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Leitsatz: Ein Kostenfestsetzungsantrag kann nur dann in eine sofortige Beschwerde gegen eine Kostengrundentscheidung umgedeutet werden, wenn aus ihm der Wille hervorgeht, die vorliegende Kostengrundentscheidung anzugreifen.
In der Strafsache gegen pp. wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person hier: Kostenfestsetzung
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle nach Anhörung der General-staatsanwaltschaft durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht am 14. Oktober 2010 beschlossen:
Der Senat ist nicht zu einer Entscheidung berufen.
G r ü n d e :
I.
Das Amtsgericht Celle verurteilte den Beschwerdeführer A. N. am 15.12.2009 we-gen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person zu einer Geldstra-fe von 80 Tagessätzen zu je 30 . Die hiergegen gerichtete Berufung der Staats-anwaltschaft verwarf die 9. kleine Strafkammer des Landgerichts Lüneburg mit Urteil vom 11.05.2010. Die Kosten des Berufungsverfahrens wurden der Landes-kasse auferlegt, ein Ausspruch über die notwendigen Auslagen des Angeklagten enthält das Urteil nicht. Im Anschluss an die Urteilsverkündung verzichteten die Verfahrensbeteiligten auf die Erteilung der Rechtsmittelbelehrungen.
Mit am 14.05.2010 eingegangenem Schriftsatz vom 11.05.2010 beantragte der Verteidiger des nunmehr rechtskräftig Verurteilten N. die Festsetzung der diesem im Berufungsrechtszug entstandenen notwendigen Auslagen gegen die Landes-kasse und führte hierzu aus: Die Berufung der Staatsanwaltschaft ist als unbe-gründet verworfen worden. Die Kosten der Berufungsinstanz wurden der Staats-kasse auferlegt. Auf der Basis der vorgenannten Entscheidung melde ich hiermit nachfolgende Kosten und Gebühren der Verteidigung zur Festsetzung gegen die Staatskasse und zur Auszahlung an den Unterzeichner an.
Mit Beschluss vom 16.08.2010 wies die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Celle den Kostenfestsetzungsantrag mit der Begründung zurück, es fehle an einer aus-drücklichen Auferlegung der notwendigen Auslagen des Angeklagten auf die Lan-deskasse. Gegen diesen am 18.08.2010 abgesandten Beschluss legte der Vertei-diger mit am 23.08.2010 bei dem Amtsgericht Celle eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde ein, mit der er die Auffassung vertrat, die Kostenentschei-dung des Berufungsurteiles umfasse auch die Auferlegung der notwendigen Aus-lagen des Angeklagten auf die Landeskasse. Die Rechtspflegerin des Amtsge-richts Celle half der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte die Akten dem Landgericht in Lüneburg zur Entscheidung vor. Mit Beschluss vom 30.08.2010 verwarf das Landgericht die sofortige Beschwerde und wies darauf hin, dass es der Angeklagte versäumt habe, eine Korrektur der Kostenentscheidung bezüglich seiner notwendigen Auslagen in dem Urteil der 9. kleinen Strafkammer des Land-gerichts Lüneburg herbeizuführen. Zuvor hatte sich der Verteidiger mit Schreiben vom 23.08.2010 an das Landgericht Lüneburg gewandt und um Überprüfung und gegebenenfalls Berichtigung der Kostenentscheidung des Urteils vom 11.05.2010 gebeten. Der Vorsitzende der 9. kleinen Strafkammer des Landgerichts Lüneburg wertete den am 14.05.2010 gestellten Kostenfestsetzungsantrag als sofortige Be-schwerde nach § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO und legte die Sache dem Senat zur Ent-scheidung über die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Ur-teils vom 11.05.2010 vor.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Kostenentscheidung des Urteils vom 11.05.2010 dahin zu ergänzen, dass die dem Angeklagten in der Berufungs-instanz erwachsenen notwendigen Auslagen der Landeskasse auferlegt werden und die sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Celle vom 16.08.2010, welcher in Fortfall gerate, für erledigt zu er-klären.
II.
Der Senat ist zu einer Entscheidung nicht berufen.
1. Eine sofortige Beschwerde gegen die unterbliebene Entscheidung über die dem Beschwerdeführer im Berufungsverfahren erwachsenen notwendigen Ausla-gen liegt nicht vor.
a) Nach § 464 Abs. 3 Satz 1 1. HS StPO ist gegen die Entscheidung über die Kosten und notwendigen Auslagen die sofortige Beschwerde als Rechtsmittel statthaft; dies gilt auch, soweit eine Entscheidung über die notwendigen Auslagen unterblieben ist. Das Rechtsmittel ist hier auch wegen der grundsätzlichen An-fechtbarkeit des Berufungsurteiles des Landgerichts Lüneburg nicht gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1 2. HS StPO ausgeschlossen.
b) Innerhalb der Beschwerdefrist aus §§ 464 Abs. 3 Satz 1, 311 StPO ist je-doch keine sofortige Beschwerde gegen die (unterbliebene) Entscheidung über die notwendigen Auslagen eingegangen.
Eine solche kann auch nicht in dem am 14.05.2010 eingegangenen Kostenfest-setzungsantrag des Verteidigers gesehen werden. Zwar ist es grundsätzlich mög-lich, einen innerhalb der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde eingegan-genen Kostenfestsetzungsantrag gemäß § 300 StPO in eine sofortige Beschwerde gegen die (unterbliebene) Auslagenentscheidung umzudeuten. Unter welchen Voraussetzungen dies erfolgt ist, ist jedoch umstritten.
aa) Nach einer Auffassung soll der Anwendungsbereich des § 300 StPO regel-mäßig eröffnet sein, ohne dass es hierfür besonderer weiterer Voraussetzungen bedürfte. Dies folge daraus, dass der Freigesprochene oder in der Berufungs-instanz Obsiegende mit seinem Kostenfestsetzungsantrag das Ziel verfolge, die ihm nach dem Kostenrecht zustehenden Auslagen zu erhalten. Da er sein Begeh-ren im Falle einer unrichtigen oder teilweise unterbliebenen Kostenentscheidung erfolgreich nur mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegen die Kosten oder Auslagenentscheidung erreichen könne, sei ein solcher Kostenfestsetzungsantrag regelmäßig nach § 300 StPO als sofortige Beschwerde auszulegen (vgl. OLG Düsseldorf, GA 1990, 267 f.; OLG Stuttgart StV 1993, 651 -juris; OLG Hamm, NStE Nr. 6 zu § 300 StPO).
bb) Die Gegenmeinung erachtet es zwar grundsätzlich ebenfalls als möglich, einen Kostenfestsetzungsantrag gemäß § 300 StPO in eine sofortige Beschwerde gegen eine unterlassene Auslagenentscheidung umzudeuten. Hierfür sei jedoch Voraussetzung, dass aus der Erklärung ein Anfechtungswille hervorgehe, also deutlich werde, dass der Erklärende sich mit einer ihn beschwerenden gerichtli-chen Entscheidung nicht abfinden wolle (vgl. KG Berlin, 1. Strafsenat, Beschluss vom 14.08.2007 1 Ws 107/07 ; KG Berlin, 5. Strafsenat, NStZ RR 2004, 190 f. juris; OLG Celle, 1. Strafsenat, Beschluss vom 11.06.2008 1 Ws 221/08 ; Frisch in SK StPO, § 300 Rdnr. 8; für die Anfechtbarkeit von Kostenentscheidun-gen in Zivilsachen ebenso OLG Rostock, 5. Zivilsenat, Beschluss vom 11.04.2008 5 W 63/08 juris). Dieser Anfechtungswille müsse sich aus dem Sinngehalt der Erklärung(en) selbst ergeben, soweit sie innerhalb der Anfechtungsfrist eingegan-gen sind (vgl. KG a. a. O.; Hanack in LR StPO, 25. Aufl., § 300 Rdnr. 5; Plöd in KMR StPO, § 300 Rdnr. 2; OLG Düsseldorf NStE Nr. 4 zu § 300 StPO). Für die Auslegung der Erklärung komme es auch auf die Person des Erklärenden an, ins-besondere könne ein von einem Verteidiger, dem bekannt ist, dass das Kosten-festsetzungsverfahren nicht zur Korrektur der Kostengrundentscheidung führen kann, gestellter Kostenfestsetzungsantrag nur dann als sofortige Beschwerde ausgelegt werden, wenn hiermit zugleich in irgendeiner Weise die Kostengrun-dentscheidung beanstandet werde (vgl. Kammergericht, 5. Strafsenat a. a. O.; OLG Celle, 1. Strafsenat a. a. O.).
cc) Der Senat folgt der letzteren Auffassung. Die regelmäßige Auslegung eines Kostenfestsetzungsantrages welcher hier zudem nur an den Kostenbeamten des erstinstanzlichen Gerichts gerichtet ist als Anfechtung der Kostengrundentschei-dung würde den Anwendungsbereich des § 300 StPO in unzulässiger Weise aus-weiten und die Rechtsanwendung in diesem Rahmen überspannen (so auch OLG Celle 1. Strafsenat a. a. O.). Es bedarf vielmehr eines aus dem Kostenfestset-zungsantrag hervorgehenden Willens, die vorliegende Kostengrundentscheidung nicht zu akzeptieren. Deutet in einer abgegebenen Erklärung jedoch kein Wort auf einen Anfechtungswillen hin, ist der Anwendungsbereich des § 300 StPO nicht eröffnet (in diesem Sinne auch OLG Düsseldorf, NStE Nr. 4 zu § 300 StPO).
b) An einem solchen aus dem Kostenfestsetzungsantrag hervorgehenden An-fechtungswillen fehlt es, weil der Verteidiger ausdrücklich die Festsetzung von Kosten und Auslagen auf der Basis der ergangenen Kostenentscheidung begehrt hat. Eine Umdeutung des Kostenfestsetzungsantrages in eine sofortige Be-schwerde gegen die Kostengrundentscheidung ist somit nicht möglich.
Da hiernach eine sofortige Beschwerde gegen die Kostengrundentscheidung i. S. von § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO nicht vorliegt, ist der Senat zu einer Entscheidung über ein solches Rechtsmittel nicht berufen.
2. Schließlich handelt es sich auch nicht um einen Fall der Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen die Kos-tengrundentscheidung. Dies käme in Betracht, wenn das Gericht die Belehrung über das Rechtsmittel gegen die Kostengrundentscheidung verabsäumt hätte. Hier haben jedoch alle Verfahrensbeteiligten nach der Verkündung des Urteils auf die Erteilung der Rechtsmittelbelehrungen verzichtet.
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