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Entscheidungen

OWi

Fahrverbot, Beharrlichkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Bamberg, Beschl. v. 30.03.2011 - 3 Ss OWi 384/2011

Fundstellen:

Leitsatz: Zur vereinten Verhängung eines Fahrverbotes wegen beharrlicher Pflichtverletzung trotz fünf Voreintragungen, wenn aber der "Richtwert“ von 26 km/h in keinem Fall erreicht oder überschritten wurde, obgleich seit Rechtskrafteintritt der letzten Vorahndung im nunmehrigen Tatzeitpunkt gerade mal 6 Monate vergangen waren.


3 Ss OWi 384/2011
Oberlandesgericht Bamberg
BESCHLUSS
Der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Bamberg erlässt durch den Richter am Oberlandesgericht
in dem Bußgeldverfahren
gegen pp.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
am 30. März 2011
folgenden
Beschluss:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Erlangen vom 22. November 2010 dahin abgeändert, dass die Anordnung des Fahrverbots entfällt.
II. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen dem Betroffenen zur Last; jedoch wird die Gebühr um die Hälfte ermäßigt. Die dem Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen werden zur Hälfte der Staatskasse auferlegt; im übrigen hat der Betroffene seine Auslagen selbst zu tragen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer als Führer eines Pkw am 06.06.2010 auf einer Autobahn fahrlässig begangenen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 21 km/h zu einer Geldbuße von 140 Euro verurteilt sowie gegen ihn ein mit der Anordnung nach § 25 Abs. 2 a StVG verbundenes Fahrverbot für die Dauer eines Monats verhängt.

Mit seiner unbeschränkten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts, wobei er ausweislich der Rechtsmittelbegründung in erster Linie den Wegfall des Fahrverbots erstrebt. Die Gegenerklärung des Verteidigers des Betroffenen vom 24.03.2011 zur Antragsschrift der Staatsanwaltschaft bei dem Rechtsbeschwerdegericht lag dem Senat vor.

II.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde hat einen Teilerfolg insoweit, als die Anordnung des Fahrverbots keinen Bestand hat. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerde deckt im Übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf, weshalb das Rechtsmittel insoweit entsprechend dem Antrag der Staatsanwaltschaft bei dem Rechtsbeschwerdegericht vom 16.03.2011 gemäß § 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG als unbegründet zu verwerfen war.

1. Das Rechtsmittel führt zum Wegfall des angeordneten Fahrverbots, weil das Amtsgericht zum Nachteil des Betroffenen im Ergebnis zu Unrecht einen wertungsmäßig dem Regelfall eines beharrlichen Pflichtenverstoßes im Sinne der §§ 24, 25 Abs. 1 Satz 1 2. Alt., 26 a StVG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV gleichzusetzenden beharrlichen Pflichtenverstoß im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG angenommen hat.

a) Von Beharrlichkeit im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG ist auszugehen bei Verkehrsverstößen, die zwar objektiv (noch) nicht zu den groben Zuwiderhandlungen zählen (Erfolgsunwert), die aber durch ihre zeit- und sachnahe wiederholte Begehung erkennen lassen, dass es dem Täter subjektiv an der für die Straßenverkehrsteilnahme notwendigen rechtstreuen Gesinnung und Einsicht in zuvor begangenes Unrecht fehlt, so dass er Verkehrsvorschriften unter Missachtung einer oder mehrerer Vorwarnungen wiederholt verletzt (Handlungsunwert). Selbst eine Häufung nur leicht fahrlässiger Verstöße kann unter diesen Umständen mangelnde Rechts- treue offenbaren (BGHSt 38, 231/234 f; BayObLGSt 2003, 132/133; st.Rspr. des Senats).

b) Die Anordnung eines Fahrverbots wegen eines - hier allein in Betracht kommenden und vom Amtsgericht zu Recht seiner Prüfung zugrunde gelegten - beharrlichen Pflichtenverstoßes außerhalb eines Regelfalls ist wegen der Vorahndungslage des Betroffenen insbesondere angezeigt, wenn die (neuerliche) Geschwindigkeitsüberschreitung zwar die Voraussetzungen des Regelfalls nicht erfüllt, der Verkehrs- verstoß jedoch wertungsmäßig dem Regelfall eines beharrlichen Pflichtenverstoßes im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV gleichzusetzen ist. Eine derartige Gleichsetzung kann - wovon das Amtsgericht ebenfalls zutreffend ausgeht - im Einzelfall aufgrund der Rückfallgeschwindigkeit, der Häufigkeit früherer Verstöße auch bei einer Unterschreitung des ‚Grenzwertes' von 26 km/h der verfahrensgegenständlichen bzw. der früheren Geschwindigkeitsverstöße oder auch wegen früherer erhöhter Bußgeldahndungen oder eines früheren Fahrverbots geboten sein (OLG Bamberg NJW 2007 3655 f. = NZV 2008, 48 f. = ZfS 2007, 707 f. = VRR 2008, 36 f.; OLG Bamberg VRR 2007, 318 f. m. Anm. Deutscher = OLGSt StVG § 25 Nr. 36 sowie zuletzt OLG Bamberg DAR 2010, 98 f. = OLGSt StVG § 25 Nr. 47 = VRR 2010, 110 f., jeweils m. zahlr. weit. Nachw.).

c) Dem Zeitmoment kommt, wie sich § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV entnehmen lässt, Bedeutung für das Vorliegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes insoweit zu, als der Zeitablauf zwischen den jeweiligen Tatzeiten (Rückfallgeschwindigkeit) und des jeweiligen Eintritts der Rechtskraft zu berücksichtigen ist. Daneben sind insbesondere Anzahl, Tatschwere und Rechtsfolgen früherer und noch verwertbarer Verkehrsverstöße im Einzelfall zu gewichten.

2. Nach diesen Maßstäben kann - wie insoweit die Rechtsbeschwerde im Ergebnis zutreffend annimmt anhand der seitens des Amtsgerichts seiner Rechtsfolgenbemessung zugrunde gelegten Vorahndungen des Betroffenen (noch) nicht von einem wertungsmäßig dem Regelfall eines beharrlichen Pflichtenverstoßes im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV gleichzusetzenden Pflichtenverstoß ausgegangen werden, der die Verhängung eines Fahrverbots rechtfertigen könnte:

Gegen den Betroffenen wurde zuletzt wegen einer am 08.10.2009 begangenen Ge-schwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften um 24 km/h eine Geldbuße von 120 Euro verhängt; Rechtskraft trat am 12.12.2009 ein. Wegen drei weiterer am 14.11.2006 bzw. bereits am 21.03.2006 und am 10.12.2007 begangener Geschwindigkeitsüberschreitungen um 23 km/h, 21 km/h und 24 km/h, rechtskräftig seit dem 03.01.2009 bzw. seit dem 24.06.2006 und dem 01.03.2008, wurden gegen den Betroffenen zuvor jeweils Geldbußen über 70 Euro. 40 Euro und 60 Euro festgesetzt.

Zwar ergibt sich hieraus, dass der Betroffene in einem Zeitraum gut 4 Jahren mittlerweile in 5 Fällen jeweils wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen innerhalb und außerhalb geschlossener Ortschaften in Erscheinung getreten ist, wobei seit Rechtskrafteintritt der letzten Vorahndung im nunmehrigen Tatzeitpunkt gerade einmal 6 Monate vergangen waren. Andererseits wurde der ‚Richtwert' von 26 km (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV) bislang noch in keinem Fall erreicht oder überschritten. Hinzu kommt, dass den 3 früheren Bußgeldahndungen Tatzeiten zugrunde liegen, die im Zeitpunkt der hier verfahrensgegenständlichen Tat vom 06.06.2010 schon deutlich mehr als 4 Jahre, mehr als 3 'A Jahre bzw. fast 2 1/2 Jahre zurück lagen, auch wenn wegen der Tat vom 14.11.2006 aus nicht nachvollziehbaren Gründen erst am 03.01.2009 Rechtskraft eingetreten ist.

Bei dieser Konstellation rechtfertigt allein die Vorahndungslage des Betroffenen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung (noch) nicht den Schluss, das Gewicht des verfahrensgegenständlichen Geschwindigkeitsverstoßes um 21 km/h entspreche wertungsmäßig demjenigen eines Regelfalls im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV. Nachdem das Amtsgericht sonstige Feststellungen für einen beharrlichen Pflichtenverstoß im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG, etwa für die Annahme eines auch subjektiv auf Gleichgültigkeit beruhenden besonders verantwortungslosen Verkehrsverhaltens, nicht getroffen hat, kann die Fahrverbotsanordnung keinen Bestand haben.

3. Demgegenüber besteht für den Senat keine Veranlassung, die festgesetzte Geldbuße zu reduzieren. Das Amtsgericht durfte aufgrund der Vorahndungen des Betroffenen die Verhängung lediglich der Regelbuße als offensichtlich unzureichende Rechtsfolge ansehen und deshalb die Regelgeldbuße verdoppeln.
IV.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 4 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG.
Gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.

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