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Leitsatz: 1. Ein Überbrückungsgeld ist nicht zu bilden, wenn der Strafgefangene eine Rente bezieht, die ihn in die Lage versetzt, den Lebensunterhalt für die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung sicher zu stellen (Fortführung der Senatsrechtsprechung, vgl. OLG Celle, Nds. RPfl. 2008, 111).
2. Hiervon kann nicht mehr die Rede sein, wenn der Strafgefangene nur eine Kleinstrente bezieht und deshalb die Befürchtung besteht, dass er nach seiner Haftentlassung zusätzlich zum notwendigen Lebensunterhalt soziale Leistungen beziehen muss. Mit Hilfe der Rente bereits angespartes Vermögen hat wegen dessen fehlender Unpfändbarkeit bei der Beurteilung regelmäßig außen Vor zu bleiben.
Oberlandesgericht Celle 1 Ws 179/11 (StrVollz) Beschluss In der Strafvollzugssache des pp. wegen Festsetzung des Überbrückungsgeldes hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 3. kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg mit Sitz in Celle vom 31. März 2011 nach Beteiligung des Zentralen juristischen Dienstes für den niedersächsischen Justizvollzug durch die Richter am Oberlandesgericht xxxxxxxxxxxxxx, xxxxxxxxxxxxxxx und xxxxxxxxxx am 27. Mai 2011 beschlossen:
Der angefochtene Beschluss und die Entscheidung der Antragsgegnerin vom 16. November 2010 werden aufgehoben.
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, das Überbrückungsgeld für den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu festzusetzen.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Antragstellers trägt die Landeskasse.
Der Antragsteller verbüßt derzeit eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes und Vergewaltigung aus dem Urteil des Landgerichts Stade vom 27. April 1992. Er ist Rentner und daher zur Arbeit in der Justizvollzugsanstalt nicht verpflichtet. Er bezieht eine monatliche Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 361,81 , die er sich auf ein externes Postscheckkonto auszahlen lässt. Hierauf hat er einen Betrag von 3.000,- angespart. Unter dem 16. November 2010 hat die Antragsgegnerin die Höhe des Überbrückungsgeldes auf 0,- festgesetzt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass von einer Entlassung des Antragstellers zur Bewährung aufgrund seines Alters und seiner Erkrankung derzeit nicht auszugehen sei. Zudem seien seine Rentenbezüge in Höhe von über 3.000,- zu berücksichtigen gewesen. Gegen diesen Bescheid richtete sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, den die Kammer mit dem angefochtenen Beschluss als unbegründet verworfen hat. Die Berücksichtigung des bestehenden Guthabens und der weiterhin laufenden Rentenbezüge sowie der Entlassungsprognose rechtfertige die Festsetzung des Überbrückungsgeldes auf 0,- . Der Antragsteller sei verpflichtet, sein Vermögen sinnvoll zu verwalten und dafür zu sorgen, dass ihm dieses im Fall der Entlassung noch zur Verfügung stehe.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 116 StVollzG zulässig, weil es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen. Es gilt, die Rechtsprechung des Senats zu der Frage, ob und in welchem Umfang bei Strafgefangenen, die eine Rente beziehen, ein Überbrückungsgeld festzusetzen ist (vgl. OLG Celle, Nds. RPfl. 2008, 111), zu konkretisieren.
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die zulässig erhobene Sachrüge deckt einen durchgreifenden Rechtsmangel im angefochtenen Beschluss auf, der zu dessen Aufhebung und Zurückverweisung an die Antragsgegnerin führt. Denn deren Begründung im Bescheid vom 16. November 2010 genügt nicht, das Überbrückungsgeld auf 0,- festzusetzen.
a. Mit dem Überbrückungsgeld sollen die für eine soziale Reintegration eines Gefangenen erforderlichen wirtschaftlichen Mittel sichergestellt und damit gewährleistet werden, dass der Gefangene unmittelbar nach der Strafentlassung nicht in wirtschaftliche Not gerät. Die Regelung des § 47 NJVollzG ist damit eine Schutzvorschrift für den Gefangenen, die zugleich den öffentlichen Haushalt von der Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen entlastet (vgl. Laubenthal in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG 5. Aufl., § 51 StVollzG Rn. 1). Dies hat zugleich zur Folge, dass ein Überbrückungsgeld nicht zu bilden ist, wenn der Strafgefangene eine Rente bezieht, die ihn in die Lage versetzt, den Lebensunterhalt für die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung sicher zu stellen (vgl. OLG Celle a.a.O.). In diesem Fall verfügt der Strafgefangene nämlich über eine ebenso wenig wie das Überbrückungsgeld (§ 50 Abs. 2 NJVollzG) pfändbare Forderung (§ 54 SGB-I i.V.m. §§ 850a ff ZPO). Zwar liegen die Pfändungsfreigrenzen bei laufenden Einkünften regelmäßig unterhalb der Höhe des von den Justizvollzugsanstalten festzusetzenden Überbrückungsgeldbetrags (vgl. Ziff. 1 II VV zu § 51 StVollzG), so dass einem Rente beziehenden Strafgefangenen bei Zugriff von Gläubigern auf den pfändbaren Teil der Rente ein geringerer Betrag nach seiner Entlassung aus dem Strafvollzug zur Verfügung stehen kann. Diese Schlechterstellung wird aber durch den Umstand ausgeglichen, dass dem Rente beziehenden Strafgefangenen sichere weitere monatliche Einkünfte in Aussicht stehen, während andere Gefangene in der besonders schwierigen Phase unmittelbar nach der Strafentlassung regelmäßig über keine gesicherte Aussicht auf eine Einnahmequelle nach Ablauf der ersten vier Wochen in Freiheit verfügen.
b. Von einem solchen Ausgleich kann indessen nicht mehr die Rede sein, wenn der Strafgefangene nur eine Kleinstrente bezieht und deshalb die Befürchtung besteht, dass er nach seiner Haftentlassung zusätzlich zum notwendigen Lebensunterhalt soziale Leistungen beziehen muss. Dieser Umstand ist weder von der Kammer noch von der Antragsgegnerin in genügendem Maße berücksichtigt worden. Er wird auch nicht durch die weiteren Erwägungen der angefochtenen Entscheidungen kompensiert:
aa. § 47 NJVollzG beinhaltet zum Einen keine Ausnahme von der Verpflichtung zur Festsetzung des Überbrückungsgeldes aus Alters- oder Gesundheitsgründen. Es steht der Antragsgegnerin insoweit auch nicht zu, eine Entlassungsprognose zu stellen und die fehlende Aussicht auf Entlassung des Strafgefangenen als Begründung dafür heran zu ziehen, dass ein Überbrückungsgeld nicht erforderlich ist. Zu den Voraussetzungen eines menschenwürdigen Strafvollzugs gehört, dass dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten grundsätzlich eine Chance verbleibt, je wieder der Freiheit teilhaftig zu werden (vgl. BVerfGE 45, 187). Ob der zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilte Antragsteller, der mittlerweile mehr als 20 Jahre verbüßt hat, in die Freiheit zurückkehren wird, vermag die Antragsgegnerin mangels Kenntnis von möglicherweise sich noch nicht einmal abzeichnenden Entwicklungen nicht mit der erforderlichen Gewissheit zu sagen. Jedenfalls sind entsprechende Umstände nicht frei von Rechtsfehlern festgestellt worden.
bb. Soweit der angefochtene Beschluss die Notwendigkeit der Festsetzung eines Überbrückungsgeldes mit dem Hinweis auf bestehendes Vermögen des Antragstellers verneint, greift diese Überlegung zu kurz. Der sich auf dem externen Konto des Antragstellers befindende Betrag in Höhe von 3.000,- kann nur dann die Festsetzung eines geringeren Überbrückungsgeldes rechtfertigen, wenn er den notwendigen Unterhalt des Antragstellers nach seiner Entlassung sichert (vgl. Callies/Müller-Dietz, 11. Aufl., § 51 StVollzG Rn. 5). Insoweit handelt es sich aber um einen Vermögenswert, der bei Entlassung des Antragstellers aus dem Vollzug - anders als ein anzusparendes Überbrückungsgeld - nicht notwendigerweise noch vorhanden sein muss. Weder ist der Antragsteller gehindert, über den Betrag schon vor seiner Entlassung zu verfügen, noch ist der Betrag den Zugriffsmöglichkeiten potentieller Gläubiger des Antragstellers entzogen. Zwar erfasst der Pfändungsschutz des § 54 SGB-I die monatlich dem Antragsteller zustehenden Rentenansprüche. Die in Erfüllung dieser Ansprüche erfolgenden Zahlungen der Rentenversicherung auf das Konto des Antragstellers sind jedoch gemäß § 55 Abs. 1 SGB-I nur für die Dauer von vierzehn Tagen der Pfändung entzogen. Nach dem Ablauf dieser Frist gilt der Pfändungsschutz nach § 55 Abs. 4 SGB-I nur für den Betrag, der dem unpfändbaren Teil der Leistungen für die Zeit von der Pfändung bis zum nächsten Zahlungstermin entspricht. Der auf dem Konto noch vorhandene Gutschriftbetrag wird nur noch zeitanteilig in dem Umfang geschützt, in dem er bei Pfändung des Anspruchs gegen den Träger der Sozialleistung unpfändbar wäre (vgl. BGHZ 170, 236). Vorhandene externe Vermögenswerte eines Strafgefangenen stellen damit aber keine Sicherheiten dar, die dem Überbrückungsgeld in seiner Wirksamkeit, den notwendigen Lebensunterhalt für die ersten vier Wochen nach Haftentlassung sicherzustellen, gleichzusetzen wären. Die Beschränkung in den Zugriffsmöglichkeiten ist anders als beim Überbrückungsgeld sei es durch den Antragsteller selbst, sei es durch Dritte (§§ 47 Abs. 2 und Abs. 3, 50 Abs. 2 NJVollzG) - nicht gewährleistet.
cc. Letztlich vermag auch der Hinweis der Kammer auf die Möglichkeit einer Entlassungsbeihilfe nach § 70 NJVollzG die Festsetzung des Überbrückungsgeldes auf 0,- nicht rechtfertigen. Denn Sinn des Überbrückungsgeldes ist es gerade, die Gewährung einer Entlassungsbeihilfe zu vermeiden (vgl. Laubenthal a.a.O.). Sie kann im Übrigen verweigert werden, wenn der Strafgefangene sich weigert, bestehende geldwerte Mittel rechtzeitig vor seiner Entlassung zur Überbrückung einzusetzen (vgl. Best in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, a.a.O., § 75 StVollzG, Rn. 1).
3. Der Senat war wegen bestehender Spruchreife der Sache in der Lage, anstelle der Kammer zu entscheiden und hat deswegen von einer Zurückverweisung abgesehen (§ 119 Abs. 4 StVollzG). Die Antragsgegnerin wird unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats das Überbrückungsgeld für den Antragsteller neu festzusetzen haben. Dieses dürfte sich dabei aufgrund der bestehenden Aussicht auf monatliche Rentenzahlungen deutlich unterhalb des regelmäßig festzusetzenden Betrages bewegen.
4. Nur ergänzend im Hinblick auf die Vermutung des Antragstellers, dass die Antragsgegnerin das Überbrückungsgeld auf 0,- festgesetzt habe, um auf diese Weise den ihr zustehenden Haftkostenbeitrag (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 20. Januar 2011, 1 Ws 668/10 (StrVollz)) einbehalten zu können, verweist der Senat auf die Regelung des § 50 Abs. 1 SGB-I. Danach kann die Antragsgegnerin, der die Kosten der Unterbringung des Antragstellers zur Last fallen, ihre zukünftigen Ansprüche dadurch realisieren, dass sie durch schriftliche Anzeige an die Deutsche Rentenversicherung B.-H. die Ansprüche des Antragstellers auf monatliche Rentenzahlung in Höhe des monatlichen Haftkostenbeitrags auf sich überleitet. Auf einen Pfändungsschutz kann der Antragsteller sich insoweit außerhalb der in § 50 Abs. 2 und 3 SGB-I genannten Fälle nicht berufen.
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