. Könne dem Verteidiger wegen der weiten Entfernung zwischen seinem Kanzleisitz und dem Ort der Auf-bewahrung der Akten eine Reise an den Aufbewahrungsort nicht zugemutet werden, sei Akteneinsicht im Wege der Übersendung einer Kopie der Bedienungsanleitung zu gewähren. Urheberrechtliche Bestimmungen stünden dem nicht entgegen. Eine Vorenthaltung wesentlicher Unterlagen im Rahmen der Akteneinsicht stellten eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Der Verteidiger regte zudem an, die Unterlagen per E-Mail oder durch Aufspielen auf eine mitübersandte Leer-CD zu übersenden. Mit Schreiben vom 27.09.2011 lehnte die Bußgeldbehörde dies ab. Hinsichtlich der Lebensakte oder ähnlicher Aufzeichnungen führte sie aus, dass diese durch den Zentraldienst der Polizei des Landes Brandenburg nicht geführt werden und damit der Verfahrensakte nicht beigefügt werden können. Hinsichtlich der Bedienungsanleitung erklärte sie, dass in der Verwaltungsbehörde ein Exemplar vorhanden ist. Sie bot dem Verteidiger an, die Bedienungsanleitung in den Räumen der Zentralen Bußgeldstelle in Gransee einzusehen. Ferner verwies sie auf die Möglichkeit, beim Hersteller des Messgeräts die Bedienungsanleitung gegen eine Kostennote anzufordern. Die Zentrale Bußgeldstelle des Landes Brandenburg erließ am 05.10.2011 gegen den Betroffenen einen Bußgeldbescheid wegen der vermeintlichen Geschwindigkeitsüberschreitung. Der Verteidiger legte gegen den Bußgeldbescheid Einspruch ein und stellte mit Schreiben vom 15.11.2011 den Antrag auf gerichtliche Entscheidung wegen der versagten Übersendung der Lebensakte und Bedienungsanleitung. In diesem verweist er auf sein Schreiben vom 20.09.2011. Ergänzend begründet er den Antrag hinsichtlich der Bedienungsanleitung im wesentlichen damit, dass keine nachvollziehbaren oder plausiblen Gründe einer Übermittlung per E-Mail oder auf einer Leer-CD entgegen stehen würden. Dies sei zumutbar und ohne großen Aufwand möglich. Die Anforderung der Bedienungsanleitung beim Hersteller des Messgerätes, zudem noch gegen eine Kos-tennote, würde im Vergleich zu der entsprechenden Datenübermittlung durch die Bußgeldbehörde die deutlich aufwändigere und zudem noch unzumutbare und damit auch unverhältnismäßigere Maßnahme darstellen. Hinsichtlich der Lebensakte führt der Verteidiger im Wesentlichen wie folgt aus: Ohne derartige Messunterlagen, die anderswo weiterhin geführt würden, sei eine Überprüfung der Eichung in dem Zeitraum zwischen Eiehdatum und Tattag aufgrund ggf. durchgeführter Wartungen oder Reparaturen an dem Messgerät nicht möglich. Vor diesem Hintergrund sei die bloße Vorlage des Messprotokolls und des Eichscheins im Rahmen der bisherigen Akteneinsicht gerade nicht ausreichend. Zwischenzeitliche Wartungen oder Reparaturen am Gerät könnten durchaus Einfluss auf die zuvor vorgenommene Eichung des Geräts haben und sich auf den Messvorgang nach der Eichung auswirken. Ohne diese Überprüfung könnte nicht festgestellt werden, ob der Messvorgang ordnungsgemäß i. S. eines ggf. standardisierten Messverfahrens gewesen sei.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gern. § 62 OWiG zulässig, aber unbegründet.
Zwar hat der Verteidiger des Betroffenen im Rahmen des Bußgeldverfahrens, das eine Geschwindigkeitsüberschreitung zum Gegenstand hat, gern. § 147 StPO, § 46 OWiG ein Recht auf Akteneinsicht in alle Unterlagen, die auch dem Gericht oder dem Sachverständigen zur Verfügung gestellt werden (vgl. AG Herford, DAR 2010, 517).
Dieses Recht umfasst auch den Einblick in die Bedienungsanleitung des Gerätes, mit dem die Messung erfolgte (vgl. AG Herford, DAR 2010, 517). Das Recht der Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung wird durch die Verwaltungsbehörde jedoch ausreichend gewährt, indem sie dem Verteidiger anbietet die Bedienungsanleitung in den Räumen der Zentralen Bußgeldstelle in Gransee einzusehen (vgl. AG Bad Kissingen, ZfSch 2006, 706; AG Gelnhausen, Beschluss vom 14.09.2010, Az. 44 OWi — 2945 Js 13251/10). Es besteht kein über die Einsichtnahme vor Ort hinausgehender Anspruch. Ein Anspruch auf Versenden der Bedienungsanleitung per E-Mail oder auf Aufspielen auf eine durch den Verteidiger zur Verfügung gestellte Leer CD und Versendung besteht nicht. Die Verwaltungsbehörde ist nicht zur Übersendung der Akte an den Verteidiger verpflichtet (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Auflage, § 147 Rn. 28). Dann kann sie erst recht nicht zur darüber hinausgehenden Versendung der Bedienungsanleitung per E-Mail oder Aufspielen auf eine Leer CD und Übersendung verpflichtet sein. Im Übrigen versteht das Gericht das Schreiben der Verwaltungsbehörde vom 27.09.2011 so, dass die Bedienungsanleitung nicht in digitaler Form vorliegt. Dort heißt es lediglich, dass in der Verwaltungsbehörde ein „Exemplar" vorhanden ist. Mithin müsste die gerichtsbekannt über 100 Seiten umfassende Bedienungsanleitung zunächst zeitaufwändig eingescannt werden. Dem stehen Kapazitätsgründe der Verwaltungsbehörde entgegen. Ein Versand der Originalbedienungsanleitung, die ständig durch die Verwaltungsbehörde benötigt wird, kommt ebenfalls nicht in Betracht. Zudem besteht bereits kein Rechtsanspruch auf Mitgabe der Akte (vgl. Göhler, OWiG, 15. Auflage, § 60 Rn. 52 m.w.N.). Selbst wenn die Mitgabe der Akte geboten wäre. schließt dies nicht die Pflicht der Verwaltungsbehörde ein, dem Verteidiger die Akte zuzusenden (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Auflage, § 147 Rn. 28). Aus diesen Gründen fehlt es auch an einem Anspruch auf Übersendung von der Bußgeldstelle gefertigter Kopien der Bedienungsanleitung an den Verteidiger. Im Übrigen steht der urheberrechtliche Schutz der Aufzeichnungen der Fertigung von Kopien, Versendung per E-Mail oder Aufspielen auf einer Leer CD entgegen (vgl. AG Bad Kissingen, ZfSch 2006, 706; AG Gelnhausen, Beschluss vom 14.09.2010, Az. 44 OWi — 2945 Js 13251/10). Soweit der Verteidiger auf die Entfernung zur Zentralen Bußgeldstelle in Gransee abstellt, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Es besteht die Möglichkeit sein Akteneinsichtsrecht beispielsweise durch Unterbevollmächtigte oder Sachverständige auszuüben. Auch kann ihm die Einsichtnahme beim Amtsgericht seines Kanzleisitzes gewährt werden (vgl. LG Heilbronn, StV 1988, 293). Unabhängig davon ist auch zu berücksichtigen, dass die vermeintliche Tat im Bezirk der zentralen Bußgeldbehörde Gransee erfolgte (vgl. AG Gelnhausen, Beschluss vom 14.09.2010, Az. 44 OWi — 2945 Js 13251/10). Unabhängig davon besteht die Möglichkeit, beim Hersteller des Messgeräts die Bedienungsanleitung gegen eine Kostennote anzufordern.

Es besteht kein Akteneinsichtsrecht in die Lebensakte (vgl. Göhler, OWiG, 15. Auflage, § 690 Rn. 49). Dies ist tatsächlich vorliegend zudem nicht möglich. Eine Lebensakte wird — wie dem Verteidiger von der Verwaltungsbehörde mitgeteilt wurde — nicht geführt. Zudem gehören Lebensakten einschließlich der dort enthaltenen technischen Wartungsberichte nach hiesiger Ansicht nicht zu den Akten. Es besteht kein Bedürfnis für das Führen solcher Akten. da die Ordnungsgemäßheit der Messeinrichtung durch die Eichordnung hinreichend gewährleistet wird (vgl. AG Verden, VRR 2010, 363).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 62 Abs. 2 Satz 2 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Die Entscheidung ist unanfechtbar, § 62 Abs. 2 OWiG.
Nauen, 09.01.2012

Einsender: RA M. Rauch. Hohen Neuendorf

Anmerkung:


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