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Entscheidungen

Gebühren

Vergütungsvereinbarung, Angemessenheit, Zeittaktklausel,

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Düsseldorf, Urt.. v. 07.06.2011 - I - 24 U 183/05

Fundstellen:

Leitsatz: 1. Ist ein mit einem Zeithonorar abgerechneter Zeitaufwand teilweise überflüssig oder nicht nachweislich angefallen, so geht dies zulasten des abrechnenden Rechtsanwalts; seine Kostenrechnung ist entsprechend zu kürzen.
2. Ungeklärte Bearbeitungszeiten geben nur dann Anlass, den gesamten aufgezeichneten Zeitaufwand anzuzweifeln, wenn wegen der Häufung von Unrichtigkeiten und Ungereimtheiten von betrügerischem Handeln des Rechtsanwalts auszugehen ist.
3. Es wird an der Rechtsauffassung festgehalten, dass eine Zeittaktklausel, die die Aufrundung jeder angefangenen Viertelstunde zu einem Viertel des Stundensatzes vorsieht, unwirksam ist.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF
I - 24 U 183/05
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit pp.
hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die am 17. Mai 2011 geschlossene mündliche Verhandlung unter Mitwirkung seiner Richter am 07. Juni 2011 für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels, soweit darüber nicht schon durch die Senatsurteile vom 29. August 2006 und vom 18. Februar 2010 entschieden worden ist, das am 18. November 2005 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal - Einzelrichter - weiter teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger über den durch Senatsurteil vom 18. Februar 2010 zugesprochenen Teilbetrag (9.170,94 €) hinaus weitere 11.366,97 € (insgesamt 20.537,91 €) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04. Mai 2005 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird, soweit über sie nicht schon wegen eines Teilbetrags von 64.163,04 € (nebst Zinsen) durch das Senatsurteil vom 29. August 2006 abweisend entschieden worden ist, abgewiesen.
Die Gerichtskosten des ersten und zweiten Rechtszuges sowie die außergerichtlichen Auslagen des ersten Rechtszuges und die des ersten Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 76% und dem Beklagten zu 24% auferlegt. Die außergerichtlichen Auslagen des zweiten und dritten Berufungsverfahrens sowie die Kosten beider Revisionsverfahren werden dem Beklagten zu 90% und dem Kläger zu 10% auferlegt.
Von den Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde hat der Kläger die Gerichtskosten nach einem Beschwerdewert von 64.163,04 € und die außergerichtlichen Auslagen des Beklagten zu 76% nach dem bundesgerichtlich festgesetzten Streitwert von 87.257,83 € zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
A.
Die Parteien streiten, soweit hier noch von Interesse, um das offene Resthonorar, das der klagende Rechtsanwalt auf der Grundlage der Honorarvereinbarung vom 07. Dezember 1999 noch für die Verteidigung und Vertretung des Beklagten in der Zeit vom 07. Dezember 1999 bis 17. Dezember 2002 in einem vor dem Schöffengericht Wuppertal geführten Strafverfahren (14 Ls 21 Js 1132/99 AG Wuppertal) verlangt. Dem liegt das folgende Geschehen zugrunde:
In einem ersten, bereits Ende des Jahres 1994 eingeleiteten Ermittlungs- und in dem sich daran anschließenden Strafverfahren (14 Ls 21 Js 1390/94 AG Wuppertal, künftig: Erstverfahren) war der vom Kläger verteidigte Beklagte am 29. Oktober 1998 angeklagt worden, als Gesellschafter und Geschäftsführer der F-GmbH) gemeinschaftlich handelnd mit seinem Mitgesellschafter und -geschäftsführer in der Zeit von Februar 1991 bis November 1994 in 46 Fällen Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite in Höhe von mindestens rund 550.000 DM nicht abgeführt und tateinheitlich Betrug begangen sowie Gewerbe- und Körperschaftssteuer in Höhe von mindestens rund 400.000 DM verkürzt zu haben. Dieses Verfahren wurde am 10. November 1999 nach an einem Tag durchgeführter Hauptverhandlung wegen eines Prozesshindernisses (nicht hinreichend bestimmte Anklage) endgültig eingestellt. Das dem Beklagten vom Kläger für diese Verteidigertätigkeit berechnete Honorar (22.597,80 DM = 11.554,07 €) ist bezahlt.
Nur wenige Tage später, nämlich mit der Schrift vom 16. November 1999, die dem Beklagten am 3. Dezember 1999 zugestellt worden war, erhob die Staatsanwaltschaft wegen desselben Sachverhalts und derselben daraus hergeleiteten Tatvorwürfe erneut Anklage. Der Kläger übernahm am 7. Dezember 1999, dem Tag, an dem ihm die Anklageschrift zugestellt worden war, wiederum die Verteidigung. Er ließ sich zugleich die von ihm vorformulierte, mit „Honorarvereinbarung“ überschriebene Urkunde vom Beklagten unterzeichnen (künftig: Honorarvereinbarung), in der sich dieser bereit erklärte, ein Wahlverteidigerhonorar zu einem Stundensatz von 450 DM (230,08 €) zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer zu zahlen (Nr. 1 Abs. 1 Satz 1; Nr. 2 Satz 1). Die Honorarvereinbarung enthält u. a. folgende weitere Einzelregelungen:
- Nr. 1 Abs. 1 Satz 2: Abrechnung jeder angefangenen Viertelstunde zu einem Viertel des Stundensatzes (künftig: Zeittaktklausel)
- Nr. 1 Abs. 1 Satz 3: Honorierung anwaltlicher Tätigkeit außerhalb der Kanzlei nach der Zeittaktklausel vom Verlassen des Büros bis zur Rückkehr ins Büro
- Nr. 1 Abs. 2 Satz 1: Mindesthonorar in Höhe der gesetzlichen Vergütung
- Nr. 2 Sätze 1 u. 2: Auslagenerstattung (Reisekosten, Tage- und Abwesenheitsgelder, Postgebühren und Schreibauslagen, Kopierkosten zu 1,00 DM/Kopie)
Nach Zulassung der Anklage am 7. April 2000 und Einholung eines am 18. Januar 2001 erstatteten etwa dreihundertseitigen Sachverständigengutachtens zur umstrittenen Höhe nicht abgeführter Sozialversicherungsbeiträge wurde der Beklagte nach an zwei Tagen durchgeführter Hauptverhandlung erstinstanzlich am 17. Dezember 2002 - unter Einstellung des Verfahrens wegen der im Übrigen angeklagten Delikte - wegen Beitragsvorenthaltung in Tateinheit mit Betrug in 22 Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitstrafe von neun Monaten verurteilt. Im Berufungsrechtszug, in dem der Beklagte zuletzt von seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten vertreten worden ist und in dem er im Umfange erstinstanzlicher Verurteilung ein Geständnis abgelegt hatte, ist das Verfahren am 4. September 2007 vorläufig und am 28. Mai 2008 nach Zahlung einer Geldbuße (20.000,00 €) endgültig gemäß § 153a StPO eingestellt worden.
Auf der Grundlage der dem Beklagten unter dem 29. November 2004 erteilten Kostennote über 25.094,79 € und der im Prozess nachgereichten Stundenaufzeichnung hat der Kläger - unter Berücksichtigung einer Teilzahlung von 2.000 € - für näher nach Art, Datum und Dauer bezeichnete anwaltliche Tätigkeiten in der Zeit vom 07. Dezember 1999 bis 17. Dezember 2002 ein Zeithonorar in Höhe von noch 23.094,79 € (zzgl. Zinsen) gefordert.
Der Kläger hat mit seiner Klage neben dem hier noch streitigen Verteidigerhonorar (23.094,79 €) ferner gesetzliches Honorar für anderweitige anwaltliche und steuerberatende Tätigkeiten im Auftrag der F-GmbH in Höhe von 64.163,04 € (künftig: Gebührenforderung) geltend gemacht und beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 87.257,83 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Eintritt der Rechtshängigkeit (d. i. der 23. Februar 2005) zu zahlen.
Der Beklagte hat um
Klageabweisung gebeten.
Er hat die Nichtigkeit der Honorarvereinbarung und u. a. geltend gemacht, das Zeithonorar sei unangemessen hoch, in berechtigter Höhe sei der Kläger befriedigt.
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Der Senat hat auf dessen Berufung die Klage insgesamt abgewiesen (Urt. v. 29.08.2006 - juris; BeckRS 2009, 23336). Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat der Bundesgerichtshof hinsichtlich der Gebührenforderung (64.163,04 € nebst Zinsen) zurückgewiesen (Beschl. v. 16.12.2008 - IX ZR 174/06 -, juris; BeckRS 2009, 02196). Soweit der Senat die Klage auf Zahlung restlichen Verteidigerhonorars abgewiesen hatte (23.094,79 € nebst Zinsen), hat der Bundesgerichtshof die Revision des Klägers zugelassen, das Senatsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde und des Revisionsverfahrens an den Senat zurückverwiesen (Urt. v. 19.05.2009 - IX ZR 174/06 -, NJW 2009, 3301).
Der Senat hat im zweiten Berufungsverfahren nach Einholung einer vom Vorstand der Rechtsanwaltskammer X1. am 5. Oktober 2009 abgegebenen Stellungnahme zur Frage der Angemessenheit des Zeithonorars ein restliches Verteidigerhonorar in Höhe von 9.170,94 € nebst gesetzlicher Zinsen seit dem 4. Mai 2005 für berechtigt gehalten (Urt. v. 18.02.2010, BRAK-Mitt 2010, 90); in diesem Umfange hat er unter Zurückweisung der gegen das Verteidigerhonorar gerichteten weitergehenden Berufung des Beklagten das landgerichtliche Urteil aufrecht erhalten; im Übrigen hat er es abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen (13.923,85 € nebst Zinsen).
Auf die vom Senat insoweit zugelassene und vom Kläger eingelegte Revision hat der Bundesgerichtshof - unter Zurückweisung der Anschlussrevision des Beklagten -das Senatsurteil wiederum teilweise aufgehoben, nämlich insoweit, als die Klage auf Zahlung eines Verteidigerhonorars teilweise abgewiesen worden ist (13.923,85 € nebst Zinsen). Er hat den Rechtsstreit insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde und beider Revisionsverfahren an den Senat zurückverwiesen (Urt. v. 21.10.2010 - IX ZR 37/10 -, NJW 2011, 63).
Der Beklagte wiederholt sein bisheriges Vorbringen und behauptet, der Kläger habe den Zeitaufwand in betrügerischer Weise aufgebläht, weshalb ihm jedenfalls über das bereits rechtskräftig zuerkannte Verteidigerhonorar hinaus keine weitere Vergütung zustehe. Er beantragt jetzt,
das am 18. November 2005 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal - Einzelrichter - teilweise abzuändern und die auf ein Verteidigerhonorar von mehr als 9.170,94 € nebst gesetzlicher Zinsen gerichtete Klage abzuweisen.
Der Kläger, der ebenfalls sein bisheriges Vorbringen wiederholt, bittet um
Zurückweisung der Berufung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf den Akteninhalt Bezug genommen. Die Akten des Strafverfahrens (14 Ls 21 Js 1132/99 AG Wuppertal ohne die vier Beleg-Leitzordner) haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
B.
Das vom Beklagten eingelegte Rechtsmittel hat der Senat bereits teilweise beschieden, nämlich
- einerseits zugunsten des Beklagten durch das Urteil vom 29. August 2006 (I-24 U 183/05) hinsichtlich eines erstinstanzlich zuerkannten, aber vom Senat unter Teilabänderung des angefochtenen Urteils rechtskräftig abgewiesenen Teilbetrags von 64.163,04 € nebst Zinsen (Gebührenforderung) und
- andererseits zugunsten des Klägers durch das Urteil vom 18. Februar 2010 (I-24 U 183/05) hinsichtlich eines ebenfalls erstinstanzlich zugesprochenen und vom Senat bestätigten Teilbetrags von 9.170,94 € nebst Zinsen (erster Teil des Verteidigerhonorars), insoweit unter inzwischen rechtskräftig gewordener Teilzurückweisung des Rechtsmittels des Beklagten.
Auf die Berufung des Beklagten ist jetzt noch über den erstinstanzlich ferner zugesprochenen (zweiten) Teil des Verteidigerhonorars in Höhe von 13.923,85 € (23.094,79 € - 9.170,94 €) nebst Zinsen zu entscheiden. Insoweit hat das Rechtsmittel einen Teilerfolg in Höhe von 2.556,88 €; in diesem Umfange ist das angefochtene Urteil weiter zulasten des Klägers abzuändern und dessen Klage abzuweisen, so dass der Kläger insgesamt in Höhe von 66.719,92 € (64.163,04 € + 2.556,88 €) mit seiner Klage unterlegen ist. Im Übrigen, nämlich wegen eines weiteren Teilbetrags von 11.366,97 € (nebst Zinsen) ist die Berufung des Beklagten als unbegründet zurückzuweisen, so dass das angefochtene Urteil in diesem Umfange aufrecht erhalten bleibt. Der Beklagte ist mit seinem Rechtsmittel insgesamt in Höhe von 20.537,91 € (9.170,94 € + 11.366,97 €) unterlegen.
I.
Der berechtigte Teil des Verteidigerhonorars, um das es allein noch geht, berechnet sich wie folgt:
Tabelle (Verteidigerhonorar)
Zeile Position Berechnung Betrag/€
01 abgerechneter Zeitaufwand 92,75 Std x 230,08 €/Std 21.339,92
02 Abzug 7.12.1999 (Aktenstudium) 4,00 Std x 230,08 €/Std - 920,32
03 Abzug 10.12.2002 (1. Hauptverhandlungstag) 2,75 Std. x 230,08 €/Std - 632,72
04 Abzug 17.12.2002 (2. Hauptverhandlungstag) 2,83 Std. x 230,08 €/Std - 651,13
05 berechtigtes Zeithonorar 19.135,75
06 Aktenversandpauschale SAT 8,00
07 Auslagenpauschale, § 26 S. 2 BRAGO
20,00
08 Kopien, § 27 II BRAGO (322 Seiten°x°0,51°€/Seite) 164,60
09 Abwesenheitsgeld, § 28 III BRAGO (2 x 31,00 €) 62,00
10 Reisekosten § 28 II BRAGO (144 km x 0,27 €) 38,88
11 Zwischensumme 19.429,23
12 16% MwSt., § 25 II BRAGO
3.108,68
13 Zwischensumme 22.537,91
14 Vorschuss 2.204,17 - 2.000,00
15 Resthonorar 352,67 20.537,91
16 bereits zuerkannt 2.556,84 - 9.170,94
17 Restklageforderung 11.366,97
II.
Diese Berechnung des Verteidigerhonorars beruht auf den nachfolgenden Erwägungen:
1. Das zwischen den Parteien wirksam vereinbarte Stundenhonorar (450,00 DM = 230,08 €) und die auf dieser Grundlage abgerechnete Gesamtvergütung ist der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die Bestimmung des § 3 Abs. 3 BRAGO, der mit Blick auf den Zeitpunkt der Auftragserteilung vor dem 1. Juli 2004 gemäß § 61 RVG auf den Streitfall noch anzuwenden ist (jetzt § 3a Abs. 2 S. 1 RVG), bietet für eine Herabsetzung keine hinreichende Handhabe.
a) Nach dem zweiten, den Senat bindenden Revisionsurteil (BGH NJW 2011, 63) ist die Frage der Unangemessenheit des hier vereinbarten Honorars im Sinne des § 3 Abs. 3 BRAGO, der nur eine berufsspezifische gesetzliche Ausprägung des § 242 BGB darstellt, unter dem allgemeinen Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen Treu und Glauben im Rechtsverkehr zu beurteilen. Es ist also danach zu fragen, ob sich das Festhalten des Rechtsanwalts an der getroffenen Vereinbarung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, die regelmäßig vollständig erst bei Mandatsende vorliegen und beurteilt werden können (vgl. BGH a. a. O.; BGH NJW 2010, 1364; 2005, 2142 [juris Tz. 16], Senat OLGR 1996, 211, als ein unerträgliches Ergebnis und deshalb als unzumutbar darstellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es dem Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 3 Abs. 3 BRAGO in Einklang mit dem dem § 242 BGB innewohnenden Rechtsgedanken darum geht, Auswüchse zu beschneiden. Der Richter ist jedoch nach § 3 Abs. 3 BRAGO nicht befugt, die vertraglich ausbedungene Leistung durch die billige oder angemessene zu ersetzen. Folglich ist nicht darauf abzustellen, welches Honorar im gegebenen Fall als angemessen zu erachten ist, sondern darauf, ob die zwischen den Parteien getroffene Honorarvereinbarung nach Sachlage als unangemessen hoch einzustufen ist. Für eine Herabsetzung ist danach nur Raum, wenn es unter Berücksichtigung aller Umstände unerträglich und mit den Grundsätzen des § 242 BGB unvereinbar wäre, den Mandanten an seinem Honorarversprechen festzuhalten (BGH NJW 2010, 1364 [juris Tz. 87] m. w. Nachw.). Es muss demnach ein krasses, evidentes Missverhältnis zwischen der anwaltlichen Leistung und ihrer Vergütung gegeben sein (BGH a. a. O., NJW 2011, 63).
b) Unter Anlegung dieser sehr eng gefassten Kriterien gibt der Streitfall keinen hinreichenden Anlass zur Herabsetzung der Vergütung, obwohl die gesetzliche Vergütung um mehr als das 16-fache überschritten wird.
aa) Zwar gibt eine Überschreitung des vereinbarten Honorars um mehr als das Fünffache des gesetzlichen Honorars auch nach der jüngsten höchstrichterlichen Rechtsprechung unverändert Anlass, nach der Angemessenheit der Vergütung zu fragen (BGH NJW 2011, 63, 66 [juris Tz. 33]; NJW 2010, 1364, 1368 [juris Tz. 48]). Die daraus abzuleitende Vermutung einer der Höhe nach unangemessenen Vergütung kann aber nicht nur in Fällen ganz ungewöhnlicher, geradezu extremer einzelfallbezogener Umstände widerlegt werden (so noch BGH NJW 2005, 2142, 2144). Vielmehr kann auch in nicht durch derartige tatsächliche Verhältnisse geprägten Gestaltungen das Vertrauen in die Integrität der Anwaltschaft im Blick auf die Vergütungshöhe dann nicht beeinträchtigt sein, wenn dem Anwalt der Nachweis gelingt, dass die vereinbarte Vergütung im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände gleichwohl angemessen ist (BGH NJW 2010, 1364, 1368; 2011, 63, 66). In diesem Zusammenhang kann der vom Rechtsanwalt substantiiert dargelegte und vom Mandanten nicht widerlegte konkrete Zeitaufwand bereits einen hinreichenden Anhaltspunkt für die Angemessenheit der abgerechneten Vergütung bieten.
bb) Der Kläger hat seine für den Beklagten entfalteten Tätigkeiten in den vorgelegten Aufzeichnungen (mit noch aufzuzeigenden Ausnahmen) konkret dargelegt. Die dazu antragsgemäß erstinstanzlich vernommene Zeugin Ullmann hat den aufgezeichneten Zeitaufwand weitgehend bestätigt. Obwohl der Kläger den Anklagevorwurf und seine Begründung aus dem Vorprozess kannte, war der Sachverhalt insbesondere dadurch komplex, dass der dem Beklagten zur Lasten gelegte Schaden entstanden war durch jahrelange nicht abgeführte Beitragsteile einer Vielzahl von Arbeitnehmern. Die Staatsanwaltschaft wollte diesen Sachverhalt durch deren Vernehmung als Zeugen aufklären, weil Urkunden über die Höhe der gezahlten Vergütungen nicht vorgefunden worden waren. Dementsprechend wurde erstinstanzlich ein immerhin dreihundertseitiges Sachverständigengutachten eingeholt, das auf der Grundlage sonstiger Aufzeichnungen und der geschätzten Arbeitnehmerzahl zum Umfang der nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge Stellung bezogen hat. Auch das von dem Sachverständigen liquidierte Honorar (52.344,70 DM) bietet ein Indiz für den Umfang, den dieses Wirtschaftsstrafverfahren im zweiten Durchgang angenommen hatte.
2. Der Kläger hat allerdings Zeitaufwand in Höhe von 9,58 Stunden (4,00 Std. + 2,75 Std. + 2,83 Std.) abgerechnet, der nach den getroffenen Feststellungen entweder überflüssig gewesen oder nicht angefallen ist. Das führt zu einem Honorarabzug von 2.556,84 € (9,58 Std. x 230,08 €/Std. = 2.204,17 € zzgl. 16% MwSt., vgl. Tab., Zeilen 02-04, 12).
a) Am 7. Dezember 1999, an dem Tag der Zustellung der neuen Anklageschrift (BA 639), will der Kläger für „Aktenstudium, 4 DIN A 4-Ordner, Besprechung mit Mandant, Studium der Anklageschrift, Antrag auf Nichteröffnung des Hauptverfahrens“ einen Zeitaufwand von insgesamt 8 Stunden betrieben haben. Das Studium der „4 DIN A 4-Ordner“ ist nach wie vor nicht plausibel dargelegt. Der Senat lässt offen, ob dem Kläger zu diesem Zeitpunkt die Aktenordner überhaupt vorgelegen haben. Zweifel bestehen daran deshalb, weil der Kläger im eingestellten Erstverfahren nur 389 Kopien abgerechnet hatte (vgl. die Rechnung v. 16.11.1999), also nur in etwa dem Umfange, den die Hauptakten bis zur Einstellung des Erstverfahrens am 10. November 1999 erreicht hatten. Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass einerseits die Belegordner nicht kopiert worden waren und andererseits mangels beantragter Akteneinsicht dem Kläger am 7. Dezember 1999 auch nicht im Original vorgelegen haben können. Einer weiteren Aufklärung bedarf dies aber deshalb nicht, weil das stundenlange Studium von Belegordnern bei (erneuter) Anklageerhebung am 7. Dezember 1999 jedenfalls völlig überflüssig war. Dem Kläger war der maßgebliche Prozessstoff, der zu dem dreiseitigen Antrag auf Nichteröffnung des Hauptverfahrens vom 13. Dezember 1999 geführt hatte, noch aus dem nur etwa einen Monat zuvor eingestellten Erstverfahren, auf das er sich wegen der am 9. November 1999 durchgeführten Hauptverhandlung intensiv vorbereitet hatte, komplett gegenwärtig, was von einem Rechtsanwalt, insbesondere einem auf Strafverteidigung spezialisierten Rechtsanwalt auch erwartet werden darf und muss. Die in Rede stehenden 4 Beleg-Aktenordner spielten in dem Zusammenhang, in dem der Kläger am 07./13. Dezember 1999 tätig geworden war, auch keine Rolle. Es mag sein, dass der Kläger die Aktenordner zu einem späteren Zeitpunkt, etwa zur Vorbereitung der neuen Hauptverhandlung am 10. und 17. Dezember 2002, eingesehen hatte. Dann war es ihm gestattet, den dann erforderlichen Zeitaufwand zu berechnen, nicht aber am 7. Dezember 1999.
b) Der Kläger hat ferner für die beiden Hauptverhandlungstage am 10. Dezember 2002 und am 17. Dezember 2002 einen Zeitaufwand von jeweils 7 Stunden abgerechnet. Der erste Hauptverhandlungstag war auf 9.00 Uhr anberaumt und die Hauptverhandlung dauerte bis 11.45 Uhr (Dauer: 2,75 Std.). Die Ladung für den zweiten Hauptverhandlungstag war für 11.00 Uhr erfolgt und die Hauptverhandlung endete um 13.40 Uhr (Dauer: 2,67 Std.). Für die pünktliche Anreise aus B. (Kanzleisitz des Klägers) zu dem etwa 36 Kilometer entfernten Gerichtsort W. setzt der Senat einen Zeitaufwand von 1 Stunde, für die Rückreise einen solchen von 30 Minuten an. Diesen Reise- und Wartezeitaufwand, den der Beklagte nach Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 Honorarvereinbarung vergüten muss, hat der Kläger im Senatstermin selbst als realistisch bezeichnet.
Für den 10. Dezember 2002 bleibt mithin ein ungeklärter Zeitaufwand von 2,75 Stunden und für den 17. Dezember 2002 ein solcher von 2,83 Stunden. Der dazu im zweiten Berufungsverfahren befragte Kläger vermochte zur Klärung nichts beizutragen. Er hat die Frage des Senats, ob nach Sitzungsende im Gerichtsgebäude oder z. B. in einem benachbarten Lokal die Hauptverhandlungsergebnisse ausführlich erörtert worden seien, nicht konkret bejaht, sondern mit Mutmaßungen beantwortet, während der Beklagte solche Gespräche unumwunden verneint hat. Mit Blick darauf, dass der Kläger ausweislich der Honorarabrechnung am 6., 8. und 16. Dezember 2002 für die Vorbereitung der Hauptverhandlungstage und die Besprechung mit dem Beklagten jeweils 4 Stunden (insgesamt 12 Stunden) Zeitaufwand abgerechnet hat, sind die Angaben des Beklagten auch glaubhaft. Der Kläger hat auch nicht die Gelegenheit ergriffen, dazu im dritten Durchgang des Berufungsverfahrens noch substantiierter vorzutragen.
c) Diese ungeklärten Zeiten geben dem Senat indes keinen Anlass, den gesamten aufgezeichneten Zeitaufwand in Frage zu stellen, wie das der Beklagte für richtig hält. Ob das veranlasst gewesen wäre, wenn dem Kläger Abrechnungsbetrug zum Nachteil des Beklagten hätte nachgewiesen werden können (vgl. BGH AnwBl. 2006, 214; MDR 2004, 1196; Senat OLGR Düsseldorf 2009, 299), kann offen bleiben. Ein solcher Sachverhalt ist hier nicht festgestellt worden und nicht festzustellen.
3. Das abgerechnete Honorar ist mit Blick auf die vereinbarte Zeittaktklausel nicht weiter zu kürzen. Der Senat hält zwar an seiner Rechtsauffassung fest, dass die Aufrundung von Zeittakten in dem Umfange und in der Weise, wie das die hier in Rede stehende Zeittaktklausel zulässt, zu deren Unwirksamkeit führt (vgl. Senat, Urt. v. 29. 06. 2006 - I-24 U 196/04 -, AGS 2006, 530 = NJW-RR 2007, 129, 130 sub B.II.3b, bb und Senatsurteil in dieser Sache v. 18.02.2010, BRAK-Mitt 2010, 90 = FamRZ 2010, 1184). Der gegenwärtige Sach- und Streitstand bietet jedoch keinen Anlass (mehr), sich mit dieser Frage erneut auseinander zu setzen. Der Bundesgerichtshof hat in seinem zweiten Revisionsurteil Feststellungen des Senats dazu vermisst, dass die vom Kläger abgerechneten Zeittakte auf einer Aufrundung beruhen. Der Senat hatte dazu nähere Feststellungen deshalb nicht für notwendig gehalten, weil mit Blick auf die vereinbarte Zeittaktklausel, die eine Aufrundung gestattet, eine von dieser vertraglich vereinbarten Gestattung abweichende Abrechnungspraxis fern gelegen hatte. Der Senat ist indes an die abweichende Beurteilung des Revisionsgerichts gebunden. Die Parteien haben dazu im dritten Durchgang des Berufungsverfahrens nicht mehr näher vorgetragen. Insbesondere behauptet der Beklagte nicht, die abgerechneten Zeittakte beruhten auf deren Aufrundung. Es kann demnach im Streitfall nicht ausgeschlossen werden, dass die Zeittakte abweichend von der vertraglich vereinbarten Gestattung nicht auf einer Aufrundung, sondern auf einer Abrundung beruhen. Eine solche Abrechnungspraxis indes würde den Beklagten nicht belasten, es würde ihn vielmehr begünstigen.
4. Zinsen kann der Kläger erst ab 4. Mai 2005 verlangen. Erst zu diesem Zeitpunkt ist das Honorar einforderbar geworden, als nämlich die Parteien (auch) über den zuvor vom Kläger eingereichten und von ihm unterzeichneten Schriftsatz vom 26. April 2005 verhandelt hatten, in dem erst der abgerechnete Zeitaufwand nach Tätigkeitsmerkmalen aufgeschlüsselt worden war. Diesbezüglich hat der Bundesgerichtshof die Rechtsprechung des Senats bestätigt (vgl. BGH NJW 2011, 63, 66 sub Nr. 4 [juris Tz. 28 f.]).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO (zum vorgenommenen Kostenabschlag betreffend die Nichtzulassungsbeschwerde vgl. BGH NJW 2004, 1048). Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Es besteht kein hinreichender Anlass für eine erneute Zulassung der Revision, § 543 Abs. 2 ZPO.
Berufungsstreitwert: 23.094,79 €.


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