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Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Koblenz, Beschl. v. 5 U 1001/10
Fundstellen:
Leitsatz: 1. Die Aufrechnung mit einer Vergütungsforderung des Rechtsanwalts ist erst zulässig, wenn dem Auftraggeber eine ordnungsgemäße Berechnung zugegangen ist. Dass der Rechtsanwalt seine Vergütung nur aufgrund einer von ihm unterzeichneten und dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung einfordern kann, gehört zum Basiswissen eines Anwalts. Darauf muss das Gericht vorterminlich nicht hinweisen. Sieht der Anwalt sich durch den gerichtlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung überrascht und reagiert er weder durch Flucht in die Säumnis noch durch einen Antrag nach § 139 Abs. 5 ZPO, erfordert die nachgereichte unterzeichnete Berechnung keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. 2. Stützt der Rechtsanwalt auch in zweiter Instanz seine Aufrechnung auf nunmehr formwirksame Honorarnoten, kann das nur unter den Voraussetzungen des § 533 ZPO berücksichtigt werden. 3. Eine Weisung des Mandanten, von einer Streitwertbeschwerde aus eigenem Recht des Anwalts abzusehen (§ 32 RVG), ist grundsätzlich unbeachtlich. 4. § 49 b Abs. 2 Satz 1 BRAO erfasst nicht die nachträgliche Vereinbarung, dass die Vergütungshöhe für eine vollständig abgeschlossene außergerichtliche Tätigkeit davon abhängig ist, in welchem Umfang ein schadensersatzpflichtiger Dritter die Kosten der außergerichtlichen Vertretung ersetzen muss.
In dem Rechtsstreit ... weist der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz die Beklagten darauf hin, dass beabsichtigt ist, ihre Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen ( § 522 Abs. 2 ZPO ).
Gründe Die Berufung ist ohne Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Was die Berufung dagegen vorbringt, ist nicht stichhaltig.
I.
Die beklagten Rechtsanwälte hatten die Klägerin in einer Erbbaurechtsangelegenheit gegen einen Herrn G. (künftig nur noch: Schuldner) vertreten. Die Hauptsache konnte außergerichtlich geregelt werden. Streit bestand nur noch darüber, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Schuldner die Anwaltskosten erstatten musste, die der Klägerin durch die Beauftragung der beklagten Rechtsanwälte entstanden waren.
Deswegen nahm die wiederum von den Beklagten anwaltlich vertretene Klägerin den Schuldner in dem Verfahren 4 O 80/06 Landgericht Trier auf Zahlung von 5.800 EUR nebst Zinsen in Anspruch. Daneben formulierten die Beklagten namens der Klägerin den Antrag, diese von Anwaltsgebühren der Beklagten von 49.085,17 EUR freizustellen. Letztlich stellten sie einen Feststellungsantrag hinsichtlich eines drohenden Zukunftsschadens.
Zahlungs- und Feststellungsantrag hatten umfassend Erfolg, der Freistellungsantrag nur zu einem Teilbetrag von 5.490,05 EUR, was zu einer Kostenquote der Klägerin von 75% führte. Dementsprechend hatte der Schuldner insgesamt Anwaltskosten von 11.290,05 EUR an die Klägerin zu zahlen.
Da die Klägerin an die Beklagten für die außergerichtliche Vertretung bereits ein höheres Anwaltshonorar von 18.268 EUR, gezahlt hat, verlangt sie mit der vorliegenden Klage die Erstattung der Differenz von 6.977,95 EUR nebst Zinsen.
Dafür stützt sie sich auf Ende November 2006 geführte Korrespondenz (E-Mail der Klägerin vom 21. November 2006 und Antwortschreiben der Beklagten vom 22. November 2006).
Dabei soll nach dem Klagevorbringen vereinbart worden sein, dass die Honorarforderung der Beklagten wegen der außergerichtlichen Vertretung auf den vom Schuldner letztlich zu zahlenden Betrag, mithin 11.290,05 EUR, beschränkt ist.
Die Beklagten widersprechen dieser Interpretation, erheben weitere Einwände und verteidigen sich letztendlich mit Aufrechnungsforderungen.
II.
Gestützt auf § 812 Abs. 1 Satz 1 erste Alternative BGB hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Die von der Klägerin behauptete Vereinbarung eines Anwalthonorars von lediglich 11.290,05 EUR stehe zur Überzeugung der Kammer fest. Daher seien die Beklagten verpflichtet, der Klägerin die Überzahlung zu erstatten.
Der Einwand der Beklagten, tatsächlich sei ihr Gebührenanspruch höher, weil das Landgericht Trier in dem Verfahren 4 O 80/06 einen erheblich zu niedrigen Streitwert angenommen habe, sei nicht stichhaltig. Denn die Beklagten hätten aus eigenem Recht gegen den vermeintlich zu niedrigen Streitwert Rechtsmittel einlegen können. Soweit die Beklagten das Urteil in der Sache 4 O 80/06 als fehlerhaft ansähen, sei es ihnen möglich gewesen, in Absprache mit der Klägerin in deren Namen, jedoch auf (Kosten-) Risiko der Beklagten Berufung einzulegen.
Mit ihrer Berufung wiederholen, vertiefen und ergänzen die Beklagten ihren erstinstanzlichen Sachvortrag. Den Aufrechnungseinwand stützen sie auch auf nunmehr unterzeichnete Honorarrechnungen, die sie beim Landgericht Trier nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereicht haben. Von den weiteren Aufrechnungsforderungen erster Instanz ist nur noch eine (Dresdener Bank) Gegenstand der Berufung. Die Klägerin verteidigt die Entscheidung des Landgerichts.
IV.
Das Rechtsmittel ist ohne Aussicht auf Erfolg. Das angefochtene Urteil hält den Berufungsangriffen stand. Im Einzelnen:
1.
Die Beklagten erstreben in erster Linie eine Aufhebung und Zurückverweisung. Das gründet in einem vom Landgericht in der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweis, dass etwaige gesetzliche Gebührenforderungen der Beklagten aus der Tätigkeit gegen den Schuldner bisher nicht wirksam abgerechnet seien. Dieser Hinweis veranlasste die Beklagten, nach Schluss der mündlichen Verhandlung die Honorarnoten vom 2. Juli 2010 zu erstellen und bei Gericht einzureichen. Damit verbunden war der Antrag, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Darin, dass das Landgericht diesem Antrag nicht gefolgt ist, sehen die Beklagten einen Verfahrensfehler.
Die Rüge ist unbegründet. Der Auffassung der Beklagten, der Hinweis der Kammer habe sie völlig überrascht und sie hätten daher erwarten dürfen, dass auf ihren ergänzenden Vortrag im nicht nachgelassenen Schriftsatz eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung erfolge, kann nicht gefolgt werden. Dass der Rechtsanwalt seine Vergütung nur aufgrund einer von ihm unterzeichneten und dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung einfordern kann (§ 10 Abs. 1 Satz 1 RVG) gehört zum Basiswissen eines Anwalts. Der Senat tendiert dazu, dass das Landgericht auf diese Selbstverständlichkeit nicht hinweisen musste. Der von der Berufung verlangte vorterminliche Hinweis hätte von der Klägerin als eine außerhalb der gerichtlichen Fürsorgepflicht liegende einseitige Hilfestellung zu Gunsten der Beklagten interpretiert werden können (§ 42 Abs. 1 zweite Alternative ZPO).
Damit ist allerdings nicht in Frage gestellt, dass der in der mündlichen Verhandlung erteilte Hinweis die Beklagten überrascht haben mag. Darauf hätten sie durch Flucht in die Säumnis oder durch einen Antrag auf Schriftsatznachlass (§ 139 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 ZPO) reagieren müssen. Dass ein Antrag nach § 139 Abs. 5 ZPO gestellt wurde, ist der Sitzungsniederschrift des Landgerichts nicht zu entnehmen und wird von der Berufung auch nicht behauptet.
Mithin durfte das Landgericht das gesamte Vorbringen im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 14. Juli 2010 unberücksichtigt lassen. Den darin enthaltenen Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung hat das Landgericht rechtsfehlerfrei abgelehnt. Nach alledem liegt der von der Berufung behauptete Verfahrensmangel nicht vor. Eine Entscheidung nach § 538 Abs. 2 ZPO ist daher ausgeschlossen.
2.
Daraus folgt zugleich, dass die Aufrechnung, die sich auf die beiden Honorarnoten vom 2. Juli 2010 stützt, Forderungen betrifft, die erstmals zwischen den Instanzen durchsetzbar geworden ist. Mit Derartigem kann eine Berufung nur Erfolg haben, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht die Aufrechnung für sachdienlich hält (§ 533 Nr. 1 ZPO). Beides ist nicht der Fall.
3.
Das Landgericht meint, die Parteien hätten am 23. November 2006 (Eingang der Antwort mail der Beklagten vom 22. November 2006 bei der Klägerin) vereinbart, dass der Vergütungsanspruch der Beklagten auf den Betrag beschränkt wird, der gegen den Schuldner durchgesetzt werden kann.
a.
Gegen die Wirksamkeit dieser Vereinbarung werden von der Berufung keine Bedenken unter dem Aspekt des seinerzeit allein maßgeblichen § 49 b Abs. 2 BRAO erhoben. Die Vorschrift ist hier auch nicht einschlägig. Abgesehen davon, dass § 3 a RVG im Jahr 2006 noch nicht galt, betrifft die hier maßgebliche Parteivereinbarung nicht die Honoraransprüche der Beklagten für die anwaltliche Vertretung in dem Verfahren 4 O 80/06. Vereinbarungsgegenstand ist vielmehr der Umfang des letztendlich vom Gericht zuerkannten Erstattungsanspruchs der Klägerin gegen den Schuldner für die bereits abgeschlossene außergerichtliche Tätigkeit der Beklagten. Nach Auffassung des Senats unterliegt eine derartige Vereinbarung nicht dem Schriftformerfordernis.
b.
Die Berufungsangriffe gegen die Auslegung und Würdigung der am 21. und 22. November 2006 per E - Mail ausgetauschten Willenserklärungen der Parteien hat der Senat geprüft. Sie überzeugen nicht. Der Senat folgt der Vertragsauslegung des Landgerichts. Darauf wird verwiesen.
Den Dissens, den die Berufung aus dem von der Klägerin benutzten Begriff "Zahlung" und dem von den Beklagten gebrauchten Wort "geschuldet" herleitet, gibt es nicht. Die Interpretation durch die Beklagten geht daran vorbei, dass § 133 BGB verlangt, bei der
Auslegung von Willenserklärungen den wirklichen Willen zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Letzteres wäre aber der Fall, wenn man die von den Beklagten erstrebte Deutung als maßgeblich ansähe.
Falls die Beklagten ihre Erklärung damals tatsächlich derart, wie nunmehr behauptet, verstanden hätten, wäre das unerheblich, weil der objektivierte Empfängerhorizont der Klägerin maßgeblich ist. Die Rechtsfolgen einer von Irrtum beeinflussten Erklärung der Beklagten hätten nur durch Anfechtung beseitigt werden können, die indes nicht erklärt ist und nach derart langer Zeit auch nicht mehr nachgeholt werden kann (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB).
4.
Der Einwand der Beklagten, tatsächlich habe der Klägerin gegen den Schuldner ein viel höherer Erstattungsanspruch zugestanden, dessen Durchsetzung jedoch daran gescheitert sei, dass die Klägerin einerseits eine Berufung abgelehnt und andererseits die Beklagten veranlasst habe, die bereits eingelegte Beschwerde gegen die zu geringe Streitwertbemessung zurückzunehmen, verfängt nicht.
a.
Wegen der wirksamen Vereinbarung der Parteien zum Umfang des Vergütungsanspruchs, hätte die Durchführung einer Berufung nur dann zu einer finanziellen Besserstellung der Klägerin geführt, wenn der den Beklagten zugebilligte Höchstbetrag von 25.480,42 EUR überschritten worden wäre. Das lag angesichts der greifbar überhöhten Streitwertvorstellungen der Beklagten fern.
Bis zum Erreichen dieser Schwelle hatten ausschließlich die beklagten Rechtsanwälte ein wirtschaftliches Interesse an der Durchführung einer Berufung. Dass sie in dieser außergewöhnlichen Verfahrenssituation die Klägerin aufforderten, die Beklagten zur Durchführung einer Berufung im Namen der Klägerin, jedoch auf ausschließliches Kostenrisiko der Beklagten zu ermächtigen, ist nicht zu ersehen, jedenfalls aber nicht bewiesen. Ebenso fehlt ein Nachweis, dass die Klägerin ein derartiges Ansinnen abgelehnt hätte.
b.
Die behauptete Anweisung der Klägerin, die in ihrem Namen eingelegte Streitwertbeschwerde zurückzunehmen, hinderte die Beklagten nicht, das Rechtsmittel in eigenem Namen weiter zu betreiben (§ 32 Abs. 2 Satz 1 RVG). Kostennachteile waren nicht zu befürchten (§ 68 Abs. 3 GKG).
Die Auffassung der Beklagten, der Mandant könne den Rechtsanwalt bindend anweisen, von einem derartigen Rechtsmittel aus eigenen Recht des Anwalts abzusehen, ist unzutreffend.
5.
Der Honorarnote vom 4. Dezember 2009 für die außergerichtliche Tätigkeit der Beklagten gegenüber der Dresdener Bank ist die Klägerin schon in erster Instanz mit der Verjährungseinrede und dem Einwand entgegen getreten, die Angelegenheit sei bereits im Mai 2004 endgültig erledigt gewesen.
Die Beklagten haben dem durch die rechtlich unerhebliche Behauptung widersprochen, das Mandat habe sich "auf die laufende Besicherung des Erbbauzinses" bezogen. Damit ist eine weitere anwaltliche Tätigkeit nach Mai 2004 nicht dargetan.
Da die Beklagten nach der BRAGO abgerechnet haben, geht auch der Senat davon aus, dass deren Bestimmungen maßgeblich sind.
Die Verjährungsfrist in der Angelegenheit "Dresdener Bank" begann mit der Fälligkeit des Anwaltshonorars. Nach § 16 BRAGO konnte sich der Eintritt der Fälligkeit nach verschiedenen Tatsachen richten (Erledigung des Auftrags, Beendigung der Angelegenheit). Dabei war es für den Eintritt der - die Verjährungsfrist in Gang setzenden - Fälligkeit erforderlich, aber auch ausreichend, dass der erste Fälligkeitstatbestand erfüllt war (vgl. BGH in AnwBl. 1985, 257 und LM BGB § 198 Nr. 10).
Erledigt war der Auftrag im Mai 2004. Die dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) lief Ende 2007 ab (§ 199 BGB). In unverjährter Zeit haben die Beklagten den Anspruch gegenüber der Klägerin nicht abgerechnet. Er wurde erstmals mit der Honorarnote vom 4. Dezember 2009 gegenüber der Mandantin geltend gemacht.
Über die zu diesem Zeitpunkt bereits nahezu zwei Jahre vollendete Verjährung hilft auch § 215 BGB nicht hinweg. Erstmals mit der Übersendung der Kostenrechnung vom 4. Dezember 2009 wurde ein etwaiger Honoraranspruch durchsetzbar. Die Aufrechnung mit einer Vergütungsforderung ist nämlich erst zulässig, wenn dem Auftraggeber eine ordnungsgemäße Berechnung nach § 18 BRAGO zugegangen ist (vgl. BGH in AnwBl. 1985, 257, 258) Vorher besteht nur eine erfüllbare Gebührenforderung, die für den Rechtsanwalt noch keine Aufrechnungslage ergibt. Da die Forderung demnach bereits verjährt war, als erstmals aufgerechnet werden konnte (Zugang der Kostennote vom 4. Dezember 2009), steht die Verjährungseinrede einem Erfolg der Berufung entgegen.
V.
Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Ebenso wenig erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts.
Die Berufung sollte kostensparend zurückgenommen werden.
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